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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — N.F..1950

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Preisendanz, Karl: Die Rückkehr der Manesseschen Liederhandschrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.47636#0052
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daß es nicht auf unrechtmäßige Weise von den Brüdern Dupuy erworben
wurde * * * 4.
Jedenfalls aber boten die Voraussetzungen, unter denen man im Jahr
1815 Deutschland entfremdete Drucke, Handschriften und Kunstgegen-
stände wieder einzuziehen suchte, keine rechtliche Handhabe, auch die
Manessesche Liedersammlung zurückzufordern.
Deshalb richtete am 24. November 1815 der Preußische Geh. Staats-
minister Freiherr v. Ältenstein von Paris aus an den französischen Mi-
nister Herzog von Richelieu ein sehr höfliches Schreiben5 6, in dem die
Abtretung (cession) der Minnesänger-Handschrift (la collectlon des trou-
badours allemands) zusammen mit Originalmanuskripten Winckelmanns
in der Bibllotheque Nationale angeregt und erbeten, jedoch nicht gefor-
dert wird. Man kann die Motivierung dieses Gesuchs nicht gerade zug-
kräftig nennen: während die französische Wissenschaft sich nicht mit der
Frühzeit der deutschen Sprache und Literatur beschäftige, müßten wir
die Sammlung der Minnesänger als unentbehrliche Materialergänzung
zum Studium unserer sprachlichen und literarischen Entwicklungs-
geschichte einschätzen.
Daß auf diese Eingabe eine Absage erfolgte, wird nicht sehr Wunder
nehmen —- die französische Regierung fühlte keinen Zwang hinter der
Bitte und glaubte wohl auch schon genug geopfert zu haben mit der
Rückgabe der päpstlichen Handschriften und Kunstwerke, die Napoleon
auf Grund des Friedens von Tolentino (1797) aus Rom nach Paris ent-
führt hatte. Unter ihnen befanden sich ja bekanntlich 38 griechische und
lateinische Codices, die mit Einwilligung der Kurie an Heidelberg zu-
rückgegeben wurden0.
Indessen scheint diesen schriftlichen Verhandlungen nicht lange vor-
her ein schärferer Versuch des Zugriffs vorangegangen zu sein, hinter
dem die bewaffnete Macht stand. Wenigstens berichtet Friedrich von

Straßb. 1887, S. 5); vgl. noch L. Delisle, Le Cabinet des Manuscrifs de la Biblio-
fheque Imperiale (Paris 1888), 8.5. Das Liederbuch war verzeichnet als „Parae-
neses variorum et canfilenae amaforiae scriptae ante cccc annos, lingua theu-
fonica, cum variis figuris. Folio“. Über die Beziehung der Brüder Dupuy zur
Manesseschen Handschrift wurde von der Hagen (bei B. Mathieu S. IX f.) durch
den französischen Bibliothekar Charles-Clement Claude unterrichtet.
4 Über die verschiedenen Möglichkeiten: Rudolf Sillib in den Sitz.-Ber. der
Heidelb. Akademie der Wiss. 1921, 3, S. 8—10, und in der Einleitung zur Fac-
simile-Äusgabe der Hs. (Die Manessische Lieder-Handschrift. Insel-Verlag zu
Leipzig 1929), S. 34—36.
5 Wortlaut im Auszug bei Jacob Grimm a. O. 113.
6 Wilhelm Port, Deutsche Akten über die Rückgabe der Bibllotheca Palatina
durch den Vatikan im Jahre 1815/16 (N. H. J. 1929), S. 104—21.
 
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