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Anna Wendland

England“, die vom Gemahl glühend Geliebte, „eine Königin der Herzen“,
schwärmerisch verehrt durch den braunschweigischen Yetter, der Freund-
schaft kluger Männer gewürdigt, verwandtschaftlicher Neigung wert, der
Treue langjähriger Diener gewiss, sie hat sich doch Yerkleinerung am
eigenen Selbst gefallen lassen müssen. Nicht nur die nach dem Augen-
schein urteilende Menge, nicht die Feinde ihres Hauses allein wagten
eine scharfe Kritik. Aus dem Kreise ihr Nahestehender erhob sich un-
günstige Beurteilung und mehrte den Widerspruch. „Nicht leicht hört
man sie von Gott reden, sie liebt die Grösse und den Vorzug des Kanges“ J)
bemerkte Christoph von Dohna und die Memoiren ihrer jüngsten Tochter
Sophie, der späteren Kurfürstin von Hannover, schlagen einen noch
schärferen Ton an. Das Bild der liebenden Mutter tritt ganz hinter
dem der Königin und der müssigen, grossen Dame zurück: „Sa Majeste
fit elever tous ses enfans eloigne'es d’elle, car la veue de ses guenons
et de ses chiens luy estoit plus agreable que la nostre.“ 1 2) Und in der
Korrespondenz mit ihrem Bruder, dem Kurfiirsten Karl Ludwig von der
Pfalz äussert sich die Herzogin Sophie ähnlich ungünstig. 3) Bei einer
Vergleichung des Bruders mit dem königlichen Vater, in betreff des
zärtlichen Verhältnisses beider zu ihren Kindern, wagt Sophie sogar die
Mutter der Gefühllosigkeit (l’insensibilite) zu zeihen, einer Eigenschaft,
die, wie sie hinzufügt, einem wohl viel Kuhe eintrüge, die sich aber
nicht mit dem am Vater gerühmten warmherzigen Wesen vereine.

Blickt man auf die Porträts, die die äussere Erscheinung der
Königin Elisabeth festhalten, so ergeht es ähnlich wie bei der Beurteilung
ihres inneren Menschen. Verschiedenartigkeit auch hier. Doeh minder
gross ist der Gegensatz: die Übereinstimmung überwiegt bei Weitem
den Widerspruch. Fehlt den Jugendbildnissen nicht der idealisierende
Zug, so auf Willem van Honthorsts liebreizendem Porträt der jungen
Kurfürstin, 4) selbst da, wo in voller königlicher Pracht, von imponieren-

1) S. Moriz Ritter: Deutsclie Geschickte im Zeitalter der Gegenreformation und
des dreissigjäkrigen Ivrieges. Bd. II. S. 445.

2) S. Adolf Köcker: Memoiren der Herzogin Sopkie nachmals Kurfürstin von
Hannover. Publikationen aus den K. Preussiscken Staatsarchiven. Bd. IY. S. 34.

3) S. E. Bodemann: Briefwechsel der Herzogin Sophie von Hannover mit ihrem
Bruder, dem Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz. Publikationen aus den Kgl.
Preussischen Stäatsarchiven. Bd. XXYI. S. 394.

4) Es ist das seit kurzem in trefflicker Vervielfältigung in den Ilandel ge-
brachte Bild der Königin von Böhmen, das sich im Provinzialmuseum zu Hannover
beflndet. Siehe: Bruckmanns Pigmentdrueke der Gemälde des Provinzialmuseums
und des Kestnermuseums in Hannover. Müncken 1903. S, 6. Nr. 207 a.
 
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