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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Editor]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 5.1895

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Heft 1
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Neumann, Carl: Über Kunst in Italien im zwölften Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.29062#0013
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Über Kunst in Italien im zwölften Jahrhundert

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ein Stück Staatsraison. Man wird dabei an die Antwort erinnert, die
der Kalif Walid gab, als man ihm vorstellte, seine Unterthanen würden
es lieber sehen, wenn er ihnen Landstrassen und Wasserleitungen baue,
statt dieses unermessliche Geld für den Bau der Moschee in Damaskus
auszugeben: der Islam, gab der Kalif zur Antwort, werde nicht eher
zu Ansehen kommen, als bis er einen Bau geschaffen habe, dessen Glanz
Jerusalem und Antiochien überstrahle.

Aus kirchlich-politischen Interessen allein wird man auch die That-
sache erklären müssen, dass von Bauten aus den Jahrhunderten der
Sarazenenherrschaft in Sizilien nichts übrig geblieben ist. Diese That-
sache hat, zumal wenn man an Spanien denkt, etwras rätselhaftes. Man
kann nur annehmen, dass die normannischen Herrscher die monumentalen
Andenken ihrer Vorgänger haben zerstören lassen.1)

Was nicht zerstört und zugedeckt werden konnte, war der altüber-
lieferte Charakter sizilischer Kultur. Die Normannen waren nur eine
dünne, neue Schicht über einer Menge alter und stärkerer Kultur schichten,
wie sie die wechselvollen Geschicke der Insel auf ihrem Boden abgelagert
hatten.

Im Hof des Museums von Palermo sieht man eine Inschrift, die
aus einer Kirche stammt und worin ein normannischer Notar verkündet,
er habe zum Gedächtnis seiner Eltern eine Kapelle errichten lassen.
Das Datum dieser Inschrift von der Mitte des zwölften Jahrhunderts
ist auf viererlei Art gegeben: nach Jahren Christi, nach der byzantini-
schen Weltära, nach der rabbinischen Weltära, schliesslich nach der
Hedschra. Die Inschrift selbst wird in drei Sprachen wiederholt: la-
teinisch, griechisch, arabisch und die arabische Fassung ein viertesmal
mit hebräischen Buchstaben.2)

Diese Inschrift giebt eine Vorstellung, wie damals die städtische
Bevölkerung nebeneinandergeschichtet war. Nicht anders als wie man
heute in den orientalischen Städten den Franken- und Arabervierteln,
den Juden- und Griechenvierteln begegnet. Am Ende des zwölften Jahr-
hunderts wird Palermo eine dreisprachige Stadt, populo dotata trilingui,
genannt (bei Peter von Ebulo).

1) Von der Kirche S. Giovanni degli Eremiti in Palermo haben die Unter-
suchungen des Fundaments gelehrt, dass sie am Platz einer alten Moschee sich
erhebt.

2) Abgedruckt bei Amari, le epigrafi arabiche di Sicilia I 80 ff. Der Stifter
der Kapelle nennt sich clericus grecus et latinus, was natürlich nicht bedeuten kann,
dass er beiden Kirchen angehört habe. Schon Morso, descr. di Palermo antico 2 p. 133
hat die richtige Erklärung, er habe eine Notariatskanzlei für beide Sprachen gehabt.
 
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