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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 5.1895

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Heft 1
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Schröder, Richard: Eine Selbstbiographie von Fritz Reuter
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https://doi.org/10.11588/diglit.29062#0030
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Richard Schröder

war einer der Ersten, mit denen die grosse Demagogen-Hatz begann.
Ein volles Jahr dauerte die Untersuchung auf der Hausvogtei unter der
Leitung des bekannten Criminal-Directors Dammbach. Trotz aller De-
klamationen der meckelnburgschen Regierung wurde er auf preussische
Festungen gesetzt, zum Tode verurtheilt, kraft oberstricbterlicher Gewalt
des Königs mit dreissigjähriger Festungsstrafe beschenkt und bis zum
Sommer 1838 auf verschiedenen preussischen Festungen detinirtx). Dann
wurde er auf specielle persönliche Verwendung des Grossherzogs von
Mecklenburg, Paul Friedrich, auf die vaterländische Festung Dömitz
ausgeliefert, jedoch mit der bestimmten Bedingung, dass die endliche
Begnadigung nur von Preussen ausgehen sollte. Dies geschah denn nun
1840 im Herbst bei der Amnestie, die nach dem Tode Friedrich Wil-
helms III, eintrat. Von der Jurisprudenz hatte er während der Haft
auf immer Abschied genommen. Zeichnen (viel Portraitiren), Viathe-
matik und deutsche Literatur halfen ihm diese böse Zeit ertragen; in
den letzten Jahren auch vorzüglich das Studium der in die Landwirt-
schaft einschlagenden Wissenschaften, da er entschlossen war, nach der
Freilassung dies Gewerbe zu ergreifen1 2). Dies geschah denn auch und
ist er bis zum Jahre 1850 praktischer Oekonom geblieben. — Der 1845
erfolgte Tod des Vaters und die dadurch klar gewordenen pekuniären
Verhältnisse zeigten ihm die Unmöglichkeit, jemals auf diesem Wege
eine selbstständige Stellung zu erringen, und dies war sein sehnlichster
Wunsch; die Liebe zu seiner jetzigen Frau trieb ihn dazu. Er ent-
schloss sich kurz: auf den Rath und durch die Vermittelung lieber
Freunde ward er, nachdem er Preusse geworden, Privatlehrer in der
kleinen preussischen Stadt Treptow3). Hier gab er im Jahre 1853 den
ersten Band von „Lauschen un Riemeis“ heraus, der seine Entstehung
dem heitern geselligen Verkehre im Hause seines Freundes Peters zu

1) Als Fritz Reuter, auf der Höhe seines Ruhmes stehend, einmal von Eisenach
aus einige Wochen in der Wasserheilanstalt Laubbach bei Koblenz zubrachte, be-
suchte ich ihn von Bonn aus mit Böcking und Simrock. Mit grosser Heiterkeit
zeigte er uns zwei Visitenkarten, die eben bei ihm abgegeben waren. Sie rührten
von zwei Generälen her, von denen der eine Gouverneur und der andere Komman-
dant von Koblenz war. „Früher“, bemerkte er, „musste ich immer den Festungs-
kommandanten meinen ersten Besuch machen, und jetzt kommen sie zu mir.“

2) Reuter übergeht hier, dass er nach seiner Begnadigung zwei Semester (von
November 1840 bis Ende des Sommersemesters 1841) in Heidelberg studiert hat.
Er wohnte hier bei dem Kärcher Jakob Schmitt, Froschaue D. 278, heute Obere
Neckarstrasse 5. Er scheint hier vorzugsweise Chemie getrieben zu haben. Seiner
chemischen Apparate entsinne ich mich noch deutlich.

3) Treptow an der Tollense.
 
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