Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
III.

DIE TEXTBILDER.

Der Schreiber der Wiener Genesis war darauf bedacht, dieses Manuscript für eine Aus-
schmückung mit Bildern vorzubereiten. Er schrieb nur die Hälfte der Seite voll, ging zwar zu-
weilen auch ein paar Zeilen über diese Hälfte herunter, Hess aber regelmässig den übrigen Raum
für die Anbringung von Bildern frei. Diese füllten, entweder eingespannt in eine rahmenbildende
rothe Linie oder ohne jede Umgrenzung, die untere Hälfte des Blattes. Es wurden theils volle
Bilder ausgefüllt, so dass der Grund ganz mit Farbe bedeckt wurde, oder es wurden nur Figuren
und Beiwerk gemalt und das Alles ohne eine den Raum zusammenschliessende Behandlung des
Hintergrundes auf das Purpurpergament gesetzt. Und zwar geschah beides von den verschiedenen
Malern oder, wie wir besser sagen könnten, verschiedenen Gruppen von Malern, die sich an der
Ausführung dieser Bilder betheiligten.

So manriigfaltig die Behandlung der einzelnen Blätter ist, die Farben, deren sich die ver-
schiedenen Maler bedienen, sind dieselben. Für die gelben und braunen Töne dienten Erdfarben,
theils gebrannt, theils ungebrannt, verschiedentlich untereinander und mit Weiss oder Schwarz
gemischt. Das Weiss ist entfetteter Kalk wie schon in Pompeji und noch bei den italienischen
Frescanten, niemals eine der in moderner Zeit für diese Zwecke gebrauchten Metallfarben. Bei
dem Grün möchte ich es unentschieden lassen, ob grüne Erde gebraucht wurde oder ob es in
allen Fällen eine Mischung von Ocker und Blau ist; dass Blau, auch wenn man die zweite Mög-
lichkeit annimmt, häufig zugemischt wurde, ist zweifellos. Das Blau ist zerriebener Lasurstein.
Ein grelles Eisenroth wurde gerne verwendet. Es ähnelt in seiner Färbung oft dem Zinnober.
Von organischen Farben wurde Purpur gewählt, tiefroth wie Carmin, jedoch, wo er Flächen be-
decken sollte, immer mit Weiss gemischt und nur für die Schatten ungebrochen gebraucht; auch
das Eisenroth wurde mit dieser tiefen Purpurfarbe abschattirt. Eine andere Purpurfarbe ist ein
stumpfes Violett, mehr gegen das Blau zu als gegen das Roth und immer an deckendes Weiss
gebunden. Das Schwarz scheint Rebschwarz zu sein. Es tritt selten rein auf; zumeist ist es bei
den grauen und bräunlichen Tönen beigemischt. Gold wurde zuweilen aufgesetzt, niemals glatt
polirt. Das Bindemittel ist harzig. Die Farben, mit Ausnahme des rothen Purpurs, wo er die
Schattirung bildet, wurden immer vollständig deckend verwendet; nur auf den letzten Blättern
wurde im Hintergrunde einzelnes Detail auf die deckende Farbenschichte auflasirt.

Da uns von dieser Handschrift nur die Reste der ersten fünfzehn Binionen erhalten sind,1
können wir natürlich nicht mehr mit Sicherheit sagen, welcher ihr ursprünglicher Umfang war.
Wenn wir aber von den späteren griechischen Handschriften zurückschliessen dürfen, so war auch
diese Handschrift ursprünglich als Hexateuch gedacht. Supponiren wir also einen Hexateuch, der

1 Vergl. S. i38.
 
Annotationen