Polen tritt Sirleto mit einer gewinnenden Offenheit gegenüber: den breiten voll-
bärtigen Kopf ruckartig zur Seite gewendet, ein robuster kurzhalsiger Mann von
gedrungener Kraft. Er erinnert in seinem leiblichen Habitus an Sixtus V., wie ihn
Torrigiani in der Bronzebüste in Treya dargestellt hat. Vielleicht wird man deshalb
verleitet, auch in der künstlerischen Auffassung Verwandtes zu spüren.
Die Mehrzahl der damaligen römischen Bildnisse verfolgt eine andere, strengere
Richtung. Die Büste des Bischofs Odescalchi, dessen Grabmal in S. Girolamo della
Caritä 1585, im Todesjahr Sirletos errichtet wurde, führt in dies andersgeartete, für
Rom insonderheit charakteristische Bereich. Wie das römische Wandgrab in seinem
Gesamtbau - und das Odescalchis ist ein Beispiel vorzüglichen Ranges (41) - sich
durch sein gefestigtes Gefüge, durch architektonische Haltung auch bei reicherer
Verwendung farbiger Gesteine von den aufgelockerten Kompositionen oberitalie-
nischer Büstengräber unterscheidet, so auch das Bildnis selbst. Die Büste Odescal-
chis (42) baut sich, gradlinig umrissen, in ausgewogener Ruhe auf. Augen, Mund
und Nase stehen in gewinkelten Richtungskontrasten. Und doch geht von diesem
Porträt eine menschliche Wärme aus, ein Wohlwollen, das sich mit aus dem Wesen
des Dargestellten erklären mag, - verglichen mit der Versteinerung der Männer,
deren Reihe dem Todesdatum nach mit dem Kardinal Aldobrandini (f 1573) in der
Minerva (44) beginnt und bis um die Jahrhundertwende sich fortsetzt.
Ein stoffliches Merkmal verbindet diese Bildnisse untereinander: der dunkelrote
Rock aus Rosso antico, der den hellen Marmorkopf trägt. Die Wahl zweierlei
Materials geht überein mit der damals sich steigernden Farbigkeit der Grabmal-
architektur. Für die Büste bedeutet der neue Brauch, daß das Kostümliche in der
Wirkung zurücktritt, der Akzent allein dem Kopfe vorbehalten bleibt. Auch die
Pathetik der Manteldraperie verschwindet. Bei Strozzi und den Frangipani spielte
sie eine Rolle. Dem malerischen Vortrag Venedigs bleibt sie willkommen. In Rom
entspricht das geistliche Gewand oder bei den Weltleuten der strenge Zuschnitt
der spanischen Tracht dem Gepräge der Köpfe. Bemerkenswert ist auch, daß diese
Büsten nicht auf einem Sockel stehen, sondern ihr Ausschnitt, wie bei den freilich
knapper gefaßten, schulterlosen Porträts um 1500, sich dem Nischenrund einpaßt.
Das entspricht ihrer eigenen tektonischen Bindung.
Aldobrandinis Büste gibt einen ungewöhnlich großen Ausschnitt der Gestalt, der
die Vorstellung eines straff aufgerichteten hageren Mannes erweckt. Unter dem hohen
gerundeten Schädel richten sich die Augen gradaus ins Leere. Daß die Augäpfel un-
bezeichnet geblieben sind, ist für diese Zeit ein Sonderfall. Aber es paßt zu dem
steinern maskenhaften Angesicht. Der neutrale Blick verrät keine Hintergründe, jede
gefühlsmäßige Regung ist unterdrückt. Burckhardts Wort von dem „disziplinierten
Fanatismus der Jesuiten“ klingt, als sei es auf diesen Großpönitentiar gemünzt.
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bärtigen Kopf ruckartig zur Seite gewendet, ein robuster kurzhalsiger Mann von
gedrungener Kraft. Er erinnert in seinem leiblichen Habitus an Sixtus V., wie ihn
Torrigiani in der Bronzebüste in Treya dargestellt hat. Vielleicht wird man deshalb
verleitet, auch in der künstlerischen Auffassung Verwandtes zu spüren.
Die Mehrzahl der damaligen römischen Bildnisse verfolgt eine andere, strengere
Richtung. Die Büste des Bischofs Odescalchi, dessen Grabmal in S. Girolamo della
Caritä 1585, im Todesjahr Sirletos errichtet wurde, führt in dies andersgeartete, für
Rom insonderheit charakteristische Bereich. Wie das römische Wandgrab in seinem
Gesamtbau - und das Odescalchis ist ein Beispiel vorzüglichen Ranges (41) - sich
durch sein gefestigtes Gefüge, durch architektonische Haltung auch bei reicherer
Verwendung farbiger Gesteine von den aufgelockerten Kompositionen oberitalie-
nischer Büstengräber unterscheidet, so auch das Bildnis selbst. Die Büste Odescal-
chis (42) baut sich, gradlinig umrissen, in ausgewogener Ruhe auf. Augen, Mund
und Nase stehen in gewinkelten Richtungskontrasten. Und doch geht von diesem
Porträt eine menschliche Wärme aus, ein Wohlwollen, das sich mit aus dem Wesen
des Dargestellten erklären mag, - verglichen mit der Versteinerung der Männer,
deren Reihe dem Todesdatum nach mit dem Kardinal Aldobrandini (f 1573) in der
Minerva (44) beginnt und bis um die Jahrhundertwende sich fortsetzt.
Ein stoffliches Merkmal verbindet diese Bildnisse untereinander: der dunkelrote
Rock aus Rosso antico, der den hellen Marmorkopf trägt. Die Wahl zweierlei
Materials geht überein mit der damals sich steigernden Farbigkeit der Grabmal-
architektur. Für die Büste bedeutet der neue Brauch, daß das Kostümliche in der
Wirkung zurücktritt, der Akzent allein dem Kopfe vorbehalten bleibt. Auch die
Pathetik der Manteldraperie verschwindet. Bei Strozzi und den Frangipani spielte
sie eine Rolle. Dem malerischen Vortrag Venedigs bleibt sie willkommen. In Rom
entspricht das geistliche Gewand oder bei den Weltleuten der strenge Zuschnitt
der spanischen Tracht dem Gepräge der Köpfe. Bemerkenswert ist auch, daß diese
Büsten nicht auf einem Sockel stehen, sondern ihr Ausschnitt, wie bei den freilich
knapper gefaßten, schulterlosen Porträts um 1500, sich dem Nischenrund einpaßt.
Das entspricht ihrer eigenen tektonischen Bindung.
Aldobrandinis Büste gibt einen ungewöhnlich großen Ausschnitt der Gestalt, der
die Vorstellung eines straff aufgerichteten hageren Mannes erweckt. Unter dem hohen
gerundeten Schädel richten sich die Augen gradaus ins Leere. Daß die Augäpfel un-
bezeichnet geblieben sind, ist für diese Zeit ein Sonderfall. Aber es paßt zu dem
steinern maskenhaften Angesicht. Der neutrale Blick verrät keine Hintergründe, jede
gefühlsmäßige Regung ist unterdrückt. Burckhardts Wort von dem „disziplinierten
Fanatismus der Jesuiten“ klingt, als sei es auf diesen Großpönitentiar gemünzt.
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