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Guhl, Ernst Karl [Hrsg.]; Caspar, Josef [Hrsg.]; Lübke, Wilhelm [Bearb.]
Denkmäler der Kunst: zur Übersicht ihres Entwicklungs-Ganges von den ersten künstlerischen Versuchen bis zu den Standpunkten der Gegenwart (Band 2): Denkmäler der romantischen Kunst — Stuttgart, 1851

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https://doi.org/10.11588/diglit.66422#0009
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DRITTER ARSCH NIT T.

TAFEL I. (3i)
ALTCHRISTLICHER BASILIKENBAÜ.

Fig. 1—4. Innere Ansicht, Durchschnitte und Grundriss der Basilika S.
Paolo fuori le mura zu Rom. — Im Jahre 386 von den Nachfolgern des ersten christlichen
Kaisers neu gegründet und im Anfang des folgenden Jahrhunderts vollendet, kann diese Basilika, die
dem Andenken des Apostel Paulus geweiht ist, als das Muster und der vollständige Typus jener ur-
sprünglichen christlichen Kirchenarchitektur angesehen werden, welche, ohschon von bestimmten Vor-
bildern der altrömischen Architektur, den Basiliken ausgehend (vgl. B. Taf. XVIII, Fig. 10), doch durch die
neuen Bedürfnisse des christlichen Kultus wesentlich modificirt und zur Grundlage der gesammten
christlichen Kirchenbaukunst der folgenden Jahrhunderte geworden ist. Wie mannigfaltige Modifika-
tionen der Basilikenbau in der Anlage der Kirchengebäude zuliess, zeigt schon die Auswahl der vor-
liegenden Tafel in ziemlicher Vollständigkeit, indem uns dieselbe Basiliken von drei und fünf Schiffen
vorführt, von einem und von zwei Stockwerken, mit einfacher Vorhalle oder mit vollständigem Vor-
hof, mit einer und mit mehreren Absiden, mit und ohne Querschiff, mit geradem Gebälk oder mit
Rundbogenarkaden u. s. f.
Die Basilika des h. Paulus vor den Mauern Roms an der ostiensischen Strasse gelegen, zeigt
eine reiche und prächtige Anlage von 5 parallel neben einander laufenden und durch Rundbogen-
arkaden getrennten Schiffen; 40 antike korinthische Säulen tragen das Mittelschiff, die Kapitelle sind
von trefflicher Arbeit und müssen ausgezeichneten römischen Denkmälern angehört haben; die Kapi-
telle der Seitenschiffe dagegen sind den korinthischen in eigenthümlicher einfacher Weise nachgebildet.
Die Wände des Mittelschiffs, in deren oberem Theil sich eine Reihe von Rundbogenfenster befand,
waren von den Arkaden bis zum Dachstuhl mit reichen Mosaikgemälden bedeckt; ebenso wie auch
der grosse Bogen, durch welchen sich das Mittelschiff in das Querschiff öffnet und die Halbkuppel
der Absis. Die Ansicht Fig. 1 vergegenwärtigt uns das Innere der Paulskirche in ihrer ganzen ur-
sprünglichen Einfachheit, ohne alle späteren Zusätze, mit Ausnahme des im 13. Jahrhundert hinzuge-
kommenen berühmten Tabernakels. Dieselbe Einfachheit der ursprünglichen Anlage zeigt auch der
Grundriss Fig. 4 mit der später angefügten modernen Vorhalle, welche indess nach andern Beispielen
zu urtheilen, wahrscheinlich einer früheren ähnlichen Anlage entspricht. Von den Durchschnitten
zeigt Fig. 3, der Querdurchschnitt, die einfache Form, während in den Längendurchschnitt Fig. 2 die

Hinzuthaten verschiedener moderner Altäre aufgenommen sind. Bei diesem Durchschnitte muss noch
besonders bemerkt werden, dass die durchschnittenen Wände nicht nur in der Durchschnittsfläche,
wie dies sonst gewöhnlich ist, dargestellt sind, sondern dass auch die eine Hälfte derselben in per-
spektivischer Ansicht gesehen wird. Daher sieht man denn auch die Säulen des Seitenschiffes neben
denen des Mittelschiffs, obwohl dieselben in Wirklichkeit auf einer Linie stehen und kann ferner die
eigenthümliche Anlage der beiden Wände des Querschiffs deutlich erkennen. Dies Querschiff nämlich
war der Länge nach durch eine, wohl erst später zum Zweck grösserer Festigkeit hinzugefügte Mauer
in zwei Hälften getheilt, welche indess durch die in der Mauer angebrachten Bogenöffnungen mit
einander in Verbindung standen (vergl. Fig. 2 und 4). Nach den 5 Schiffen der Kirche zu war das
Querschiff ebenfalls durch eine Mauer abgeschlossen, die sich indes durch eine grosse gewaltige Bo-
genöffnung, die sogenannte Triumphpforte, gegen das Mittelschiff und durch 4 kleinere Bögen gegen
die 4 Seitenschiffe öffnete. Diese Wand war einst mit Malereien bedeckt, von denen ich im Jahre 1845
während des Neubaus noch einige Reste (Heiligenfiguren in gemalten Spitzbogennischen stehend) ge-
sehen habe (vergl. Fig. 3). Diese Eigenthümlichkeiten des Baues werden aus den vor dem Brande
im Jahr 1823 gefertigten Aufnahmen Fig. 2—4 deutlich. Die perspektivische Ansicht des Innern
(Fig. 1) lässt namentlich den schön gefügten Dachstuhl, die Mosaiken der Wände, des Triumphbogens
und der Absis erkennen, welche letztere beide auch nach dem Brande erhalten, auf einer der fol-
genden Tafeln dargestellt werden. — Fig. 1 u. 4 Gutensohn und Knapp, die christlichen Basiliken Roms,
Taf. V u. VI. Fig. 2 u. 3 Nicolai, Descrizione della Basilica di S. Paolo, Taf. II u. III.
FlG. 5. Die Basilika S. Apollinare zu Ravenna. — Als Beispiel der äusseren Ge-
staltung der Basiliken kann die Ansicht der unter der Regierung des Königs Theoderich zu Ravenna
erbauten Basilika des h. Apollinaris, Schüler des h. Petrus, gelten, indem dieselbe in ihrem Aeussern
die ursprüngliche Bildung sehr gut erhalten hat. Man erkennt darin die Anlage des sehr bedeutend
über die Seitenschiffe hervorragenden Mittelschiffs, der Vorhalle, des noch nicht organisch mit dem
Ganzen verbundenen Glockenthurms. Das einzige architektonische Ornament des Aeussern besteht
in breiten Wandpilastern, über denen sich einfache Rundbogen ebenfalls in flachem Relief wölben.—
v. Quast, die altchristlichen Bauten von Ravenna. Taf. X, Fig. 1.
 
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