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Grosjean, Georges [Hrsg.]; Cavelti, Madlena [Hrsg.]
500 Jahre Schweizer Landkarten — Zürich, 1971

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https://doi.org/10.11588/diglit.10984#0048

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messungstcchnischcr Hinsicht alle Mängel der Dufourkarte noch an-
hafteten. Nach Hermann Siegfrieds frühem Tod im Jahre 1879 führ-
ten Oberst Dumur und bald Oberst J.J. Lochmann die Arbeit weiter.
Um 1900 waren in Erweiterung des ursprünglichen Programms
604 Blätter veröffentlicht. Bis 1949 wurde das Kartenwerk weiter-
entwickelt, indem die Blätter durchschnittlich vier- bis fünfmal nach-
geführt wurden.

Die große Leistung, die den Siegjriedatlas weltberühmt gemacht
hat, ist die Felszeichnuno. In ihr äußert sich die ganz persönliche Hand-
schrift jedes einzelnen Topographen. Unter dem Einfluß der auf-
kommenden Alpengeologie gelang eine erstaunliche Einfühlung in
Material, tcktonischc oder morphologische Struktur. Bedeutendste
Persönlichkeiten arbeiteten als Hochgebirgstopographcn in jener
Zeit. Wir zeigen sechs Beispiele, einfarbig in doppelter Vergröße-

151 rung: Ausschnitt 151 zeigt die klassische Rundhöckcrlandschaft am
Sanetschpaß, aufgenommen 1839 von Isaac Christian Wolfs-
berger, der im Bureau Dufours angelernt worden war, revidiert
1878 von R. Guebfiard, Ausschnitt aus Blatt 481, St. Leonard. Aus-

152 schnitt 152 aus Blatt 521, Bernina, veröffentlicht 1876, stammt von
Johann Wilhelm Fortunat Coaz, einer der markantesten Per-
sönlichkeiten unter den schweizerischen Bergsteigern und Topo-
graphen. Es ist die Bernina, der höchste Gipfel Bündens, dessen Erst-
besteigung der Bündner Coaz 1850 bei topographischen Arbeiten

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ausführte. Markant ist die Darstellung des Felses, fast ausschließlich
durch horizontale Schraffen wiedergegeben. Coaz war später bünd-
ncrischer, dann eidgenössischer Oberforstinspektor und schrieb ein
grundlegendes Werk über die Lawinen der Schweizer Alpen. Mit ^
Ausschnitt 153 stellt sich Fridolin Becker vor, ein

Glarner, Schüler
Wilds, 1890 Professor für Kartographie am Eidgenössischen

Poly-
technikum in Zürich, eine künstlerisch veranlagte, fein besaitete
Natur. Hier hat er im 1877 erschienenen Blatt 400, Linthal, den
Charakter des gebänderten Kalkfelses und der Karrenfclder meister- ^
haft zum Ausdruck gebracht. Ganz anders zeichnet A. von TscHAR-
ner 1878 die kristalline Pyramide des Bristenstocks (Ausschnitt I54>
aus Blatt 407, Amsteg, publiziert 1881). Die Rippen sind kräftig, fast
etwas manieriert herausgearbeitet, die einzelnen Felselemente vor'
wiegend durch Konturen begrenzt. Wieder anders arbeitet der un-
nachahmliche Meister der jüngern Felszeichnung, der begnadete
Topograph und Rcliefbauer Xaver Imfeld, Obwaldner, ein Jahr
älter als Becker. Er setzt in feinster Schraffur, die auch Kreuzlagen
nicht scheut, Fclsflächcn scharf aneinander, ohne Konturen, und er-
reicht dadurch eine wahrhaft steinerne Härte. Als Probe erscheinen
(Ausschnitt 155) Dom und Täschhorn aus Blatt 533, Mischabel, 18ÖI
vom Topographen Betenips aufgenommen, 1878/79 von Imfeld re-
vidiert. Auch die Moränen hat Imfeld mit viel Einfühlungsvermögen
erfaßt. Das letzte Beispiel, Ausschnitt 156 aus Blatt 422, Lenz, zeigt
uns wieder eine ganz andere Hand, den gegenüber

Imfeld tmd Becker

um rund zehn Jahre ältern Bündner Leonz Held, im Wesen seiner
Felszeichnung und in seinem Charakter Coaz verwandt, eine in sich
gefestigte, kraftvolle Natur. Aufgenommen hat er das Blatt i884>
veröffentlicht wurde es 1886. Der Siegfricdatlas hat sich schon nn
Laufe seiner Entstchungszeit sehr stark verändert. Dies mag an der
Gegenüberstellung eines Ausschnittes aus dem von Hermann Sieg- ^
fried aufgenommenen und 1872 veröffentlichten Blatt 503, Faw°> ^
und der 1910 erfolgten Neuaufnahme desselben Blattes erkenntlich
sein: Bei Siegfried stark vereinfachte Herausarbeitung der großen
Formen, so etwa der Verflachungen des Pettanetto südlich des Pz0,
Pettano, in der Neuaufnahme eine zwar exakte, aber unübersicht-
liche Feinzeichnung, die den Blick für das Wesentliche der Gelände-
formen vermissen läßt. Die Ansprüche steigerten sich in den drei
Jahrzehnten der Siegfriedperiode gewaltig. Wurden Ursprung lieh für
ein Blatt 400 bis 500 Höhenpunkte bestimmt, so stieg deren Zahl ge-
gen Ende der Periode bei den Neuaufnahmen auf das Zehnfache.

DIE SCHWEIZERISCHE RELIEF-
KARTOGRAPHIE

Von allem Anfang an war die Karte in der Schweiz nicht nur tech-
nisches Hilfsmittel der Orientierung und Projektierung, sondern auch
Ausdruck eines tiefempfundenen Bedürfnisses, dem Landschaftser-
lebnis Ausdruck zu geben. Dieses Motiv schimmert schon bei Albrecht
von Bonstetten und Türstim 15. Jahrhundert und besonders stark bei
Thomas Schocpf im 16. und Hans Konrad Gyger im 17. Jahrhundert
durch. Die Kartengemälde Gygcrs und anderer Zeitgenossen stellen
durch ihre Beziehung zur süddeutschen Landtafelmalerei unmittel-
bar die Verbindung zur Landschaftsmalerei her. Der Landschafts-
maler, der von einem wirklichen terrestrischen Standort aus malt,
kann nur einen Teil des Landschaftserlebnisses cinfangen, mehr Farb-
und Lichtcflcktc und nur einzelne Formen, nicht aber das über-
wältigende Erlebnis der in fernen Horizonten verblauenden Vielfalt
der Höhenzüge und Täler und der hochalpincn Gipfclflur. Dies führte
bereits im 18. Jahrhundert zur Panoramenzeichnerei und -maierei.

Ein weiterer Schritt waren die Vogelschaukarten. Sie hatten ihre
Vorläufer in den jüngeren kavalicrperspektivischen Darstellungen,
wie sie bei Jos Murer bereits vorweggenommen sind und mit Gyg^rS
Schweizer Karte von 1657 eigentlich einsetzen. Der Unterschied be-
steht aber darin, daß bei den Kavalierperspcktivcn Gewässernetz und
Situation in Vertikalperspektive grundrißtreu wiedergegeben sind
und nur Höhenzüge, Ortschaften, Einzelgebäude und Bäume m
Schrägansicht von oben erscheinen, während bei den konstruierten

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