37
gegen Füßli gesprochen sein, doch auch gegen C. D. Friedrich.
Schlegel hat nun aber weder ausdrücklich gefordert, daß alle Ge-
genstände der christlichen Mythe wieder darstellungswürdig wer-
den sollen, noch hat er die Grenze bezeichnet, die ihm bei der
Restauration vorschwebte. Dennoch kann erschlossen werden, wo
die Grenze notwendig liegen muß.
„Die echte Quelle der Kunst und des Schönen liegt im Ge-
fühl. Mit dem Gefühl ergibt sich der richtige Begriff und Zweck
der Kunst von selbst und das bestimmte Wissen dessen, was man
will, wenngleich der Künstler es nicht in Worten, sondern nur
praktisch bewähren kann“ (166). Das religiöse Gefühl, Andacht
und Liebe haben den alten Malern die Hand geführt, die Tiefe des
Gefühls, die Wahrheit der Andacht, das Lebendige im Glauben,
jene Liebe, welche stärker ist als der Tod, vor der bloßen Spielerei
der Phantasie mit den katholischen Sinnbildern bewahrt (167).
Letzten Ende ist dies das Goethesche: Was der Künstler nicht
liebt, kann er nicht, soll er nicht darstellen. Doch es wird von
Schlegel in eine bestimmt religiöse Sphäre gezogen und durch
sie den Sachen nach beschränkt. Denn indem das Gefühl, also
etwas für sich Freies, zwar als das Primäre ausgegeben wird, die
Sache selbst aber, deren das Gefühl sich bemächtigen soll, nicht
frei, sondern nach Bedeutung und Gehalt in abgelebten Zeiten
festgelegt ist, kann das Gefühl von der Sache nur die Einfühlung
in sie sein. Das Gefühl von der Sache vermag die Sache selbst
gewandelt erscheinen zu lassen, die Einfühlung in eine Sache wird
immer scheue Zurückhaltung vor dieser bewahren wollen und da-
durch immer in irgendeiner Form historistisch sein. Infolgedessen
kann auch die Rolle der Einbildungskraft, die doch nach Schlegel
erst die „poetische Ansicht der Dinge“ schafft, nicht mehr eine un-
mittelbar schöpferische, also irgend wandelnde sein, sondern nur
noch eine nachahmende, also gegenständlich überbedingte. Die
Nazarener liefern den Beleg für die gegenständliche Ueberbe-
dingtheit einer auf Einfühlung gegründeten Kunst, aber auch da-
für, daß es wegen der naturgesetzten Grenze des Einfühlungsver-
mögens zu Beschränkungen in der Gegenstandswahl kommen
muß, die jene Kunst, an die sich die Nazarener anschlossen, nicht
kannte. Der Mythos wird nicht mehr in seinem ganzen Umfang
lebendig, sondern nur in den Teilen, die sich dem Einfühlungsver-
mögen erschließen. Im Endergebnis entsteht dabei eine Situation,
die der bei Goethe festgestellten ähnlich ist. Doch während die
Beschränkung der darstellbaren Gegenstände bei Goethe auf die
gegen Füßli gesprochen sein, doch auch gegen C. D. Friedrich.
Schlegel hat nun aber weder ausdrücklich gefordert, daß alle Ge-
genstände der christlichen Mythe wieder darstellungswürdig wer-
den sollen, noch hat er die Grenze bezeichnet, die ihm bei der
Restauration vorschwebte. Dennoch kann erschlossen werden, wo
die Grenze notwendig liegen muß.
„Die echte Quelle der Kunst und des Schönen liegt im Ge-
fühl. Mit dem Gefühl ergibt sich der richtige Begriff und Zweck
der Kunst von selbst und das bestimmte Wissen dessen, was man
will, wenngleich der Künstler es nicht in Worten, sondern nur
praktisch bewähren kann“ (166). Das religiöse Gefühl, Andacht
und Liebe haben den alten Malern die Hand geführt, die Tiefe des
Gefühls, die Wahrheit der Andacht, das Lebendige im Glauben,
jene Liebe, welche stärker ist als der Tod, vor der bloßen Spielerei
der Phantasie mit den katholischen Sinnbildern bewahrt (167).
Letzten Ende ist dies das Goethesche: Was der Künstler nicht
liebt, kann er nicht, soll er nicht darstellen. Doch es wird von
Schlegel in eine bestimmt religiöse Sphäre gezogen und durch
sie den Sachen nach beschränkt. Denn indem das Gefühl, also
etwas für sich Freies, zwar als das Primäre ausgegeben wird, die
Sache selbst aber, deren das Gefühl sich bemächtigen soll, nicht
frei, sondern nach Bedeutung und Gehalt in abgelebten Zeiten
festgelegt ist, kann das Gefühl von der Sache nur die Einfühlung
in sie sein. Das Gefühl von der Sache vermag die Sache selbst
gewandelt erscheinen zu lassen, die Einfühlung in eine Sache wird
immer scheue Zurückhaltung vor dieser bewahren wollen und da-
durch immer in irgendeiner Form historistisch sein. Infolgedessen
kann auch die Rolle der Einbildungskraft, die doch nach Schlegel
erst die „poetische Ansicht der Dinge“ schafft, nicht mehr eine un-
mittelbar schöpferische, also irgend wandelnde sein, sondern nur
noch eine nachahmende, also gegenständlich überbedingte. Die
Nazarener liefern den Beleg für die gegenständliche Ueberbe-
dingtheit einer auf Einfühlung gegründeten Kunst, aber auch da-
für, daß es wegen der naturgesetzten Grenze des Einfühlungsver-
mögens zu Beschränkungen in der Gegenstandswahl kommen
muß, die jene Kunst, an die sich die Nazarener anschlossen, nicht
kannte. Der Mythos wird nicht mehr in seinem ganzen Umfang
lebendig, sondern nur in den Teilen, die sich dem Einfühlungsver-
mögen erschließen. Im Endergebnis entsteht dabei eine Situation,
die der bei Goethe festgestellten ähnlich ist. Doch während die
Beschränkung der darstellbaren Gegenstände bei Goethe auf die