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Grisebach, August [Hrsg.]
Römische Porträtbüsten der Gegenreformation — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 13: Leipzig: Keller, 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.48326#0038
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diese antike Porträtform bis ins 6. Jahrhundert, die christliche Kunst übernimmt
sie für ihre Heiligen und Engel. Wobei die Kreislinie zugleich als Nimbus ihren
Sinn hat.
Auch der mittelalterlichen Kunst im Norden bleibt diese Vorstellungsart nicht
ganz fremd: an St. Emmeran in Regensburg ein Medaillon mit frontaler Büste
unter thronendem Christus aus dem i x. Jahrh., ein Christuskopf (?) vor einer Muschel
im unterfränkischen Holzkirchen aus dem 12. Jahrh. (Beenken, Roman. Plastik,
S. 27 und 91). Ja, der Typus des römischen Soldatengrabsteins hat damals eine -
doch wohl vereinzelte - Nachfolge am Rhein gehabt: zwei Brustbilder in Rund-
nischen aus Kalkstein im Bonner Provinzialmuseum (Bau- und Kunstdenkmäler der
Rheinlande V, 4, S. 173h.). -
Italien nimmt mit der Erneuerung antiker Architekturanschauung im 15. Jahrh.
das Tondo als eine Form auf, die sich bestimmten Felderungen wie Bogenzwickeln
und Lünetten, günstig einpaßt. Dem Verlangen nach meßbar klaren Flächen und
dem Wohlklang ihrer Verbindung zueinander entsprach die Wahl des abgezirkelten
Runds. Solche Rahmen mit Köpfen zu besetzen, geschah mitunter aus dem Wunsche
nach dekorativer Wirkung. Des Symbolgehalts, der ursprünglich der kreisrunden
Bindung des Büstenbildes innewohnte, war man sich nicht immer bewußt. So
beziehungsarm wie moderne „Bauplastik“ sind die Medaillonköpfe des Quattro-
cento doch nicht, gewiß nicht an kirchlichen Gebäuden. Aber auch die Büsten an
Palastfronten geben, auch wenn sie anonym sind, dem Zeitgefühl Ausdruck: Römer-
köpfe blicken als verehrungswürdige Vorbilder auf die Lebenden herab. Die Männer,
die in den Bogenzwickeln eines Portals oder den Bekrönungen eines Fensters aus
gerundeten Tiefen hervorschauen - dieses weitverbreitete Motiv, das Italien an den
Norden, zumal an die deutsche Baukunst weitergab - mögen als Wächter des Hauses
gedacht sein. Wenn auch nicht an jeder Station der Sinn ihres Auftretens unmittel-
bar gegenwärtig blieb. Übrigens wäre auch zu untersuchen, ob die Imago am Hause
irgendwann apotropäische Bedeutung gehabt hat. -
Der Lombardei war die Büste im Rund als Schmuckstück der Architektur in
besonderem Maße willkommen. Aber auch in Regionen strengerer Observanz fehlt
sie nicht. Die Bambini am Findelhaus Brunelleschis gehören zwar nicht genau in
die Reihe der Büstennischen, lassen aber doch die Bereitschaft für solchen sinnbild-
lichen Schmuck erkennen. Die Köpfe auf den Rahmenleisten der Ghibertischen
Türe sind ein frühes Zeugnis für diese Darstellungsweise zeitgenössischer Bildnisse.
Auch an die im Rund gerahmten Porträtbüsten der Robbias ist zu erinnern. In den
Zwickeln der Hofarkaden des Palazzo Pazzi in Florenz sitzen Imagines clipeatae.
Auch in Rom gab es dergleichen (vgl. die Abb. bei L. Pastor, Rom zu Ende der
Renaissance, S. 37). Ein Beispiel aus Süditalien ist die Balkonbrüstung der Casa
Carozzini in Otranto: sieben Felder mit je einer Büste in der Corona, freilich wohl

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