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Im steiermärkischen Landesmuseum zu Graz wird eine Zigeuner-
tafel aus der Mitte des 18. Jahrhunderts aufbewahrt (v. Amira, Die ger-
manischen Todesstrafen 1922, S. 306), die offenbar bestimmt war, an
der Landesgrenze die Zigeuner vor dem Betreten des Territoriums zu
warnen. Sie enthält Darstellungen von mancherlei Strafen, wie Aus-
peitschen, Zangenreißen, Köpfen und darunter und darüber vier knappe
Verszeilen (Beispiel 65). Es ist also eine sehr anschauliche Verkündung
des Zigeunerpatentes, eine nicht mißverstehbare Warnungstafel. Der-
artige Warnungstafeln hatte schon der Trierer Erzbischof 1711 an den
Grenzen seines Gebietes gegen die Zigeuner anbringen lassen, allerdings
in Prosa; vgl. Fox, Saarländische Volkskunde 1927, S. 442.
Harmloser ist die Warnung vor einem Selbstschuß (Beispiel 66).
Den warnenden Vers auf der Frankfurter Brücke haben wir schon
oben erwähnt. Ihm schließen sich an die Sprüche, die man etwa sonst an
befriedeten Orten zur Warnung anbrachte (Beispiele 67—69).
Sehr off waren auf Richtschwertern erbauliche Verse zu lesen
(Beispiele 70—74). Während sie, entsprechend der Todesstrafe, der die
Schwerter dienten, ernst und würdig gehalten waren, passen sich die In-
schriften auf den Schandsfeinen mehr dem derben Humor dieser
Ehrenstrafe an (Beispiele 75, 76).
Für gereimte Grabinschriften, deren Text rechtlichen Inhalt hat,
sind unter Nr. 77 und 78 zwei Beispiele eingereihf.
Wo Bild und Wort Zusammenwirken, um einen Rechtssafz wieder-
zugeben, da gesellt sich gerne zur bildlichen, zumal künstlerischen, Dar-
stellung die gepflegte, gewählte Sprache, die dichterische Form, der
schlagwortartige Reim. Nicht nur auf Spruchbändern begegnen wir den
Bilderreimen, sondern auch auf Bildertafeln. Inschriften sind meist um
so wirksamer, je kürzer sie sind. Die Versform erhöht dann noch die
Einprägbarkeit. Das packende Bild und der schlagende Vers ergänzen
sich und fesseln Auge und Ohr. Die Eidtafel (Beispiel 11), die Zigeuner-
tafel (Beispiel 65), die Burgfriedtafel (Beispiel 68), das Gerechtigkeits-
bild (Beispiel 15), das Kellerrecht (Beispiel 39ff.), die alle als War-
nungstafeln der Warnung vor Selbsfschuß verwandt sind (Beispiel 66), sie
gehören ebenso hierher, wie die lehrhafte, einprägsame Veranschauli-
chung der Verwandtschaftsgrade, der Sippbaum (Beispiel 95). Bild und
Vers sind ja seit langem verschwistert; nicht nur auf den Holzschnitten
und sonstigen Bildern, sondern der Brauch geht bis auf die sogenannte
TifuÜ der altchristlichen Zeit zurück; vgl. Sfeinmann, Die Tifuli und die
kirchliche Wandmalerei im Abendlande, 1892, S. 1, 140f.; Geisberg, Ka-
talog der Einblattholzschnitfe Nr. 56 (Moses mit den Gesetzestafeln in
Reimen), Nr. 353 (Verkündigung eines Ablasses in Reimen). Vgl. auch
 
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