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Xr. 138.
' Politische Umschau.
Heidelberg, 16. Juni.
Die Katastrophe in Bayern steht fortgesetzt im
Vordergründe des öffentlichen Interesses. In allen Kreisen
des deutschen Volks hat dieselbe eine tiefe, nachhaltige Be-
wegung hervorgerufen. — Gestern sind in München die
Reichsräthe zusammengetreten, um das Material, welches
über die furchtbaren Ereigniffe vorhanden, zu prüfen und der
Regentschaft des Prinzen Luitpold ihre Zustimmung zu geben.
An anderer Stelle geben wir eine Zusammenstellung aller
bemerkenswerthen Nachrichten, die uns neuerdings in der
Angelegenheit vorliegen.
In einem Artikel über den Wicderzusammentritt
des Reichstags läßt sich die Nordd. Allg. u. A.
wie folgt vernehmen: Das Geringste, was vom Reichstag
verlangt werden kann, ist, daß er zu der Branntweinsteuer-
vorlage der Regierung Stellung nehme, daß er dieselbe
mit Ja oder Nein beantworte. Ein negatives Votum der
Commission kann eine gewissenhafte Regierung nicht als
definitive Entscheidung der Volksvertretung ansehen. Die
Regierung muß wissen, wie die Volksvertretung sich zu
den jüngsten Vorschlägen stellt, da sie sonst nicht in der
Lage wäre, anderweitige Maßregeln zur Durchführung des
unerläßlichen Werkes der Steuerreform zu ergreifen.
Gegenüber den unermüdlichen Versuchen ultramontaner
Blätter, die vom Papste bauernd zugestandenc Anzeigcpflicht
in Preußen so auszulegen, daß sie nichts mehr als eine
bedeutungslose Höflichkeit der Curie gegen den Staat wäre,
betont ein Berliner Telegramm der Köln. Ztg., daß die
Anzeigepflicht, die zur Zeit in Preußen erfüllt wird, keine
andere ist, als die in den Maigesetzen vorgeschriebene.
Die meisten preußischen Bischöfe haben die anzustellenden
Geistlichen genau in der durch jene vorgcschriebenen Form
den Regierungs-Präsidenten angezeigt. Die Versuche des
einen oder anderen Oberhirten, statt die zu besetzende Stelle
mit dem dafür erkorenen Kandidaten zugleich anzuzeigen,
vielmehr nur eine lange Liste von Geistlichen einzureichen,
wurden staatlicherseits zurückgcwiescn.
Die Befürchtungen, welche in der belgischen Haupt-
stadt an den 13. Juni geknüpft wurden, haben sich zum
Glück als grundlos erwiesen. Die Arbeiter haben keinen
Versuch gemacht, die geplante, von der Regierung aber
untersagte Massendemonstration in's Werk zu setzen. Ein
Kongreß der Arbeiterdelegirten hat aber stattgefunden, und
die Beschlüsse dieses Kongresses lassen deutlich genug er-
kennen, daß die socialistische Partei Belgiens nicht nur nicht
daran denkt, ihre Forderungen aufzugeben, sondern mehr als
je mit Vervollständigung ihrer Organisation und der Einrich-
tung einer systematischen Agitation beschäftigt ist, um zu
gegebener Stunde einen allgemeinen großen Schlag zu
führen. Daß vorerst noch die Einhaltung des gesetzlichen
Weges beschlossen wurde, will wenig besagen; daß die
Frage, ob zu ungesetzlichen Mitteln gegriffen werden solle
oder nicht, überhaupt zur Discussion gestellt, und daß es
des ganzen Einflusses des Führers der Partei bedurfte,
damit die Frage in verneinendem Sinne beantwortet wurde,
zeigt klar den Weg, auf welchem die Arbeiterpartei Belgiens
wandelt, und deutet an, was dem Lande über kurz oder
lang bevorsteht, falls nicht eine positive Socialreform Hand
in Hand geht mit einer energischen Handhabung des Ge-
setzes. Der letzte Sieg der Ultramonmnen hat die Verant-
60) Verlorene Ehre.
Roman von W. Höffer.
(Fortsetzung).
Das junge Mädchen zuckte zusammen.
»Ich gehe!" versetzte sie tonlos. „Ich gehe! — Noch
drei Tage — bis ein Brief geschrieben und beantwortet
wird — dann bin ich fort."
„Und dann ohne Haß gegen mich, Anna?"
Sie sagte es schüchtern, demüthig — das erste Ahnen
des neugewonnenen Glückes rief tausend Blüthen wach in
ihrer umdüsterten Seele. Wie gern hätte sie in diesem Augen-
blick das leise weinende Mädchen an die Brust gezogen und
es aus überströmenden Herzen eine theure, geliebte Schwester
genannt!
Anna sah sie an.
„Ohne Haß!" sagte sie kindlich. „Gott sei mit Ihnen
und mit ihm! Er soll mich nicht Wiedersehen!"
Ihre Hände lagen ineinander; sie fühlten es Beide, daß
diese Stunde den Frieden gebracht hatte. Es wurde kein
Wort mehr gesprochen, aber doch waren die Herzen still und
versöhnt. Als Elisabeth nach Hause kam, schien es ihr, daß
beute erst ihre Ehe mit Julius begonnen habe — jetzt zeigte
der Himmel kein Wölkchen, es gab Nichts, Nichts mehr zu
fürchten.
Sie konnte nicht erwarten, ihn wiederzusehen, schon der
erste Blick, das erste Wort sollten den Weg zum ersehnten
Ziele anbahnen. Die drückende, schreckliche Fessel war von
ihrer Seele genommen.
Thränen wechselten mit verhaltenem Jubel. Welche Feier- i
Mittwoch, de« 16. Imn
Wartung für Belgiens Zukunft gänzlich der klerikalen Partei
überwiesen; Alles wird jetzt darauf ankommen, wie sich
diese Partei der ihr zugefallenen Aufgabe entledigt. Die
belgische Politik der nächsten Zukunft ist das Exempcl auf
die vielgcrühmte Leistungsfähigkeit des Ultramontanismus
in socialpolitischer Beziehung.
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 15. Juni. (Amtlich.) Se. Kgl. Hoh. der
Großherzog haben dem Küster der Friedrich Werder'schen
Kirche in Berlin, Karl Friedrich August Alandt, das
Ritterkreuz 2. Klasse Höchstihres Ordens vom Zähringer
Löwen verliehen und dem Fechtlehrer Friedrich Schulze
an der Universität Heidelberg die nachgesuchte Erlaubniß
zur Annahme und zum Tragen des ihm von dem Kaiser
von Oesterreich und König von Ungarn verliehenen
goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone ertheilt. - Durch
Entschließung des Ministeriums des Innern vom 9. d. M.
ist Ingenieur I. Klasse Albert Ziegler in Oberkirch der
Wasser- und Straßenbau-Inspektion Emmendingen zugctheilt
worden.
Karlsruhe, 15. Juni. S. K. H. der Erbgrobherzog
hat am Pfingstsonntag mit der Erbgroßherzogin, dem Groß-
herzog und der Großherzogin zum ersten Mal wieder den
Gottesdienst in der Schloßkirche besucht.
Karlsruhe, 15. Juni. Das Großh. Oberstkammcrherrn-
Amt erläßt folgende Hof-Ansage: Wegen Ab-
lebens Seiner Majestät des Königs Ludwig ll. Otto
Friedrich Wilhelm von Bayern legt der Großherzog-
liche Hof von heute an die Trauer auf drei Wochen bis
zum 5. Juli einschließlich an, und zwar vom 15. Juni bis
incl. 25. Juni nach der 3., vom 26. Juni bis incl. 5. Juli
nach der 4. Stufe der Trauerordnung.
Freiburg, 15. Juni. Nach dem Bad. Beob. hat der
Kardinialsecretär Jako bini an den Erzbisthumsverweser
Weickum ein Schreiben gerichtet, in welchem mitgetheilt wird,
daß Bischof Or. Roos auf den Wunsch des Papstes die
Wahl als Erzbischof von Freiburg angenommen, worauf
der hl. Vater die von dem Domkapitel erbetene Bestätigung
ertheilt hat. — Die Inthronisation des neuen Erzbischofs
soll Ende August oder Anfangs September erfolgen.
Berlin, 14. Juni. Der Kaiser gedenkt seine Kur-
reise nach Ems am künftigen Freitag Abend anzutreten.
— Der Bun desrath wird erst kurz vor dem Zusammen-
tritt des Reichstags seine Arbeiten wieder aufnehmen. Im
wesentlichen bleiben nur noch laufende Geschäfte zu erledi-
gen; kurze Zeit nach der Reichstagssession wird auch der
Bundesrath vertagt und erst im Herbst wieder einberufcn
werden. Es herrscht kein Zweifel darüber, daß die nächste
Session des Reichstags hinsichtlich des bevorstehenden Ar-
beitspensums die jetzige an Wichtigkeit übertreffen wird. —
Der Köln. Ztg. schreibt man von hier: Verschiedene Blätter
beschäftigen sich seit einiger Zeit mit der Stellung des eng-
lischen Botschafters in Berlin, die sie als erschüttert dar-
stellen. Sir E. Malet, so heißt es, wünsche aus politi-
schen und persönlichen Gründen Berlin mit Paris zu ver-
tauschen. Er habe sich hier „bekanntlich" in der Zeit der
deutsch-englischen Streitigkeit wenig günstig eingeführt, und
diese Thatsache wirke noch immer nach. Diese Mittheilun«
gen entbehren der Begründung. „Bekannt" ist im Gegen-
theil zu dem, was über Sir E. Malet gesagt wird, daß
stunden barg doch das Leben, wie war die Brust so eng für
all' das Glück, für die schrankenlose, innige Dankbarkeit
gegen Gott!
Als Julius kam, empfing ihn ein freundlicher Gruß,
und seit den Tagen seiner Bräutigamszcit zum ersten Mal
wieder die gestopfte Pfeife. Elisabeth erkundigte sich nach
dem Verlauf der stattgehabten Operation.
Julius lächelte.
„Sind hier Feen zum Besuch gewesen, Lisa?"
Sie erröthete leicht.
„Möglich, Julius! Findest Du nicht, daß sie uns schon
lange schmerzlich gefehlt haben? Zu spät kommt das Gute nie."
Er küßte sie seit Monaten zum ersten Mal.
„Gott gebe es, Lisa!"
Und dann erzählte er ihr von den Vorgängen im Kranken-
hause. Sie konnte wieder mit freier, erlöster Seele theilen,
was ihn beschäftigte, sie saß wieder auf dem niederen Schemel
ihm zu Füßen und lehnte den Kopf gegen seine Kniee wie
einst.
Ob es auch gleichgültige Dinge waren, von denen sie
sprachen, er hatte doch die Hand auf ihren Kopf gelegt, und
sie konnte mit geschlossenen Augen seiner Stimme lauschen.
Es gab zwischen ihm und ihr keinen Zwiespalt mehr.
Später, als ihn die letzten Besuche wieder von ihrer Seite
riefen, bat sie ihn, nicht so lange auszubleiben. Ihre Wange
gegen die seinige gepreßt, flüsterte sie leise in sein Ohr:
„Ich will mich bemühen. Dir künftig besser zu gefallen,
Julius. Du sollst Dich über mich nicht wieder beklagen dürfen.
Sag' mir, hast Du — mich — nicht noch ein klein wenig
lieb?"
1886
die correcte Haltung, welche der englische Botschafter von
je her und bis heute eingenommen, in den maßgebenden
Kreisen volle Anerkennung gefunden hat, und daß zwischen
diesen und Sir E. Malet sehr gute Beziehungen bestehen,
die durch nichts getrübt worden sind.
Berlin, 15. Juni. Fürst Bismarck hat sich heute
von FriedrichSruh nach Berlin begeben. — Der Tod des
Königs Ludwig steht in dem Vordergrund aller In-
teressen. Der Kaiser, den der ganze Verlauf der An-
gelegenheit während der letzten Tage lebhaft bewegt hatte,
ist, wie aus der Umgebung desselben verlautet, durch die
Nachricht tief erschüttert. Es heißt allgemein, der Kronprinz
werde zu den Beisetzungsfeierlichkeiten in Vertretung des
Kaisers nach München reisen. — Die Nordd. Allg. Ztg.
erklärt die in der Wiener Neuen Fr. Presse enthaltenen Nach-
richten über eine Einflußnahme des Reichskanzlers bei den
bayerischen Vorgängen als Erfindung und sagt:
Der Gedanke, daß das tragische Geschick König Ludwigs
eine Grundlage zu politischen Abmachungen und Berech-
nungen abgegeben hätte, ist geradezu beleidigend für alle
Betheiligten. Die Reichstrene Bayerns und des Königs-
hauses ist von einem Wechsel in maßgebenden Persönlich-
keiten unabhängig. Einer Sicherstellung durch besondere
Bürgschaften sei dieselbe nicht bedürftig. — Der von der
Berliner internationalen Telegraphenkonferenz beschlossene,
am 1. Juli in Kraft tretende neue (gestern erwähnte)
Telegraphengebührcntarif, wonach die Grund-
taxe' fortfällt, die Depeschengebühr mindestens
60 und das Wort 6 beträgt, wird soeben
amtlich kundgegeben.
Oes»erreiüriscke Monarchie.
Triest, 15. Juni. Die Sektion der Leiche eines Ar-
beiters Melersich ergab sporadisch easiatische Cholera.
Vorgestern ist eine Frau unter Cholera-Symptomen ge-
storben. Es sind alle Vorbereitungen getroffen, um eine
Weiterverbreitung der Epidemie zu verhindern.
A u s l a n d.
Brüssel, 14. Juni. Der Kongreß der Arbeiter
hielt eine einstündige Berathung ab. Die wichtigsten Be-
schlüsse sind: Fortsetzung friedlicher Propaganda; Ver-
mehrung der Kooperativ-Genossenschaften; allgemeiner Strike
nur im äußersten Falle; am 15. August soll eine Mani-
festation in Brüssel stattfinden.
Lou-o«, 14. Juni. Das Wahl manifest Glad-
stones an seine Wähler in Midlothian besagt: Die
Königin hat in die Auflösung des Parlaments gewilligt,
um die Meinung des Landes über die wichtigste und gleich-
zeitig einfachste Frage zu erfahren, welche man dem Lande
seit einem halben Jahrhundert unterbreitet hat. Gladstone
beruft sich dann auf sein letztes Manifest und fügt hinzu,
wenn eine conservative Regierung die Vorlage eingebracht
hätte, den Irländern ein so hohes Maß von Selbstständig-
keit zu bewilligen, so würde dieselbe seitens der liberalen
Partei eine kräftige Unterstützung gefunden haben; aber die
konservativen hätten noch im Januar eine auf Zwangs-
maßregeln beruhende Politik in Vorschlag gebracht, welche
durch die Ereignisse nicht gerechtfertigt war. Er, Glad-
stone, aber habe sich für eine andere Methode, als die der
Zwangsmaßregeln entschieden und habe darnach ein Cabinet
auf einer dieser Politik entgegengesetzten Grundlage gebildet.
Er habe im Einverständniß mit seinen Amtsgenossen vor-
Er küßte.den zuckenden Mund, aber vermied es, die Frage
zu beantworten. Er kam auch auf den Gegenstand ihres Zer-
würfnisses, Elisabeth's Eifersucht, mit keiner Silbe zurück.
„Du bist so sehr geneigt, Alles zu übertreiben, Lisa,"
versetzte er. „Man muß das Leben mit nüchternem Blick
betrachten und sich nie selbst in eine künstliche Erregung hinein-
bringen. Ein Arzt lernt bei Zeiten der Romantik entsagen
— das solltest du bedenken."
Und nun ging doch durch ihre Seele ein Mißton. Sie
wagte nicht, ihn zum zweiten Mal zu fragen.
Aber ein anderer Gedanke, eine süße, beglückende Hoff-
nung, halb empfunden, halb nur geahnt, erfüllte ihr Herz,
Mochte langsam, Schritt um Schritt, die Wiederaussöhnuxg
mit dem geliebten Manne sich vollziehen, mochte erst all-
mählich ihre Liebe zum zweiten Mal seine Seele gewinnen
— sie wollte geduldig harren. Vielleicht schenkte in nicht
allzu ferner Zukunft die Gnade der Vorsehung einen Trost,
eine Freude, die Todtes zum Leben erweckte — vielleicht
gab es späterhin ein anderes, unschuldiges Lächeln, das wie
Sonnenschein alles Dunkel erhellte und Licht brachte in die
verborgensten Tiefen.
Elisabeth saß am Fenster, den Kopf in die Hand gestützt,
das Herz voll stiller, beglückender Zuversicht. Sie wagte
es nicht, heute den beobachtenden Blicken der Kranken zu.
begegnen. Mama würde mit geübtem Blick die Veränderung
ihres Wesens erkannt haben und doch wollte sie nicht ge-
fragt sein. Diese Angelegenheiten gehörten nur ihr und-
dem Geliebten — sie konnte darüber mit niemand sprechen.
(Forts, folgt.)