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Fig. i3. Das hölzerne Pferd im Museo Nazionale zu Neapel.

IV.

Als sich die christliche Kunst aus der römischen entwickelte, gegen die Endzeiten dieser,
ehe sie ganz versiegt war, hatte die Malerei länger und kräftiger der allgemeinen Auflösung
widerstanden als die Plastik. Die christliche Kunst konnte daher der ersten eine grössere Zahl
noch lebensfähiger Schemata entnehmen als der letzten. Gegen den Anfang des dritten Jahr-
hunderts der Kaiserzeit, ja schon gegen das Ende des zweiten scheinen die neuen Compositionen
der Maler wirksamer gewesen zu sein als jene der Bildhauer. Es ist wiederholt darauf hin-
gewiesen worden, dass die Reliefs der römischen Sarkophage malerisch seien. Das bezieht sich
nicht etwa nur auf die Behandlung sondern es wurde mit Recht behauptet, dass diese Reliefs
von der Malerei vorbereitete Motive wiederholten. Freilich hat man sich das auch wieder so
zurechtgelegt, dass die römischen Bildhauer ihre Vorlagen in den Gemälden der Diadochenzeit
gesucht hätten, weil man einmal gewohnt wTar, sich den Hellenismus wie den Fleischkessel am
Tempel zu Jerusalem zu denken und die Römer wie Helis Söhne, die mit ihren Gabeln hinzu-
traten und sich daraus gierig die rohen Stücke holten.

Solches Vorgeben muss uns befremden, wo wir bei Betrachtung der römischen Kunst eine
regelmässige nationale Entwicklung der Plastik beobachten konnten, die mit der Schöpfung eines
illusionistischen Stiles begonnen hatte und in ihrer Weiterbildung zur continuirenden Dar-
stellungsart übergegangen war. Das lässt in derselben Periode ähnliche Vorgänge in der Malerei
vermuthen und es wird jedenfalls nicht ohne Nutzen sein, wenn wir unsere Untersuchung wieder
damit beginnen, zuzusehen, ob nicht die Verpflanzung der griechischen Kunst vom Morgenlande
in das Abendland so wie in der Plastik auch in der Malerei einen neuen Stil bedingt habe, der
in seinem Weiterschreiten endlich bei jenen Compositionen angelangt sei, die auf den römischen
Sarkophagen nachgebildet sind.
 
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