Das Problem des „Ewigen Handwerks".
Eigentlich sollte die Ausstellung „Das Ewige Handwerk" heissen. Ein Not-
ruf, vielleicht eine Mahnung, sollte das sein in einer Epoche, die beginnt,
das Eindringen der Maschine in unser Dasein als ein umwälzendes Schick-
sal zu begreifen, und die geneigt ist, hieraus den Untergang grosser
Zweige uralt-menschlicher Ausdrucksgestaltung abzuleiten und als unver-
meidlich hinzunehmen. Denn wir glauben ja zu erkennen, dass unser
Verhältnis zur Natur sich seit 100 Jahren grundlegend ändert, dass wir
aus der „Eisenzeit" in die „Stahlzeit" hinüberschreiten. Statt wie seit
Urbeginn Holz, Stein und Eisen (gewachsene Naturstoffe), statt Wind und
Wasser (gegebene Naturkräfte) unmittelbar zu nützen, beginnt unsere
Technik die abstrakte, d. h. abgezogene Energie, den künstlichen, kon-
struierten Werkstoff zwischen den Menschen und die Natur einzuschalten.
Droht sie nicht auch damit das alte naturverbundene Hand-Werk durch
das abstrakte Kopf-Werk, die lebendige Erfahrung durch die rationale
Berechnung, die Gestalten des „Lebens" durch die Formen des „Geistes"
zu verdrängen?
Viele Zeichen deuten auf solchen Ausgang hin. Nicht zuletzt auch die
nüchtern wirtschaftliche Feststellung, dass grosse Zweige des Handwerks
— darunter gerade auch des alten Kunsthandwerks — beschäftigungslos
zu werden drohen, dass man ihnen eine Umstellung zumutet, die oft nur
das Absterben bemäntelt. Dass hier und dort in Stadt und Land die
letzte Generation handwerklicher Könner auszusterben beginnt. Trotzdem
dürfte der Schluss auf die Aussichtslosigkeit des Kunsthandwerks (nur dieses
geht uns hier an) verfrüht ja falsch sein, einer täuschenden radikalistischen
Vereinfachung entsprungen, ein Kurzschluss, der nicht veranschlagt,
wieviel komplizierte Auswege, wieviel polare Ausgleiche das Leben in der
Kulturentwicklung unerschöpflich hervorbringt. Wahrscheinlicher ist a priori,
dass gerade die Technisierung unseres Daseins, dass eben die apparat-
artige normhaft-unpersönliche Durchgestaltung immer grösserer Teile
unserer gegenständlichen Gebrauchsumwelt zwangsläufig eine mächtige
Kompensation hervorrufen wird. Erleben wir nicht auch auf anderem
Gebiet schon heute, wie sich das „Leben" gegenüber dem „Geist" empört,
wie Menschlichkeit einer kahlen Sachlichkeit begegnen möchte, wie man
mit Spannung die Grenzen des kausalen Prinzips und den unsicheren
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Eigentlich sollte die Ausstellung „Das Ewige Handwerk" heissen. Ein Not-
ruf, vielleicht eine Mahnung, sollte das sein in einer Epoche, die beginnt,
das Eindringen der Maschine in unser Dasein als ein umwälzendes Schick-
sal zu begreifen, und die geneigt ist, hieraus den Untergang grosser
Zweige uralt-menschlicher Ausdrucksgestaltung abzuleiten und als unver-
meidlich hinzunehmen. Denn wir glauben ja zu erkennen, dass unser
Verhältnis zur Natur sich seit 100 Jahren grundlegend ändert, dass wir
aus der „Eisenzeit" in die „Stahlzeit" hinüberschreiten. Statt wie seit
Urbeginn Holz, Stein und Eisen (gewachsene Naturstoffe), statt Wind und
Wasser (gegebene Naturkräfte) unmittelbar zu nützen, beginnt unsere
Technik die abstrakte, d. h. abgezogene Energie, den künstlichen, kon-
struierten Werkstoff zwischen den Menschen und die Natur einzuschalten.
Droht sie nicht auch damit das alte naturverbundene Hand-Werk durch
das abstrakte Kopf-Werk, die lebendige Erfahrung durch die rationale
Berechnung, die Gestalten des „Lebens" durch die Formen des „Geistes"
zu verdrängen?
Viele Zeichen deuten auf solchen Ausgang hin. Nicht zuletzt auch die
nüchtern wirtschaftliche Feststellung, dass grosse Zweige des Handwerks
— darunter gerade auch des alten Kunsthandwerks — beschäftigungslos
zu werden drohen, dass man ihnen eine Umstellung zumutet, die oft nur
das Absterben bemäntelt. Dass hier und dort in Stadt und Land die
letzte Generation handwerklicher Könner auszusterben beginnt. Trotzdem
dürfte der Schluss auf die Aussichtslosigkeit des Kunsthandwerks (nur dieses
geht uns hier an) verfrüht ja falsch sein, einer täuschenden radikalistischen
Vereinfachung entsprungen, ein Kurzschluss, der nicht veranschlagt,
wieviel komplizierte Auswege, wieviel polare Ausgleiche das Leben in der
Kulturentwicklung unerschöpflich hervorbringt. Wahrscheinlicher ist a priori,
dass gerade die Technisierung unseres Daseins, dass eben die apparat-
artige normhaft-unpersönliche Durchgestaltung immer grösserer Teile
unserer gegenständlichen Gebrauchsumwelt zwangsläufig eine mächtige
Kompensation hervorrufen wird. Erleben wir nicht auch auf anderem
Gebiet schon heute, wie sich das „Leben" gegenüber dem „Geist" empört,
wie Menschlichkeit einer kahlen Sachlichkeit begegnen möchte, wie man
mit Spannung die Grenzen des kausalen Prinzips und den unsicheren
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