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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Editor]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 5.1895

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Heft 1
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Neumann, Carl: Über Kunst in Italien im zwölften Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.29062#0019
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Über Kunst in Italien im zwölften Jahrhundert

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und erhalten werden kann. Für diese Leute waren indessen die Buinen
Borns nicht ein blosses Materiallager, das sie für die soeben bezeichneten
Zwecke ausbeuteten : sie machten wohl auch die Augen auf für die Form
der alten Bauten und Baustücke. Es bedarf nicht vieler Phantasie, um
sich auszumalen, wie es in ihren Werkstätten aussah; neben Haufen
antiken Bohmaterials muss man sich ein kleines Museum von alten
Dekorationsstücken und Skulpturen denken. Wenn man an Bauwerken,
an denen jene Schule mitgearbeitet hat, wiederholt das aulfällige Vor-
kommen von Sphinxen bemerkt hat (im Kreuzgang des Lateran, in Ci-
vita Castellana, am Portal von S. Antonio in Born), so wird man nicht
gleich ägyptischen „Einfluss“ vermuten. Eher und wahrscheinlich, dass
eine der vielen ägyptischen Spolien, die das alte Bom aufgestellt, und für
die zumal die hadrianische Zeit so lebhaft Geschmack gewonnen hatte,
Interesse und Wohlgefallen auch bei diesen Spätlingen römischer Kunst-
fertigkeit erregte.

Die kunstgewerblichen Arbeiten, die Steinmosaikfussböden, die Altäre,
Chorschranken, Chorsitze, Kanzeln mit reicher Marmorausstattung von
Flächen in buntem Muster, von gedrehten, mit Glasmosaik intarsierten
Säulen* sind nur die eine Seite dieser Thätigkeit. Wenn sie die auf-
fälligere ist durch die reichlichen Beste, die bis heute geblieben sind,1)
so sind doch künstlerisch bedeutendere Anläufe dieser Schule erhal-
ten in einer Beihe von Portalbauten, Kirchenvorhallen,, Kreuzgängen.
Namen von Architekten, die in einzelnen Fällen überliefert sind, stehen
doch nicht im Wege, diese Bauannexe dem Gesamtcharakter nach den
gleichen Kreisen jener Schulthätigkeit zuzuschreiben. Sie zeichnen sich
durch die gleiche Sorgfalt der technischen Ausführung aus. Diese Kreuz-
gänge mit der gleichmässigen, liebevollen Behandlung vom Sims des
Sockels an bis hinauf zum Fries über den bogenverbundenen Säulen-
paaren, die zarten Profile der Bögen, das Friesband von buntem Glas-
mosaik mit der Vfiederkehr der nämlichen Muster, die die Fussböden
der Kirchen zeigen, das oberste, gleichfalls mosaizierte Gesims, von nied-
lichen Konsolen getragen, die Löwenköpfe — diese ganze regelmässige
Anordnung in der Mitte und an den Ecken der Hofseiten durch einen
Pfeiler und leichtes Bisalit unterbrochen: wenn gar ein blauer Himmel
hereinscheint, so kann diese so sauber und fast kalligraphisch gearbeitete
Niedlichkeit ihren Eindruck nicht verfehlen. Es ist aber zu hoch ge-
griffen, wenn man bedauert, dass die Gothik „diese Blüten erstickt habe.

1) Diese Technik ist kürzlich aufgefrischt worden — was wird nicht nach-
geahmt im neunzehnten Jahrhundert! — im neuen Chor der Lateransbasilika.
 
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