Joseph Deutsch
Oberbibliothekar Karl Zangemeister <1873—1902^
Im Jahre 1871 erschien, ohne den Verfasser zu nennen, die Schrift:
„Die Selbständigkeit des bibliothekarischen Berufes“. Der Verfasser war
Anton Klette, seit 1870 Oberbibliothekar an der Universitätsbibliothek
Jena. Seine Schrift scheint „maßgebend gewesen zu sein für die Neu-
gestaltung“ der Universitätsbibliothek Heidelberg und die Berufung
Zangemeisters. Der engere Senat der Universität Heidelberg wie die
Regierung hatten grundsätzlich verlangt, daß der neue Oberbibliothekar
„nicht durch ein ordentliches Lehramt in der Konzentration seiner ge-
samten Kraft auf die Verwaltung der Bibliothek gehemmt sein dürfe“1.
Man verlangte also auch hier den Berufsbibliothekar an Stelle des bis-
herigen Professorenbibliothekars.
Der Gedanke und die Forderung der Selbständigkeit des bibliotheka-
rischen Amtes und Berufes waren nicht neu, sie reichen vielmehr bis ins
achtzehnte Jahrhundert zurück. Fünf Dezennien vor dem Amtsantritt
Zangemeisters begegnen wir ihnen auch an der Universität Heidelberg.
Nach der Erneuerung zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die beiden
ersten Oberbibliothekare die Historiker Friedrich Wilken (1808—1817),
der dann von Heidelberg an die Kgl. Bibliothek nach Berlin ging, und
Friedrich Christoph Schlosser (1817—1825). In einem Gutachten äußerte
sich im September 1824 der Jurist Karl Salomo Zachariae, dem „enzyklo-
pädische Begabung“ und „ausgedehntes Wissen“2 nachgerühmt wird: „Es
muß ein Mann als Bibliothekarius angestellt werden, welcher schlechter-
dings kein anderes Amt hat und kein anderes Geschäft treibt, als das
eines Bibliothekarius. Wählt man dazu einen Professor, so können wir
voraussagen, daß der Plan in der Ausführung mißglücken muß. Dann
wird der Gehalt (die Sinecure), nicht das Amt die Hauptsache sein. Ein
Bibliothekar ist ein homo sui generis, bei großen literarischen Kennt-
nissen muß er zugleich ein gewisses Talent haben“3.
1 Universitäts-Archiv Heidelberg. Acta personalia. Dr. Carl Zangemeister.
Schreiben der Professoren Ribbeck und Becker vom 24. Jan. 1874.
2 Heidelberger Professoren aus dem 19. Jahrhundert. Festschrift der Uni-
versität zur Zentenarfeier ihrer Erneuerung durch Karl Friedrich. Bd. 1 (Heidel-
berg 1903), S. 216.
3 J. Wille: Aus alter und neuer Zeit der Heidelberger Bibliothek (Heidelberg
1906), S. 23; auch in: NHJ 14 (1906), S. 235.
Oberbibliothekar Karl Zangemeister <1873—1902^
Im Jahre 1871 erschien, ohne den Verfasser zu nennen, die Schrift:
„Die Selbständigkeit des bibliothekarischen Berufes“. Der Verfasser war
Anton Klette, seit 1870 Oberbibliothekar an der Universitätsbibliothek
Jena. Seine Schrift scheint „maßgebend gewesen zu sein für die Neu-
gestaltung“ der Universitätsbibliothek Heidelberg und die Berufung
Zangemeisters. Der engere Senat der Universität Heidelberg wie die
Regierung hatten grundsätzlich verlangt, daß der neue Oberbibliothekar
„nicht durch ein ordentliches Lehramt in der Konzentration seiner ge-
samten Kraft auf die Verwaltung der Bibliothek gehemmt sein dürfe“1.
Man verlangte also auch hier den Berufsbibliothekar an Stelle des bis-
herigen Professorenbibliothekars.
Der Gedanke und die Forderung der Selbständigkeit des bibliotheka-
rischen Amtes und Berufes waren nicht neu, sie reichen vielmehr bis ins
achtzehnte Jahrhundert zurück. Fünf Dezennien vor dem Amtsantritt
Zangemeisters begegnen wir ihnen auch an der Universität Heidelberg.
Nach der Erneuerung zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die beiden
ersten Oberbibliothekare die Historiker Friedrich Wilken (1808—1817),
der dann von Heidelberg an die Kgl. Bibliothek nach Berlin ging, und
Friedrich Christoph Schlosser (1817—1825). In einem Gutachten äußerte
sich im September 1824 der Jurist Karl Salomo Zachariae, dem „enzyklo-
pädische Begabung“ und „ausgedehntes Wissen“2 nachgerühmt wird: „Es
muß ein Mann als Bibliothekarius angestellt werden, welcher schlechter-
dings kein anderes Amt hat und kein anderes Geschäft treibt, als das
eines Bibliothekarius. Wählt man dazu einen Professor, so können wir
voraussagen, daß der Plan in der Ausführung mißglücken muß. Dann
wird der Gehalt (die Sinecure), nicht das Amt die Hauptsache sein. Ein
Bibliothekar ist ein homo sui generis, bei großen literarischen Kennt-
nissen muß er zugleich ein gewisses Talent haben“3.
1 Universitäts-Archiv Heidelberg. Acta personalia. Dr. Carl Zangemeister.
Schreiben der Professoren Ribbeck und Becker vom 24. Jan. 1874.
2 Heidelberger Professoren aus dem 19. Jahrhundert. Festschrift der Uni-
versität zur Zentenarfeier ihrer Erneuerung durch Karl Friedrich. Bd. 1 (Heidel-
berg 1903), S. 216.
3 J. Wille: Aus alter und neuer Zeit der Heidelberger Bibliothek (Heidelberg
1906), S. 23; auch in: NHJ 14 (1906), S. 235.