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Jongleur als Vortragender war wohl nur darauf bedacht, sich Ruhe zu ver-
schaffen, wie ja die Eingangsformel „Or faites paix“ wahrscheinlich von den
vortragenden Spielleuten stammt. Und etwa den Abschriften, die die Spiel-
leute von ihrem „Repertoire“ veranstalteten, den Namen des Verfassers ein-
zuverleiben, dazu lag für sie auch kein Gründ vor. Was nun die Kopisten
anlangt, so werden sie gerade im Gegenteil nicht selten, wo sie den Namen
des Verfassers oder gar eine Vorrede vorgefunden, den Namen oder die
Vorrede aus reiner Tücke beseitigt haben (vgl. dazu u. a. G. Paris, Esquisse
historique S. 108, Stengel in seiner Ausg. d. Durmart S. 499, Friedwagner
in seiner Ausg. d. Meraugis S. 231-, und über einen besonders krassen,
hierher gehörigen Fall von Kopistentücke vgl. Förster in seiner Ausg. der
Venus deesse d’amor S. 53.) Am Schluss haben die Kopisten im grossen
und ganzen einen konservativeren Sinn gezeigt. Sie haben da zumeist die
Namen und die Schlussbemerkungen (vgl. dagegen Förster kl. Erec 2 Anm. zu
v. 6951) belassen, allerdings dann nicht vergessen, ihren eigenen hinzuzufügen,
sehr oft zugleich mit der an die Leser gerichteten Bitte, für ihr (der Kopisten)
Seelenheil zu beten. Auch Bemerkungen aller Art haben sich die Schreiber
am Schluss zuweilen gestattet. (Vgl. z. B. Meraugis S 227 V. L. zu v. 5938
und Vengeance Raguidel Anm. zu v. 6182.)
7) Man denke an Bertolais, der im Raoul de Cambrai als ursprünglicher
Verfasser bezeichnet wird.
8) Bedurfte also das Publikum keiner sachlichen Einleitung, die ihm
das Verständnis des Dichtwerks erleichterte, so hätte es einer persönlich
gehaltenen Einführung des Dichters, an der zudem ihm selber nichts lag,
keinerlei Beachtung geschenkt. Und man kann hierbei sagen, die Zeiten
ändern sich nicht. Es ist eine bekannte Tatsache, dass sich heute — eben-
sowenig wie damals — Vorreden und Einleitungen die Gunst der Leser
nicht zu erringen vermögen, daher nicht selten Verfasser an die Leser die
Bitte richten, der Vorrede Beachtung zu schenken. Man muss hierbei noch
berücksichtigen, dass es sich in jenen alten Zeiten um vorgetragene (rich-
tiger: vorgesungene) Dichtungen handelte, eine solche Vorrede also hätte
vorgesungen werden müssen. Und Lessings berühmtes Wort: „Wir wollen
weniger erhoben und mehr gelesen sein“ gilt mit besonderem Recht von
den Vorreden. (Bei scherzhaften Gelegenheiten versichern mitunter die
Redner, nachdem sie eine geraume Zeit das Wort geführt, dies wäre die
Einleitung gewesen, nunmehr gingen sie zum Thema über.)
9) Diese Bemerkung ist vollkommen richtig. Das Publikum wollte
eine Erzählung vernehmen, die historisch beglaubigt, also schon alt, aber
bisher noch nicht bekannt geworden war, mithin als neu gelten konnte.
Und die Dichter — zum mindesten ein Teil — haben, was G. nicht
erwähnt, diesem Verlangen auch entsprochen oder, richtiger gesagt,
zu entsprechen vorgegeben. Aus den Volksepen sei angeführt: Moult a
este perdue, peca ne fut oie, Uns clers l’a trouve . . . Bonne chancon qui
est vielle et antie (Jourdain de Blaivies.) Also die Geschichte ist alt, aber
weil verloren gegangen, unbekannt geblieben. In ähnlicher Weise rühmen
Jongleur als Vortragender war wohl nur darauf bedacht, sich Ruhe zu ver-
schaffen, wie ja die Eingangsformel „Or faites paix“ wahrscheinlich von den
vortragenden Spielleuten stammt. Und etwa den Abschriften, die die Spiel-
leute von ihrem „Repertoire“ veranstalteten, den Namen des Verfassers ein-
zuverleiben, dazu lag für sie auch kein Gründ vor. Was nun die Kopisten
anlangt, so werden sie gerade im Gegenteil nicht selten, wo sie den Namen
des Verfassers oder gar eine Vorrede vorgefunden, den Namen oder die
Vorrede aus reiner Tücke beseitigt haben (vgl. dazu u. a. G. Paris, Esquisse
historique S. 108, Stengel in seiner Ausg. d. Durmart S. 499, Friedwagner
in seiner Ausg. d. Meraugis S. 231-, und über einen besonders krassen,
hierher gehörigen Fall von Kopistentücke vgl. Förster in seiner Ausg. der
Venus deesse d’amor S. 53.) Am Schluss haben die Kopisten im grossen
und ganzen einen konservativeren Sinn gezeigt. Sie haben da zumeist die
Namen und die Schlussbemerkungen (vgl. dagegen Förster kl. Erec 2 Anm. zu
v. 6951) belassen, allerdings dann nicht vergessen, ihren eigenen hinzuzufügen,
sehr oft zugleich mit der an die Leser gerichteten Bitte, für ihr (der Kopisten)
Seelenheil zu beten. Auch Bemerkungen aller Art haben sich die Schreiber
am Schluss zuweilen gestattet. (Vgl. z. B. Meraugis S 227 V. L. zu v. 5938
und Vengeance Raguidel Anm. zu v. 6182.)
7) Man denke an Bertolais, der im Raoul de Cambrai als ursprünglicher
Verfasser bezeichnet wird.
8) Bedurfte also das Publikum keiner sachlichen Einleitung, die ihm
das Verständnis des Dichtwerks erleichterte, so hätte es einer persönlich
gehaltenen Einführung des Dichters, an der zudem ihm selber nichts lag,
keinerlei Beachtung geschenkt. Und man kann hierbei sagen, die Zeiten
ändern sich nicht. Es ist eine bekannte Tatsache, dass sich heute — eben-
sowenig wie damals — Vorreden und Einleitungen die Gunst der Leser
nicht zu erringen vermögen, daher nicht selten Verfasser an die Leser die
Bitte richten, der Vorrede Beachtung zu schenken. Man muss hierbei noch
berücksichtigen, dass es sich in jenen alten Zeiten um vorgetragene (rich-
tiger: vorgesungene) Dichtungen handelte, eine solche Vorrede also hätte
vorgesungen werden müssen. Und Lessings berühmtes Wort: „Wir wollen
weniger erhoben und mehr gelesen sein“ gilt mit besonderem Recht von
den Vorreden. (Bei scherzhaften Gelegenheiten versichern mitunter die
Redner, nachdem sie eine geraume Zeit das Wort geführt, dies wäre die
Einleitung gewesen, nunmehr gingen sie zum Thema über.)
9) Diese Bemerkung ist vollkommen richtig. Das Publikum wollte
eine Erzählung vernehmen, die historisch beglaubigt, also schon alt, aber
bisher noch nicht bekannt geworden war, mithin als neu gelten konnte.
Und die Dichter — zum mindesten ein Teil — haben, was G. nicht
erwähnt, diesem Verlangen auch entsprochen oder, richtiger gesagt,
zu entsprechen vorgegeben. Aus den Volksepen sei angeführt: Moult a
este perdue, peca ne fut oie, Uns clers l’a trouve . . . Bonne chancon qui
est vielle et antie (Jourdain de Blaivies.) Also die Geschichte ist alt, aber
weil verloren gegangen, unbekannt geblieben. In ähnlicher Weise rühmen