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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Editor]
Neue Heidelberger Jahrbücher — N.F..1931

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Schrade, Hubert: Die romantische Idee von der Landschaft als höchstem Gegenstande christlicher Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.47617#0042
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Distanz zurückzuführen ist, aus der er auf das gewesene Ganze
des christlichen Mythos zurückblickt, um einige, ja das Sinn-Bild
für das Sinn-Ganze zu suchen, führt bei Schlegel und den Na-
zarenern gerade die Aufhebung der Distanz zur Einschränkung,
weil die größere Gegenstandsnähe nur durch das von sich aus
immer begrenzte Einfühlungsvermögen bewirkt werden kann. Die
Restauration des christlichen Mythos ist also nur eine scheinbare,
ja rein von den möglichen schöpferischen Situationen her geurteilt
führt sie vergleichsweise zu weniger fruchtbaren Standpunkten
als denen, die in der Distanz Goethes immer noch gegeben sein
können. Damit ist natürlich über den Ernst der Absicht, der
manche Nazarener beseelte, nichts gesagt.
Unabhängig von der Dialektik Friedrich Schlegels, die sich fast
überall herauswindet, ist es kunsthistorisch aufschlußreich genug,
wie das Wissen um die Souveränität der Kunst über die Darstel-
lungsgegenstände zur Forderung der strengsten Bindung an sie
umschlagen kann und notwendig umschlagen muß, sobald die
Kunst im Dienst einer bestimmten Weltansicht stehen soll. Des-
halb ist Friedrich Schlegel zwar durchdrungen von dem Bewußt-
sein, daß der „Ursprung der Kunst in der Freiheit und der
Willkür zu suchen ist“, weil sie sich „dem Göttlichen widmet,
das Göttliche darstellt“ (77), ist aber gerade aus der Erkenntnis
dieser Aufgabe der Kunst sofort wieder genötigt, ihr Beides,, Frei-
heit und Willkür, zu nehmen. Denn nur durch strenge Bindung
kann die unvollendet gebliebene christliche Kunst vollendet wer-
den. Was für den Umbruch in der Gegenstandsfrage bei Friedrich
Schlegel gilt, trifft aber hinsichtlich der Antike ebenso auf die
Verfasser des Propyläenaufsatzes zu. „Der Zustand, in welchem
die Kunst gegenwärtig ist,... scheint uns dringend zur Beobach-
tung der Regeln aufzufordern. Wir dürfen kein Haar breit
vom geraden Wege ab weichen. Denn je mächtiger und voll-
endeter die Kunst ist, desto weiter erstreckt sich auch ihre Gewalt,
desto mehr kann sie unternehmen, desto kühner darf sie werden;
je schwächer, je dürftiger sie sich befindet, desto mehr muß sie
sich einschränken und an sich halten13.“

18 Seufferfs Literaturdenkmale, a. a. O,-, S. 33. Die Gegenseite zeigte sich
nicht freizügiger. Tieck war mit dem Architekten Genelli in dem „Haß gegen die
Propyläen“ einig, glaubte aber auch seinerseits: „Der strengste Rigorismus ist
nur die einzig würdige Art die Kunst zu behandeln“. L. Tieck und die Brüder
Schlegel, Briefe, 1930, S. 66.
 
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