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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 5.1895

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Heft 1
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Neumann, Carl: Über Kunst in Italien im zwölften Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.29062#0018
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Carl Neumann

erkennt man sofort die neugearbeiteten Kapitelle an dem spitzeren,
schärferen Meisseischlag, der mit der alten, breiteren, an Architektur-
gliedern besser wirkenden Behandlung kontrastiert. Aber an sich ist
die neue Technik nicht zu tadeln. Wenn man fragt, aus welcher Schule
diese Technik stammt, so braucht man die Antwort nicht weit zu suchen.

In S. Lorenzo selbst steht über dem Altar ein Tabernakel mit vier
Porphyrsäulen, Basen und Kapitellen von weissem Marmor; das krönende
Dach von heute ist eine neue „stilgemässe“ Restauration; alt aber ist
die Inschrift an der Innenseite des Epistyls, die vier Künstlernamen
enthält und das Datum 1148. Schon das Vorkommen einer Künstler-
inschrift, was im Mittelalter selten ist, beweist das Selbstgefühl derer,
die an diesem Werk gearbeitet haben. Diese Inschrift aber ist in Rom
nicht vereinzelt. Hier wie im weiteren Umkreis der Stadt hat man
mehrere Familien ermittelt, die durch Generationen sich verfolgen lassen,
und im zwölften und dreizehnten Jahrhundert eine gewisse Spezialität
dekorativer Steinskulptur schulmässig gepflegt haben. Nach dem Namen
Kosmas, der in einer dieser Familien (wie es scheint, in zwei aufeinander-
folgenden Generationen) vorkommt, ist missbräuchlich die ganze Schule,
die sich von Anfang des zwölften bis zum Anfang des vierzehnten Jahr-
hunderts verfolgen lässt, Schule der Kosmaten genannt worden.

Das Lob, das sich zwei von ihnen in einer Inschrift am Haupt-
portal des Domes von Civita Castellana (am Fuss des Soracte) selbst
erteilen, „magistri doctissimi Romani“ kann man wohl gelten lassen.
In so vielen römischen Kirchen bezeugen die Fussböden aus buntem
Steinmosaik, die jedenfalls aus den Werkstätten dieser Kunsthandwerker
hervorgegangen sind, ihre grosse Erfahrung und Geschicklichkeit. Diese
Fussböden, in Felder eingeteilt, zeigen mannigfache geometrische Muster,
etwa eine kreisrunde Porphyrscheibe in der Mitte, ringsum weiss ge-
zähnt, dann ein Band mit übereck gestellten grünen Quadraten, alle
diese Kreislinien in ein Viereck gerahmt und die Flächen mannigfach
gefüllt im Wechsel der drei Steinfarben grün, weiss, dunkelrot. Wer je
Porphyr hat schneiden sehen und sich überzeugt hat, mit welcher äusser-
sten Langsamkeit die Maschinen des neunzehnten Jahrhunderts diesen
Stein zerteilen, wird von den Arbeitern jener Jahrhunderte nicht gering
denken: sie konnten die Porphyrscheiben wohl nur so gewinnen, dass
sie durch alte Säulen Querschnitte legten. Der saubere Schnitt der
winzigen Dreiecke, Vierecke, Sechsecke, ihre mühsame und genaue Fügung
setzen eine Festigkeit handwerklicher Überlieferung voraus, wie sie nur
durch die ununterbrochen gleiche Thätigkeit vieler Generationen erworben
 
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