II: DER RATIONALISMUS
MAN darf den Dreißigjährigen Krieg also nicht als eine plötz#
liehe Kluft betrachten, in der ohne Übergang alles Vorherige
versinkt, an deren andrem Ufer alles neu gebaut werden muß.
Vielmehr ist er selbst nur die Krise eines Krankheitsprozesses in der die
lang vorhergehende Zersetzung der Kräfte und Stoffe sich rascher voll#
zieht und an deren Ende wir dann deutlicher die eingetretene Verände#
rung wahrnehmen. Dabei wird denn der häufigste Historikerfehler ge#
macht: das post hoc mit dem propter hoc zu verwechseln. In der leben#
digen Geschichte gibt es aber keine solchen plötzlichen Abschnitte und
darum sind alle rein chronologischen Periodisierungen, wenn sie über
Handwerks# und Gedächtnismittel hinausgreifend zu geistigen Kon#
struktionen führen, gewaltsam. Wie auf der Erde schichten sich die
geistigen Zeitalter nebeneinander und ineinander, ohne nach der Jahres#
zahl zu fragen, und es gibt keine geistige Tendenz die man mit einem
geschichtlichen Abschnitt als auf einmal abgetan bezeichnen könnte.
Wenn wir beim Dreißigjährigen Krieg einen Abschnitt machen, so ge#
schiebt dies nicht, weil damit die Tendenz die im vorigen Abschnitt
behandelt wurde zu Ende wäre, sondern weil mit dem Krieg eine neue
einsetzt oder vielmehr zur Macht wird, die sich historisch greifen und
darstellen läßt. Kräfte und Tendenzen: das sind die Formen unter
denen die Geistesgeschichte allein Zeitalter wahrnehmen soll, nicht
empirische Begebenheiten, Abschnitte oder gar Jahrzehnte. Wir haben
darum die Äußerungen des englischen Komödiantenwesens und ihre
Wirkungen als ein geistiges Kontinuum im vorigen Abschnitt behan#
delt, weil sie vor dem Dreißigjährigen Krieg als Macht und als Symp#
tom bereits auftraten, obwohl sie kalendermäßig vielfach nach den
Äußerungen der jetzt zu besprechenden Richtung zu verzeichnen sind:
sie sind geistig früheren Ursprungs und schichten sich nur in die geistig
spätere Welt hinein. Nähmen wir die einzelnen Werke als in sich ab#
geschlossene Inhalte, so würden wir uns an die Kalenderzahl halten
dürfen und den geistigen Zusammenhang ohne Gefahr zerreißen. Bei
der symbolischen Behandlungsart, der die einzelnen Werke nur Symp#
tome von Prozessen und Kräften sind, geht dies nicht an. Wer die
Tendenzen als die Einheiten und deren Darstellung als den Inhalt der
MAN darf den Dreißigjährigen Krieg also nicht als eine plötz#
liehe Kluft betrachten, in der ohne Übergang alles Vorherige
versinkt, an deren andrem Ufer alles neu gebaut werden muß.
Vielmehr ist er selbst nur die Krise eines Krankheitsprozesses in der die
lang vorhergehende Zersetzung der Kräfte und Stoffe sich rascher voll#
zieht und an deren Ende wir dann deutlicher die eingetretene Verände#
rung wahrnehmen. Dabei wird denn der häufigste Historikerfehler ge#
macht: das post hoc mit dem propter hoc zu verwechseln. In der leben#
digen Geschichte gibt es aber keine solchen plötzlichen Abschnitte und
darum sind alle rein chronologischen Periodisierungen, wenn sie über
Handwerks# und Gedächtnismittel hinausgreifend zu geistigen Kon#
struktionen führen, gewaltsam. Wie auf der Erde schichten sich die
geistigen Zeitalter nebeneinander und ineinander, ohne nach der Jahres#
zahl zu fragen, und es gibt keine geistige Tendenz die man mit einem
geschichtlichen Abschnitt als auf einmal abgetan bezeichnen könnte.
Wenn wir beim Dreißigjährigen Krieg einen Abschnitt machen, so ge#
schiebt dies nicht, weil damit die Tendenz die im vorigen Abschnitt
behandelt wurde zu Ende wäre, sondern weil mit dem Krieg eine neue
einsetzt oder vielmehr zur Macht wird, die sich historisch greifen und
darstellen läßt. Kräfte und Tendenzen: das sind die Formen unter
denen die Geistesgeschichte allein Zeitalter wahrnehmen soll, nicht
empirische Begebenheiten, Abschnitte oder gar Jahrzehnte. Wir haben
darum die Äußerungen des englischen Komödiantenwesens und ihre
Wirkungen als ein geistiges Kontinuum im vorigen Abschnitt behan#
delt, weil sie vor dem Dreißigjährigen Krieg als Macht und als Symp#
tom bereits auftraten, obwohl sie kalendermäßig vielfach nach den
Äußerungen der jetzt zu besprechenden Richtung zu verzeichnen sind:
sie sind geistig früheren Ursprungs und schichten sich nur in die geistig
spätere Welt hinein. Nähmen wir die einzelnen Werke als in sich ab#
geschlossene Inhalte, so würden wir uns an die Kalenderzahl halten
dürfen und den geistigen Zusammenhang ohne Gefahr zerreißen. Bei
der symbolischen Behandlungsart, der die einzelnen Werke nur Symp#
tome von Prozessen und Kräften sind, geht dies nicht an. Wer die
Tendenzen als die Einheiten und deren Darstellung als den Inhalt der