ÜBER DIE ANFÄNGE
DER GEDRUCKTEN ZEITUNGEN
Von Adolf Dresler
Bei Vorarbeiten zu einer „Geschichte der italienischen Presse“ drängte
sich mir eine Untersuchung der Frage auf, ob in der Zeit von der Einfüh-
rung des Buchdrucks bis zum Erscheinen der ersten gedruckten Wochen-
blätter, einem Zeitraum, der z. B. in Rom von 1467 bis 1716, also 239 Jahre,
gedauert hat, keine Nachrichten gedruckt worden seien, keineZeitungspresse
bestanden habe. Die Behauptung einer italienischen Pressegeschichte, die
Zensur habe jahrhundertelang das Aufkommen gedruckter Zeitungen ver-
hindert, erschien nicht überzeugend, und in der Tat ergaben die Forschun-
gen, daß Zeitungen, und zwar Einzelzeitungen vor der Entstehung der
ersten Wochenblätter zu Hunderten gedruckt worden waren, und daß sie
auch neben den Wochenblättern noch bis ins 19. Jahrhundert fortbestanden
haben, nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland, der Schweiz, den
Niederlanden, Frankreich, Spanien, Portugal, England, Polen usw., kurzum,
daß diese gedruckten Einzelzeitungen als die erste Stufe der Zeitungs-
presse anzusehen sind.
Man hat den gedruckten Einzelzeitungen bisher wenig Beachtung
geschenkt. Caspar von Stieler (Zeitungs-Lust und Nutz, Hamburg 1695)
und Robert Prutz (Geschichte des deutschen Journalismus, Hannover 1845)
verlegten zwar die Anfänge der Zeitungspresse in die ersten Jahrzehnte
nach Erfindung der schwarzen Kunst, also in die zweite Hälfte des fünf-
zehnten Jahrhunderts, Emil Weller stellte dann eine Bibliographie von
877 Nummern deutscher Einzelzeitungen des 16. Jahrhunderts zusammen
(Die ersten deutschen Zeitungen, Tübingen 1872) und Paul Roth bearbeitete
die gedruckten Einzelzeitungen in einer Preisschrift (Die Neuen Zeitungen
in Deutschland im 15. und 16. Jahrhundert, Leipzig 1914), aber Otto Julius
Opel (Die Anfänge der deutschen Zeitungspresse 1609—1650, Leipzig 1875)
sprach den gedruckten Einzelzeitungen wegen des Mangels der Periodizität
den Zeitungscharakter ab, und ihm schlossen sich andere Historiker der
DER GEDRUCKTEN ZEITUNGEN
Von Adolf Dresler
Bei Vorarbeiten zu einer „Geschichte der italienischen Presse“ drängte
sich mir eine Untersuchung der Frage auf, ob in der Zeit von der Einfüh-
rung des Buchdrucks bis zum Erscheinen der ersten gedruckten Wochen-
blätter, einem Zeitraum, der z. B. in Rom von 1467 bis 1716, also 239 Jahre,
gedauert hat, keine Nachrichten gedruckt worden seien, keineZeitungspresse
bestanden habe. Die Behauptung einer italienischen Pressegeschichte, die
Zensur habe jahrhundertelang das Aufkommen gedruckter Zeitungen ver-
hindert, erschien nicht überzeugend, und in der Tat ergaben die Forschun-
gen, daß Zeitungen, und zwar Einzelzeitungen vor der Entstehung der
ersten Wochenblätter zu Hunderten gedruckt worden waren, und daß sie
auch neben den Wochenblättern noch bis ins 19. Jahrhundert fortbestanden
haben, nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland, der Schweiz, den
Niederlanden, Frankreich, Spanien, Portugal, England, Polen usw., kurzum,
daß diese gedruckten Einzelzeitungen als die erste Stufe der Zeitungs-
presse anzusehen sind.
Man hat den gedruckten Einzelzeitungen bisher wenig Beachtung
geschenkt. Caspar von Stieler (Zeitungs-Lust und Nutz, Hamburg 1695)
und Robert Prutz (Geschichte des deutschen Journalismus, Hannover 1845)
verlegten zwar die Anfänge der Zeitungspresse in die ersten Jahrzehnte
nach Erfindung der schwarzen Kunst, also in die zweite Hälfte des fünf-
zehnten Jahrhunderts, Emil Weller stellte dann eine Bibliographie von
877 Nummern deutscher Einzelzeitungen des 16. Jahrhunderts zusammen
(Die ersten deutschen Zeitungen, Tübingen 1872) und Paul Roth bearbeitete
die gedruckten Einzelzeitungen in einer Preisschrift (Die Neuen Zeitungen
in Deutschland im 15. und 16. Jahrhundert, Leipzig 1914), aber Otto Julius
Opel (Die Anfänge der deutschen Zeitungspresse 1609—1650, Leipzig 1875)
sprach den gedruckten Einzelzeitungen wegen des Mangels der Periodizität
den Zeitungscharakter ab, und ihm schlossen sich andere Historiker der