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lutherisch geworden ist. Der Markgraf hat ihm einen Recommendations-
brief an Ev.Hf.D. erteilt, weil, der Mann nach Weimar will und soll. Ich
habe ihm ein Schreiben an Herder und eines an Jagemann37 gegeben.
Es ist gewiß ein redlicher und guter Mensch, der nicht glaubt sterben zu
dörfen, ohn luthrisch zu sein. Haben Sie Gnade für ihn, besonders aber
für mich, der weder luthrisch noch calvinisch ist, aber immer Ihr treuer
Diener und Edelsheim sein wird.

16.
Hanau, d. 24. Oktbr. 1782.
Nun bin ich mit Leib und Seele in Hanau. Ihr langer Oberforst-
meister97 98 99, gnädiger Herr, hat mir Ihren Brief sehr spät gebracht. Denn
der Stuttgarter Tumult hat 14 Tage später angefangen als die ganze
daselbst versammelte Christenheit erwartete, und hat 6 Tage über ihre
Erwartung gedauret, weil der H[er]z[og] kein Geld mehr hafte, und der
Straßburger Banquier per Estafette das nötige herbeischaffen mußte33.
Denn die bare Species der dortigen Gegend hatte der unbeschreibliche
Carl Alexander100 alle geschluckt, und alle Kronen, welche auf die Häup-
ter der Töchter Württembergs kommen, verhindern doch nicht, daß
Papagen und der eher Oncle immer Ärgent court sind. Was die würt-
temb. sogenannte Feste für ein Unsinn gewesen sind wird die plauder-
hafte Madam Fama bereits berichtet haben. Wenigstens wünschte ich.
Sie 3 Tage lang recht herzlich über die ganz neuen und unmenschlichen
Farcen lachen zu machen, die durch die häufige Erzählungen meine Ima-
gination bereichert haben. Da ich, Meister Goethe mag sagen, was er
will, ein gar seichtes Memorium habe, so wird mir das Beste entfallen,
wenn meine Erscheinung in Weimar oder Eisenach noch lang aufgescho-
ben bleibt. Das ist recht grausam von meinem Schutzengel, daß mich der
Bursche nicht beim Schopf nimmt und zu Ihnen führt. Der Himmel weiß,
daß ich nirgends lieber wäre, und doch sitze ich auch hier angefesselt wie
ein Kettenhund. Ich hielt es anfangs für einen Wink des gütigen Schick-
sals, daß der O[ber]forstmeister und Kammerherr, ce qui tout est, mir
97 Josef Jagemann (1735—1804), früher katholischer Geistlicher und Äugus-
tinermönch in Italien, nach seinem Glaubenswechsel Gymnasialdirektor in Erfurt,
dann Bibliothekar der Handbücherei der Herzogin Anna Ärnalia in Weimar;
ADB 13, 642.
98 Wedel.
99 Die Feste anläßlich des Besuches des Großfürsten Paul und seiner Ge-
mahlin in Stuttgart kosteten den Herzog 345000 Gulden!; s. Pfaff a. 0.374.
100 Der Vater Carl Eugens, der durch seine ungeheure Verschwendungssucht
sein Land vollständig ausbeutete und zu dunklen Finanzmachenschaften griff,
die er mit Hilfe des Jud Süß durchführte.
 
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