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nach Eröffnung des Berliner Congreſſes


nahme der definitiven Verhandlung mit den-
jenigen Staaten, die ſich mit Preußen auf
derſelben Baſis befanden und dem Pro-
gramm zuſtimmten, waͤches ausſchliehlich
den Gegenſtand der Berliner Conferenz
bildet. Ich nehme nur Ihr Billigkeits fyſtem
in Anſpruch, wenn ich Sie bitte, mich in
der Allg. Ztg. den Standpunkt Preußens
unbefangen darlegen zu laſſen, Ddamit eine
allſeitige Vergleichung der Urtheile möglich
ſei. Nachdem Preußen volle fünf Monate
auf den Beitriit des Darmſtädter Vereins
zu dieſer Baſis geharrt, alle gewünſchten
Aufklärungen und Zuſagen in Bezug auf
den dieſem Longreß unmittelbar nicht. zum
Vorwurf geſetzten Handelsvertrag mit Se-
ſlerreich gegeben, und ſeine Zolivereinsge-
Loſſen, während dieſer Zeit ihre Plane im
Verein mit Oeſterreich ruhig hatie verfol-
gen laſſen, that es, durch die eigenen In-
iereſſen wie durch die ſeiner Verbuͤndeten
gebieteriſch erinnert, den jetzt ihm unab-
weislich ſcheinenden Schritt. Da er im Lande
ſehnſüchtig erharrt worden, ſo wird er auch,
daran iſt kein Zweifel, mit allgemeiner Zuͤ—
ſtimmung begrüßt werden. Seine Bedeu-
tung iſt wohl zunächſt, lediglich die, daß
die Verhandlung mit den Staaten des
Darmſtaͤdter Vereins nunmehr außerhalb
der hieſigen Conferenz geführt werden wird,
daß aber von diefer, bis- zum Beitritt zu
ihrem Programm, die Bevoͤllmächtigten je-
ner Staaten ſelbſiverſtändlich fern bleiben,
Ein gänzlicher Abbruch der Verhandlungen
mit ihnen kann in keiner Weife eintrelen,
da ſelbſt, vorausgeſetzt, daß ſie auch ſpäter
den ihnen offen gehaitenen Zutritt zu dem
neuen Zollverein nicht benüßen, doch wegen
des Verhaͤltniſſes des letzteren zu dem von
ihnenaliein oder mit Orſterreich zu bilden-
den Zollkörper Verhandlungen nothwendig
werden gepflogen werden müſſen. Wie der
naͤchſte Verkehr mit den Staaten des Darm-
ſtädter Vereins von Seiten Preußens ſtatt-
finden, und ob er nicht durch die preußiſchen
Geſandtſchaften an jenen Höfen vermittelt
werden wird, darüber läßt ſich wohl faum
etwas beſtimmtes fagen. Der natürliche
Weg ſcheint letzteres zu ſein, und es dürfte
auch die Mittheilung über den Beginn der
Abſchlußverhandlungen in Berlin auf ge-
ſandtſchaftlichem Weg an die Höfe erfolgt
ſein. Wenigſtens hört man nichis von einer
Eröffnung, die darüber den hieſigen Bevoll-
mächtigten des Darmſtädter Vereins gemacht
worden waͤre. Wenn nunmehr die Sachen
auch eine dem Anſchein nach unerwünſchte
Wendung für die innern Verkehrsverhält-
niſſe in Deutſchland zu nehmen beginnen,
ſo muß dies für den Paͤtrioten nur eine
Aufforderung ſein durch eine unbefangene
materielle Erwägung auch die neuen an-
ſcheinend ſehr ungünftigen Geſtaltungen ohne
Erbitterung ins Leben rufen zu helfen. Soll
eine neue Zollinie den Norden vom Süden
trennen, ſo werden die beiden Theile be-
mübt ſein müffen, ſie ſo wenig als möglich
ſchroff und feindlich zu ziehen, Sie wird
nicht für, die Ewigkeit und nur zwiſchen
einem Brudervolk abgeſteckt! Auch iſt es
eine wiederkehrende Erfahrung, daß Gegen-
ſäßze, wenn ſie ihre Grenzen gefunden, ſſich
minder heftig äußern. Möchie es fo auch
Lit dex Behandiung dieſer Fragen in der
Preſſe fein
Verlin, 20. Sept. Die Cholera nimmt
iu oſen erheblid ab. Sie hat vorzüglich
unter den gebildeten Ständen zahlreiche
Opfer gefordert. Es wird nod einige Zeit
dauern bis die Störungen, welch? darch
ihr verheerendes Auftreten in den verfchie


denſten Kreiſen erzeugt ſind, beſeitigt ſein

Berlin, 21. Sept. (Köln, Ztg.) Ich
kann Ihnen mit Beſtimmtheit melden, daß
bereits die Bevollmächtigten für Braun-
ſchweig, Oldenburg und Thuͤringen im Be-
ſitz von Inſtructionen ſind, welche ſich ei-
nem ſofortigen Verhandeln ohne die Coa-
litionsſtaaten zur Reconſtituirung des Zoll-
vereins zuſtimmig erklären. Bon Seiten
der hannover'ſchen Regierung iſt noch keine
Aeußzerung in Betreff der letzten Anfrage
an den dieſſeitigen Bevollmaͤchtigten Dr.
Klentze gelangt, doch wird dieſelbe in eini-
gen Tagen erwartet; ſie iſt in dieſem Falle
von gaͤnz beſonderer Wichtigkeit, da von
ihm die Möglichkeit der Verhandiung ohne
die Coalition abhängt.

Köln, 16. Sept. (X. 3.) Nachdem un-
ter den hieſigen Bürgern ſchon eine Pe-
tition um Aufhepung der Verfügung gegen
die Jeſuiten in Umlauf gefeßt in, werden
morgen auch die Geiftlichen Kölns ſich mit
der Frage beſchäftigen, ob nicht auch der
Klerus des hieſigen Dekanats eine Vetition
an den König richten folle, wie dies auss
waͤrts ſchon an verſchiedenen Orten geſchehen.

Wien, 19, Sept. Aller Wahrfcheinlich:
keit nach iſt die Kloſterfrage mit der Er-
lennung der beiden Herren Erzbiſchoͤfe von
Prag und Gran zu apoſtoliſchen Biſitato-
ren noch nicht vollſtändig beigelegt, da es
ſich nicht nur um die Voͤrnahme der zweck-
dienlichen Reform in den Statuten Linzel-
ner Orden, ſondern auch um die Wieder-
errichtung mehrerer Klöſter handelt. So
wenigſtens behauptet die „Fr. Pztg. ” und
ſetzt hinzu: Der römiſche Sluhl hatte näm:
lich ſchon zur Zeit des Fuͤrſten v. Schwar-
genberg duͤrch den römiſchen Hauspräla-
ten, Cifterzienfer = Abt Monſtgnor Amatori,
Reelamationen gegen. mande der in Dder
Joſephiniſchen Periode erfolgten Kloſterauf-
hebungen ergehen laſſen, oͤhne datz aber
dadurch ein gunſtiges Reſultat erzielt worden
wäre, obſchon der verſtorbene Fürſt⸗Mini-
ſterpräſident verſprochen hatie, die von Rom
aus eröffneten Wünſche zu berückſichtigen.
Die ganze Angelegenheit wurde dem Cul-
tusminiſterium übermittelt und eg entſtand
nun eine weitläufige Correipondenz, welche
die Reformfrage und die Errichtung meh-
rerer aufgehobenen Kloͤſter betraf. Die Lo-
ſung der erſteren iſi bekanntlich, vor lurzem
im Sinne des päpſtlichen Stuhles erfolgt,
mit Rückſicht auf den zweiten Punkt aber
dürfte mit Grund anzunehmen fein, daß
die diesfallige Joſephiniſche Verordnung
keinerlei Modificationen erfahren, wexde, da
mehrere Gruͤnde, deren Gewicht im Cultus-
miniſterium nichi unterſchaͤtzt worden iſt, da-
gegen ſprechen.

Frankreich ·

aris, 21. Sept. Die geſtern erwähnter
4 Napolebn bei der Enthüllungs-
feier der Kaiſerſtatue in Lyon gehaliene
Rede lautet: „Cyoner!, Eure Stadt hat
ſtets durch merkwürdige gnſtän an den
verſchiedenen Abſchnitten des Eebenẽ des
Kaiſers Antheil genommen, Ihr habt ihn
alg Confnl begrüßt, als er Jenfeit® der
Berge neue Lorbeeren zu pfluͤcken auszog;
Ihr habt ihn als allniächtigen Kaiſer he-
grüßt; und als Europa ibn auf eine Zuͤfet
derwieſen haͤtte, haͤbt Ihr ihn nochmals mit
unter den Erſten im Jahr 1815 als Kaifer
begrüßt. So ift auch hente Eure Stadt
die erfte, die ihm eine Bildfäule errichtet.
Dieſe Begebenheit hat eine Zedeutung. Man
errichtet Reiterſtatuen nur Sonveranen die
geherrſcht haben; auch haben die Regierun-
gen, die mit vorhergegangen find, dieſe
Huldigung einer Gewalt, deren Legitimität



ſie nicht zugeben wollten, ſtets verweigert.
Und dennoch — wer war legitimer als der
Kaifer, der dreimal vom Boͤlte Erwählte,
vom Oberhaupt der Religion Geſaͤlbie, der
on allen Continentalmächten Europals, die
ſich fowohl durch politifche als durdh Bande
des Dlutes mit ihm vereinten, Anerkannte ? -
Der Kaifer war der Mittler zwifhen zwei
feindliden SJahrhunderten; er tödtete das
alte Negime, ales Oute, was dies Regime
hatte, wieder berſtellend; er toͤdtele den
RevolutionSgeift, den Wohlthaten der Re-
volution überall den Sieg verſchaffend; da-
rum, haben Diejenigen, die ihn ftürzten, (h=
ren Triumph bald zu beflagen gehabt; was
Die betrifft, die ihn vertheidigten, fo brauche
ich nicht daran zu erinnern,. wie ſehr ſie
ſeinen Sal heweinten. Auch hat das Bolk,
fobald es ſich in ſeiner Wahl frei fah, feine
Augen auf den Erben Napolcon's geworz
fen, und aus demſelben Grunde bhat ſich
von Paris bis Lyon auf allen Punkten
meines Weges der einſtimmige Ruf: „Es
lebe der Kaiſex!“ erhoben. Aber dieſer Ruf
iſt in meinen Augen weit mehr eine Erin-
nerung, die mein Herz rührt, als eine
Hoffnung, die meinem Ehrgeiz ſchmeichelt.
Ein treuer Diener des Landes werde ich
immer nur den Einen Zweck haben, in dies
ſem von ſo vielen Erſchütterungen und
Utepien durchwühlten großen Lande einen
auf Berföhnlichteit gegen die Perfonen und
auf Unbeugfamfeit in den Grundfägen der
Autorität, der Sittlichkeit, der Liebe gegen
die arbeitenden und nothleidenden Klaſſen
und der nationalen Würde gegründeten Frie-
den wiederherzuſtellen. ir treten kaum
aus jenen Momenten einer Kriſe heraus,
wo bei der Umkehrung der Begriffe von
Gut und Böſe die beſten Gemüther ſich
verderbt haben! Klugheit und Paͤtriotis?
mus Verlangen, daß in ſolchen Augenblicken
die Nation ſich erſt ſammle, ehe fie ihre
Heſchicke feſt beſtimmt; und es ift auch noch
für mich ſchwer, zu wiſſen, unter weldem
Namen ich die groͤßten Dienfte leiken fann.
Venn der beſcheidene Titel „Präfident“ die
Sendung erleichtern koͤnnte, die mir anver!
traut war und vor der ich nicht zurückge-
wichen bin, ſo bin ich es nicht, der aus per-
fönlidem Intereſſe dieſen Titel mit dem
Laiſertitel zu vertauſchen wuͤnſchen würde,
Legen wir alſo auf dieſem Stein unſere
Huldigung gegen einen großen Mann nie-
derz wir ehren damit zugleich Frankreichs
Ruhm und die hochherzige Daͤnkbarkeit des
Voltes; wir legen damit au die Treue
der Lyöner gegen unfterbliche Exinnerungen
dar.“ — Dieſẽ Rede wurde wie ſchon er-
wähnt, mit enthuſiaſtiſchem Beifall und mit
dem tauſendfach wiederholten Hochruf auf
den Kaiſer aufgenommen. Das Piede-
ſtal der Lyoner Statue des Kaifers iſt in
folgender Weiſe ausgeſtattet: Die vordere
Seite trägt den kaiſerlichen Adler und die
bekannten Worte: „Lyoner, ich liebe Luch!“
Auf der Rückſeite ſind die beiden Genien
von Lyon, der Handel und die Indußrie,


vor. Der Norden durch Fichten, Fkruͤſſiſche
und preußiſche Waffen, ſo wie durch die
dort von Napoleon gewonnenen Schlachten.
Der Süden mit der Brücke von Arcole
und dem Uebergang über den großen St.
Bernhard erinnert an Italien und Oeſter-
reich. Pyramiden, Palmen und die Revolte
von Cairo ſtellen den Orient dar, und eng-
liſche Trophäen ſollen den Weſten und die
dort exfochtenen Siege ins Gedächtniß zu-
rückrufen.

Paris, 22. Sept. Die Depeſchen und
ſonſtigen Berichte des Moniieur“ uͤber
die Reiſe des Praͤſidenten gehen bis geſtern
Nachmittag 214 Uhr und melden feinen
 
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