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Hasse, Max [Oth.]; Notke, Bernt [Ill.]
Bernt Notke - St. Jürgen zu Stockholm — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 81: Stuttgart: Reclam, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.65782#0006
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Wehr es nun selbst mehr gefährdet als seinen Gegner.
Nur eine Pranke hat das Untier wieder zu Boden brin-
gen können, in der zweiten hält es krampfhaft die Lanze,
die es im ersten Waffengang erbeutet hatte, die dritte
schlägt das Pferd, die vierte packt ziellos den eigenen
Schwanz, geifernd reißt es den Rachen auf. Seine Nie-
derlage ist schon fast entschieden. Der Schwertschlag
wird sie vollenden.
Der Sieg des heiligen Georg oder St. Jürgen, wie man
im Niederdeutschen sagt, ist auf eine sehr drastische
Weise vergegenwärtigt. Dennoch fehlt dieser turbulen-
ten Szene die ins einzelne gehende Belebung. Das Ge-
schehen ist im entscheidenden Zusammenstoß erstarrt,
nicht die geringsten Spuren einer Erregung zeichnen
sich im Gesicht des Siegers ab, steif stehen die Locken-
rollen um den Kopf des Ritters, unbewegt hängt der
reiche Aufputz vom heranpreschenden Pferd herab, fast
teilnahmslos, nur ein wenig verwundert, schaut die
Prinzessin dem Kampf zu, der ihr das bereits verloren-
gegebene Leben zurückschenken soll. Wir nehmen es
hin, denn die Wesen selbst, der junge Recke, sein Pferd,
die Prinzessin und der Drache fesseln uns nicht weniger
als das Geschehen, ihre ungewöhnlichen Erscheinungen
gehen unversehens in das Ereignis ein. Der strahlende
Glanz des prunkvollen Rüstzeugs erhebt den heiligen
Ritter zu einem Prinzen, der über ungemessene Schätze
verfügt, das zähnebleckende Streitroß, mit dem Horn
auf der Stirn, wird zum sagenhaften Einhorn, die Prin-
zessin in ihrem prächtigen, von Edelsteinen übersäten
Kleid und der phantastischen Krone ist wieder in die
Sphäre glückhaften Reichtums entrückt. Aber auch das
Scheußliche ist bis an die Grenze des Vorstellbaren ge-
trieben, der Drache ist über und über mit stachligen
Elchgeweihen bewehrt, umgeben von den ekligen Lei-
chenresten seines Fraßes und der herumkrauchenden
Drachenbrut. Abbildhaftes und Sinnbildhaftes verbin-
den sich in diesem Werk zu einem überwältigenden
Ganzen.
Frei im Raume stehend, wie sich heute die Gruppe
darbietet, wäre sie in der deutschen Kunst des 15. Jahr-

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