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Guhl, Ernst Karl [Hrsg.]; Caspar, Josef [Hrsg.]; Lübke, Wilhelm [Bearb.]
Denkmäler der Kunst: zur Übersicht ihres Entwicklungs-Ganges von den ersten künstlerischen Versuchen bis zu den Standpunkten der Gegenwart (Band 4): Die Kunstdenkmäler der Gegenwart — Stuttgart, 1856

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https://doi.org/10.11588/diglit.2145#0009
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F Ü N F T E K

ABSCHNITT.

Tafel I. (107.)
Deutsche Architektur.
Berliner Schule.

Fig. 1 — 3. Die Nikolaikirche zu Potsdam, von Schinkel. Fagade, Querprofil und
Grundriss. — Wir beginnen die Darstellung der kirchlichen Architektur der modernen Berliner
Schule, welcher die vorliegende Tafel gewidmet ist, mit einem Bauwerke Schinkel’s, um zugleich die
Thätigkeit dieses Meisters, dessen Schauspielhaus und Museumsrotunde auf Taf. 102 vorgeführt sind,
nach einer andern Seite zu schildern und zu zeigen, dass er auch im Kirchenbau seinen eigenen Weg
mit freier Originalität eingeschlagen hat. Die Aufgabe war, auf dem Marktplatze zu Potsdam, wo ehe-
mals schon eine durch Brand zerstörte Kirche gestanden hatte, ein neues evangelisches Gotteshaus auf-
zuführen. Der Bau begann im Sommer 1830 nach Schinkel’s Plänen unter der technischen Leitung von
Persius und wurde im Herbst 1837 eingeweiht. Dies betraf indess nur den quadratischen Unterbau.
Der runde Oberbau wurde erst 1843 nach Schinkel’s am 9. Oktober 1841 erfolgten Tode durch Persius
begonnen und nach dessen Tode 1845 durch Stüler unter beständiger technischer Führung des Baues
durch Prüfer fortgesetzt und bis 1850 zu Ende gebracht. — Der Kirchenkörper bildet, wie aus Fig. 3
erhellt, ein Quadrat von 118 Fuss, an welches sich vorn ein Portikus von sechs korinthischen Säulen,
hinten eine Altarnische schliesst. Die auf den Ecken ausgesparten Räume für die Treppen und die
Sakristei beschränken die innere Gestalt auf ein griechisches Kreuz mit kurzen Schenkeln. Letztere sind
mit Tonnengewölben von 60 Fuss Spannweite bedeckt, während über dem quadratischen Mittelraum eine
Kuppel bis zur Höhe von 164 Fuss (vergl. Fig. 2) sich erhebt. Drei dieser Kreuzflügel enthalten auf
korinthischen Säulen Emporen; der an die Altarnische gränzende Flügel, wo Kanzel und Taufstein sich
befinden, gestaltet sich dagegen ohne Empore als freier Chorraum. Die einfache Grundform ist ebenso
zweckmässig für die Bedürfnisse des evangelischen Kultus, wie günstig für die würdige und bedeutende
Wirkung des Raumes. Gehoben wird diese noch durch die schlichte, in edel griechischem Styl durch-
geführte Ausstattung und Ausschmückung. Kanzel und Orgelgehäuse haben angemessene bildnerische
Zierde, Altar und Taufstein sind aus schwarzem böhmischem Marmor, und die Säulen des Altarbaldachins
von gelblichem venetianischem Marmor. Ausserdem schmücken Gemälde auf Goldgrund die Altarnische
und die Wölbung der Kuppel. — Das Aeussere wirkt durch glückliche Vertheilung ruhiger Massen und
edle, dabei reiche Gliederung imponirend. Die Hauptfaktoren sind hier der Säulenportikus und darüber
das Giebelfeld mit einer nach Schinkel’s Zeichnung modellirten Reliefdarstellung der Bergpredigt, dann
Denkmäler der Kunst. IV.

besonders der herrliche Säulenkranz, welcher den unteren Theil des Tambours der Kuppel umgiebt, end-
lich die schöne Linie der Kuppel selbst, die auch für die weitere Umgebung diesem Baue eine domini-
rende Stellung anweist. Die vier Eckthürme, im Schinkel’schen Plane nicht vorhanden, sind durch
Persius hinzugefügt worden, weil durch unvorsichtiges Entfernen der Lehrbögen die Gewölbe sich so
plötzlich und stark gesetzt hatten, dass eine Verstärkung der Ecken nothwendig wurde. Bemerkenswerth
ist noch die ausgezeichnete Construktion der Schutzkuppel, welche, ganz aus Eisen zusammengefügt, einen
unteren Durchmesser von 723// und ein Gewicht von 1250 Gentnern hat. — G. E r bk am’s Zeitschrift für
Bauwesen. III. Jahrg. Berlin 1853. Tafel 1—3.
Fig. 4 U. 5. Die Markuskirche zu Berlin, von A. Stüler. Längendurchschnitt und
Grundriss. — Hatte Schinkel in geistvoll origineller Weise für die eben dargestellte Kirche die künst-
lerische Lösung der Aufgabe eines evangelischen Gotteshauses lediglich innerhalb der antik klassischen
Formenwelt gefunden, so haben dagegen seine Schüler und Nachfolger sich den Einflüssen nicht ent-
ziehen können, welche die wieder auflebende Begeisterung für die Kunst des christlichen Mittelalters
mit sich brachte. Doch kommt dabei in der Durchbildung des Einzelnen ein durch die Antike geläu-
terter Sinn, wie er seit jenes Meisters Vorgang Erbtheil der Berliner Schule geworden ist, zur Geltung.
Als interessantes Beispiel dieser Richtung geben wir die von 1848 bis 1855 nach den Plänen von
A. Stüler unter Erbkam’s Leitung für die evangelische Georgen-Gemeinde ausgeführte Markuskirche zu
Berlin. Ihre Anlage bildet ein regelmässiges Achteck mit niedrigem Umgänge, an welchen sich einer-
seits eine Altarnische sammt Sakristei und Taufkapelle, andrerseits ein Glockenthurm nebst Vorhalle und
Treppenhaus legt. Acht schlanke Sandsteinsäulen, 40' hoch, trennen den Mittelraum von den Umgängen.
In letzteren sind Emporen angebracht, die auf eisernen Säulen ruhen und ihr Licht durch je drei gekup-
pelte hohe Rundbogenfenster, deren Stabwerk in Formsteinen ausgeführt ist, erhalten. Einfache rund-
bogige Fenster erhellen das untere Geschoss. Den hoch emporgeführten Mittelbau bedeckt ein kuppel-
artiges Kappengewölbe von 100' Scheitelhöhe; durch acht grosse Radfenster mit säulenartigem, aus Form-
steinen gebildetem Speichenwerk erhält er ein reiches Oberlicht. Die mannichfache Gliederung des Raumes,
sowie die Vermeidung ungebrochener Gewölbflächen verleihen dem Inneren eine gute Akustik, und die
centrale Anlage bewährt sich abermals für die Zwecke des evangelischen Gottesdienstes als praktisch.
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