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N: 133.

Dienſtag, 8. Juni




Die KandwirthfHaftlihen


Karlsruhe, 4. Juni. Seine Königliche
Hoheit der Regent haben heute Nachmittag
um 2 Uhr den in außerordentlicher Sendung
hier eingetroffenen groͤßh. ſachſen⸗ weimar'ſchen
Oberjaͤßermeiſter Freiherrn v. Hopffgaͤrten
in feierlicher Audienz zu empfangen geruht,
um aus deſſen Händen das Erwiderunge-
ſchreiben Sr. *, Hoh. des Großherzogs von
Sachfen-Weimar auf die von Sr. falı Hoh.
ausgegangene Notification von dem hoͤchſi-
bedauerlichen Ableben des Großherzogs Leo-
pold k. Hoheit und dem Höchſteigenen Re-
gierungsantritt entgegenzunehmen! Nach-
dem hierauf Ihre k Hoheit die Großherzoͤ⸗
gin Sophie dem Freiherrn v. Hopffgarien
eine beſondere Audienz gnaͤdigſt ertheilt
hatte, wurde demſelben die Ehre zu Theil,


fel gezogen zu werden

. 4# Die Rechtfertigung der
Oppoſition vom katholifch- eon-
ſervativen Standpunkte aus.

„Jede menſchliche Autorität muß
mitunter angegriffen werden, da=-
mit fie ſfich reinige und aus ſich
felber erſtarke. Haͤtten nicht Männer,
wie Friedrich von Spee, der heldenmüthige
Sefuit, das Anſehen der Gerichte angegrif-
fen wir wären noch heute von den Greueln
der Hexenproceſſe nicht frei.“ So die Re-
daetion der katholiſch conſervativen Volte-
halle die eben einen Fatholifjdh=confervativen
Preßverein in’s Leben zu rufen ſucht, der,
wie ſie ſagt, „die große Wahrheit geltend


letzt werden könne, ohne daß alle
Autorität davon leide,“ Wir müſſen
es den Katholiſch⸗Lonſervativen überlaſſen,
dieſe Gegenſätzẽ zu vermitteln, und
erlauben ungs nur die Bemerkung daß wir
mit dem erſten Saße in ſoweit einverſtan-
den ſind, alg die Autorität, die angegriffen
werden wuß, ihrerfeits die ſittliche und recht:
liche Grundlage verfennt, auf der ſie ruͤhen
muß, und die allein ihre Berechtigung iff,
Umgekehrt iſt der Angriff auf die Autorität
ein verwerflicher, wenn dieſe jenen Stand-
punkt feſihält und die Oppoſition Zwecke
Verfolgt und Mittel in Bewegung febt, die

ihrer Natur nach gleich unſitilich und ver-
werflich ſind. Wir, gehen der Volkshalle
voin 30. Mai) natürlich auch das zu, „daß
ſelbſt ein prieſterliches Anfehen, wel-
ches, ſtatt auf dem Felſen der Wahrheit zu
ruhen, von den Leidenſchaften und Irrihuͤl
mern des Tages getragen wird, zuletzt mit
dieſen Irrthümern und Leidenſchaften waͤn⸗
ken und zufammenſtürzen muß.“ Das Bei-
ſpiel eines ſolchen prieſterlichen Anſehens,
das nicht mehr auf göttlichen Grunde, fon-
dern auf Leidenſchaften und Irrthümern des
Tages ruhte, bietet 3. Srdie Hieraͤrchie in
ihrer Entartung unter Näpſten wie Alexan-
der VL, Innocenz VL -20., und die Ver-
“dorbenheit, welde einen gießen Theil des
Elerus alier Laͤnder ergriffen hatte,. der
beße Beweis, daß die Freiheit der Kirche
allein ſie nicht zur Erfuͤllung ihres goͤttlichen



von jeher frei war, war die Verweltlichung
und Entſittlichung gerade der höchſten Träger
der geiſtlichen Aulorität am größten. Es
war daher ſehr erklärlich und naͤch der Volks-
halle wohl auch gerechtfertigt, wenn eine ſo
geartete menſchliche Autorität, ein ſo von den
Leidenſchaften der Sinnlichkeit und Herrſch-
ſucht profanirtes prieſterliches Anſehen, anr


form der Kirchean Hauptund Glie-
dern alle Kreiſe der Chriſtenheit, außer die
von der Verderbniß ſelbſt ergriffenen, mächtig
durchdrang.
Was iff die Reformation anders, als
eine ſo berechtigte Reaction der geſunden
Kraft gegen die Kraͤnkheit? In welchen
Abgrund der Entſittlichung war bereits die
Kirche in ihrer höchſten Autorität unter
Alexander VI. verſunken, als deſſen Zeitz


diefer Angriff war der Grund, daß die Lirche
fich. wieder zu reinigen ſuchte, daß der
Kaifer mit Macht auf ein Coneil drang,
welches die Reform in die Hand nehmen
follte, Ihre Geſchichte iſt bekannt; die Re-
form blieb auf halbem Wege ſtehen; paͤpſt-
liche Liſt vereitelte den weſentlichſten Theil
der Reform und daher wurde die Spal-
tung in der Kirche, ſtatt beſeitigt zu wer-
den! befeſtigt. Der jammervolle Zuſtand


wo die Kirche frei if,. dentet abermals auf
die Nothwendigkeit einer Reform innerhalb
der katholiſchen Kirche, Den Ruf nach fol-
cher erheben die geiſtig hervorragendſten,
die ſiitlich hochſtehenoͤſten Männer, allein die
Autorität legt ihnen Stillſchweigen auf
und ſtatt Reformen zu foͤrdern, die den
Weg zu confeſſtoneller Einigung bahnen
müßten, weift man ſie ſchroff von der Hand,
und bemübt ſich, ſtait die Kirche innerlich
zu reinigen, daß ſie aus ſich ſelbſt
erflarfe, ſie außerlich zu crweitern
und ſchwelgt in dem phantaſtiſchſten aller
Traͤume, auf diefem Wege die Einheit
der Kirche herzuftelen! .

Möge der proieftantiſchen Lirche die An-
fechtung, die ſie zu erdulden hat, gleichfalls
zur Siärkung und Läuterung dienen; unbe-


welch geiſtiger Segen die Neformation auch
für ihre Rirhe waͤr. Ja, ſie iſt geiſtig er-
ſtarlt! aber noch hat der Proteſtantidmus
ſo viel eigene Lebenskraft, daß er nicht nö-
ihig hat, ſich ſelbſt aufzugeben; hat er auch
einen Theii feiner Etrungenſchaften an die
Schweſtẽrkirche abgegeben, ſo iſt er doch noch
reich genug, um mit dem, was er fuͤr ſich
behaͤlien, den neuen Kampf zu beſtehen, den
er um ſo beſſer beſtehen wird, als er ſteht
auf dem Grunde des göttliden Worts, aus
dem er fuͤr und für die Fülle der Kraft
] Zu dieſem ſeinem Ur-
ſprung wird er ſtets zurüdfehren, denn er
allein iſt ewig und unveränderlich,
Schließlich müſſen wir in Betreff der
Herenproceffe bemerken, daß der treffliche.
Spee aͤllerdings durch ſeine Cautio crimi-


ſtellung jener Greuel erworben hat, daß er

aber aus Furcht vor ſeiner geiſt-
kichen Autorität die Schrift anonym


durch eine Bulle des Papſtes Inno-
cenz VII. vom Jahre 1484 zuerſt ihre ge-


Gerichte ſondern die Kirche die Quelle
dieſer Barbarei iſt, daß leider auch der
Proteſtantismus ſich damit befleckte, daß er
aber. auch ſeinen Thomaftus hat, der
um die Befeitigung der Hexenproceſſe die
größten Verdienſte ſich erworben hatı .
Der Jeſuit Spee hat daher nicht blos das
Anſehen der Gerichte angegriffen, ſondern
er hat eine Barbarei bekäͤnipft, die unter
den Auſpicien der Kirche in Deutſchland
eingeführt worden war, und um deren Be-
ſeitigung nicht die Kirche ſondern der Staat
das größte Verdienſt hat.“ —

* Deutſchlaud.

Heidelberg, 5. Juni. Heute Mittag
gegen 1 Ubr, langten Ihre Königl. Hohei-
en der Kronprinz von Wurteniberg und
deſſen Hemahlin, die Großfuͤrſtin Olaa auf
dem reichbeflaggten und bekraͤnzten Keckar-
dampfboot , Stadt Heidelberg“ hier am
Landungsplatz an, ſetzten aber, nach einem
ganz kurzen Aufenthalt, waͤhrend welchem
Höchſtdiefelben von einem höhern Beamten
begrüßt wurden, Ihre Reiſe zu Waſſer nach
Mannheim fort, um ſich von da zum Beſuche
der Kaiſerin von Rußland nach Schlangen-
bad zu begeben. Der Landungsplatz war
gleichfalls mit badiſchen Fahnen reich ver-
ziert und mit einer großen Menge Zufchauer

x


zeitig bekannt geworden war,
Karlsruhe, 4. Juni. Der Stand
Reben iſt in unſerer Ümgegend ein ſehr gün-
ſtiger. In dem prachivollen und mufter-
haft behandelten Weinberg Sr. großh. Ho-
heit des Hertn Markgrafen Wilhelm zu
Durlach finden ſich ſchon ſeit dem 3, Mai


ben abgeblüht, die Riestinge ſind mit ih-
ren vielen kräftigen Scheinen am Aufbre-
chen und werden in den nächſten Tagen in
die Blüthe treten. Wenn die Güte des
Weines, wie das Herr v. Babo nachge-
wieſen hat genau nach der Zahl der Wärz



Blüthe und Ernte ſtattfindet, ſo berechtigt
eine frühe Blüthe, was jeder Rebmann
weiß, zur Hoffnung auf einen guten Wein.


man als Blüthezeit an; diefes Jahr dürfte
ſie vor Johannis vollſtändig voͤruͤber ſein,
denn auch vom Kaiſerſtuhl wurde uns be-
fannt, daß ſchon vor 14 Tagen blühende
Scheine geſehen wurden. Bei der Hoͤff-
nung auf einen guten Wein laſſen wir
aber auch die auf einen ziemlich ergiebigen
Hexbſt nicht ſinken, Niemaͤnd iſt ja mehr er-
füllt bald von Hoffnung, bald von Ver-
zweiflung, alg wir Weinbauern, — denn
einmal hahen manche, beſonders die jungen
Reben, viele Scheine, dann ſind diefe fehr


den bei einer warmen und langen Reifes
zeit die Trauben ſich voͤllſtändis ausbilden
 
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