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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Editor]
Neue Heidelberger Jahrbücher — N.F..1950

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Preisendanz, Karl: Die Rückkehr der Manesseschen Liederhandschrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.47636#0077
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ein im Wunsch, die schon, gewiß nicht mühelos, durchgeführte Tausch-
aktion durch Schenkung und Überweisung der Handschrift an ihre alte
Bibliotheksheimat gekrönt zu sehn und damit zugleich dem Badischen
Großherzog eine Freude zu bereiten.
Das letzte Motiv dürfte auch den Fürsten Bismarck in der Hauptsache
geleitet haben: in keinem Stadium der langwierigen Verhandlungen war
ihm — das zeigen die Manesse-Äkten deutlich — die Ausgabe von 400 000
Mark für diesen Zweck sympathisch; er hat sie vor sich selbst nur als
notwendige Erfüllung einer „nationalen Pflicht“ gerechtfertigt. Ein inne-
res Verhältnis zu Sache und Liederhandschrift hat er gewiß nicht ge-
wonnen, woraus er auch kein Hehl macht, wenn er auf Marschalls Dank
für „seine Unterstützung“ sachlich kühl gesteht: „er habe das weniger
aus innerer Überzeugung getan als um einem Wunsch des Großherzogs
von Baden gerecht zu werden“ (v. Marschall an Turban, 1. März 1888).
Die Einzelheiten der feierlichen Übergabe der Liederhandschrift an
die Universität Heidelberg und ihre Bibliothek sind aus verschiedenen,
weithin verbreiteten Zeitungsberichten und aus Referaten K. Zange-
meisters, des damaligen Direktors der Universitätsbibliothek, schon
bald bekannt geworden83. Auch über sie geben die Akten des Großh.
Hausarchivs manche ergänzende Auskunft; sie laufen schließlich in Ver-
handlungen aus, die eine besondere Seite jener Zeit bezeichnen: eine
ganze Anzahl der beim „Geschäft“ agierenden hohen Personen in Berlin
bis herunter zum Feldjäger Leutnant Walter Stumpff, der am 10. April
1888 die Handschrift aus Paris nach Heidelberg brachte, wurde mit di-
versen Orden je nach Rang und Vordekorierung ausgezeichnet — auch
das erforderte intensives Äbwägen und viel Kopfzerbrechen.
Aber alles in allem herrschte da wie dort Befriedigung: Heidelberg,
wo man erst nach Abschluß des Handels von dem ganzen Unternehmen
erfuhr, hatte seine Minnesänger wieder, Frankreich seine kostbaren
Handschriften, die Lord Ashburnham gut verkaufte; Berlin erhielt eine
wertvolle Reproduktion der Handschrift; die Mitspieler heimsten schöne
Orden ein, und schließlich feierte die gebildete Welt in ganz Deutschland
die Rückkehr des Manesseschen Liederbuchs als ein nationales Ereignis
— nur von dem Mann, der auf den glücklichen Gedanken dieses groß-
zügigen Tausches gekommen war und seine Durchführung durch geschäft-
liche und diplomatische Gewandtheit und Verschwiegenheit ermöglicht
hatte, von ihm ist so gut wie nicht mehr die Rede. Für ihn gab es auch
83 Wesfd. Z. für Gesch. und Kunst 7 (1-888), S. 368—371; Bericht über die
Wiedervereinigung der Manessischen Liedersammlung mit den Handschriften
der Bibliofheca Palatina (Anhang zu Julius Arnold, Akademische Rede zum
Geburtstagsfeste des Großherzogs Karl Friedrich. Hdbg. 1888, S. 58—62).
 
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