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VORWORT.

Die Wiener Genesis ist die älteste christliche Handschrift, die mit einer fortlaufenden
Reihe von Bildern geschmückt ist. Diese Bilder sind öfter reproducirt worden; zuerst
von Lambecius im Jahre 1670, der sie von Friedrich Sadler hatte stechen lassen. Die
aufgestochenen Platten wurden von Daniel de Nessel wieder abgedruckt. Im Jahre 1776
stach sie Anton Schlechter für Kollar's neue Ausgabe von Lambecius' Werk über die
Wiener Hofbibliothek. 1867 veröffentlichte Garucci in seiner „Geschichte der christlichen
Kunst" lithographirte Umrisszeichnungen nach Photographien. Alle diese Reproductionen
wiederholten nur die Compositionen und das Gegenständliche und hatten nicht einmal
einen Versuch gemacht, den künstlerischen Inhalt dieser Bilder wiederzugeben, den zu
veranschaulichen diese neue Publication mit Hilfe der mechanischen Reproductions-
verfahren hiermit unternehmen wollte. Dann hatten die älteren Publicationen den Text
vernachlässigt, nur Proben davon gegeben, während diese neue Publication nicht allein
die Bilder sondern die ganzen Seiten dieses auf Purpurpergament geschriebenen Manu-
scriptes reproducirt, weil sie dem Texte wie den Bildern gleicherweise gerecht werden
wollte. Eine möglichst genaue Transscription, die sich selbst in den gewählten Typen der
Originalschrift zu nähern sucht, ist bemüht, die vielfachen Irrthümer der früheren Heraus-
geber zu vermeiden, sowie die erläuternden Bemerkungen den urkundlichen Werth dieses
Genesis-Textes in seinem Verhältnisse zu anderen Recensionen festzustellen suchen.

Da es der Zweck dieser neuen Publication ist, nicht mehr wie die früheren Publi-
cationen allein das Gegenständlich-Antiquarische zu berücksichtigen sondern mitzuwirken,
dass diese Genesis als ein Werk der Malerei der ausgehenden Antike von ein-
ziger Ausführlichkeit erkannt werde, hatten Erläuterungen und Hilfstafeln dahin zu wirken,
dass der malerische Inhalt des Werkes deutlich zu Tage trete. Die Einleitung:
hatte sich die Aufgabe gestellt, die Entwicklung der Malerei bis zu der Zeit zu ver-
folgen, in der die Genesisbilder eintreten, und das Wesentliche ihres Stiles historisch
zu erklären. Durch farbige Nachbildung einzelner Genesisblätter, durch Proben aus
stilistisch und zeitlich nahestehenden Manuscripten, die eine Vergleichung ermöglichen,
und durch eingehende Farbenangaben soll es Fachgelehrten und Kunstfreunden er-
leichtert werden, sich von der malerischen Ausführung dieser Blätter eingehender zu
unterrichten, als es die früheren Publicationen erlaubten.

Wien, im Jänner 1895.

Wilhelm Ritter von Härtel.

Franz Wickhoff.
 
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