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Heidelberger Zeitung — 1886 (Januar bis Juni)

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Mkrger Zeitung

Tagklatt ««d Werküudiger für die Stadt Keideköerg

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Mittwoch, des 14. April

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Deutsches Reich.
Heidelberg, 13. April. Nach dem Frkf. Journ. ver-
lautet, Bischof Dr. Kopp werde Erzbischof in
Freiburg an Stelle des verstorbenen Erz-
bischofs Orbin werden. (??)
Karlsruhe, 13. April. (Amtlich.) Se. König!. Hoh.
der Großherzog haben den außerordentlichen Professor
der Zoologie an der technischen Hochschule dahier, vr. Otto
Nüßlin, zum ordentlichen Professor des genannten Lehr-
faches ernannt.
Karlsruhe, 13. April. Heute ist über das Befinden
des Erbgrotzhcrzogs nachfolgendes Bulletin erschienen:
Das gestern noch sehr schmerzhafte Knie und dessen Um-
gebung sind heute weit weniger empfindlich. Die Nacht
brachte nicht so ruhigen und langdauernden Schlaf als die
vorhergehende. Temperatur heuleMorgen normal. vr.Tenner.
— Heute Vormittag 10 Uhr 44 Min. ist die Kaiserin von
Oesterreich, von einer Dame und einem Herrn begleitet,
hier eingetroffeu, wurde am Bahnhof von dem Großherzog
und der Kronprinzessin von Schweden und Norwegen em-
pfangen und zum Großh. Schlosse geleitet, wo die Groß-
herzogin Allcrhöchstdieselbe am Hauptportal empfing und in
deren Appartement führte. Dort befand sich die Erbgroß-
herzogin zur Begrüßung der Kaiserin. Um 11 Uhr 50
Min. wurde die Kaiserin von dem Großherzog und der
Großherzogin zum Bahnhof geleitet und erfolgte dann deren
Rückkehr nach Baden-Baden. Während ihres Aufenthaltes
im Großh. Schloß empfing die Kaiserin die Prinzessin
Wilhelm mit Prinzessin Mary, sowie den Prinzen Karl mit
dessen Gemahlin Frau Gräfin von Rhena. — Zur Be-
grüßung des Prinzen Wilhelm von Württemberg
und dessen Gemahlin hat der Großherzog den Hofmarschall
Grafen von Andlaw nach Bruchsal entsendet, wo die
Württemb. Herrschaften auf der Reise nach Stuttgart einen
kurzen Aufenthalt genommen haben.
Karlsruhe» 13. April. Die gestrige Nummer Ihrer
Zeitung bringt die Namen derjenigen Mitglieder der 2.
Kammer, deren Mandat nach Umlauf dieses Landtags zu
Ende gehe. Diese Mittheilung bedarf einer Berichtigung
dahin, daß das Mandat der genannten Mitglieder nicht mit
Schluß des Landtages bezw. 1. Juli d. I. zu Ende geht,
dieser Zeitpunkt vielmehr erst am 1. Juli 1887 eintritt
Und mit demselben zu gleicher Zeit die Vorarbeiten zum
Beginn der Neuwahlen von der Regierung ausgeschrieben
werden. Würde z. B. in der Zeit bis zum 1. Juli 1887
die Berufung eines außerordentlichen Landtags nothwendig
werden, so hätten die genannten Mitglieder bei demselben
Noch mitzuwirken.
Karlsruhe, 13. April. Nachdem an Stelle des bis-
herigen Viceconsuls der Vereinigten Staaten Herrn Wilh.
Köster jun. in Mannheim der Herr Josef F. Monaghan
Zum Vice- und Deputycousul daselbst ernannt worden ist,
wurde Letzterem das zur Ausübung der bezüglichen Funk-
tionen erforderliche Exequatur ertheilt. — An Stelle des auf
seinen Antrag entlassenen Consuls vr. Kellner ist der
Dr. woä. Max Stollreither zum deutschen Consul in
Bloemfontein (Oranje-Freistaat) ernannt worden.
o Karlsruhe, 12. April. (Fortsetzung des Berichts
Uber die 58. öffentliche Sitzung der 2. Kammer). Aus der
Discussion über die Errichtung einer Landesrealcredit-

kasse tragen wir noch Folgendes nach: Abg. Kriech le
legt in ausführlicher, von der gespannten Aufmerksamkeit
des Hauses gefolgten Rede die Gründe dar, welche für den
Antrag Burg (Uebergang zur Tagesordnung) sprechen, die
erhofften großen Vortheile würden nicht eintreten, im
Gegentheil. Warnt, die segensreiche Wirksamkeit der Spar-
kassen zu beeinträchtigen. Seine Kasse (Bonndorf) habe
schon über V, Million den betheiligten Gemeinden znfließen
lassen, das sei also auch der Landwirthschaft zu Gute ge-
kommen. Im Oberland gäben jetzt schon Stiftungs- und
Sparkassen Geld zn 3'/, —3VZ/». Es sprechen noch für
den Antrag Burg die Abgg. Friderich, Schneider und
Roder, für die Landescreditkasse Abg. Wittmer. Staats-
minister Turban: Die Regierung stehe der Frage objek-
tiv gegenüber. Freilich wäre für sie Uebergang zur Tages-
ordnung das bequemste. Sie sei jedoch bereit, wenn etwa
der Commissionsantrag durchdringen sollte, die Sache noch-
mals gründlich zu prüfen. Der Antrag Burg wird mit
29 gegen 15 St.,wie erwähnt, angenommen. Demnächst berichtet
Abg. Däublin über die Bitte des Vereins badischer
Rathschreibcr, um Verbesserung der Anstellungs- und Ein-
kommensverhältnisse. Antrag: Uebergang zur Tagesord-
nung. Abg. Grcther spricht für die Rathschreiber, welche
er als die Seele des Gemeindekörpers bezeichnet. Abg.
Nopp tritt dem entgegen, da es in einem Körper nur eine
Seele gäbe; was sei dann Bürgermeister und Gemeinderath,
wenn Grethers Behauptung richtig sei. Commissionsantrag
wird angenommen. Abg. v. Schmidsfeld berichtet über
die Bitte badischer Viehhändler um Aufhebung oder Ab-
änderung der Verordnung vom 26. Mai 1885. Commis-
siousantrag: Uebergang zur Tagesordnung mit der Bitte,
„die Regierung möge erwägen, ob nicht durch Vermittelung
der Reichsregierung und Erlaß einer einheitlichen seuchen-
polizeilichen Verordnung für alle Bundesstaaten eine Ueber-
wachung des Viehhandels im Inland und an den Reichs-
grenzen erreicht werden könnte." Wird angenommen. Abg.
Strube berichtet über die Bitte der Stadtgemeinde Meers-
burg um Wiederrichtung des Amtsgerichts dortselbst. Com-
missionsantrag: Uebergang zur Tagesordnung. Abg. v.
Schmidsfeld nimmt sich der Bittsteller an. Ministerial-
rath v. Jagemann tritt einer irrthümlichen Auffassung von
Schmidsfeld bezüglich einer Markdorfer Petition, die bereits am
18. Mai 1885 durch einen Erlaß ihre Erledigung gefunden
habe, entgegen. Der Commissionsantrag wird angenommen.
Abg. Mehr berichtet über die Bitte verschiedener Korpo-
rationen, den Gewerbebetrieb in Strafanstalten und das
Lehrlingswesen betreffend (Bestätigungsnachwcis, Innungen
u. s. w.) Die Petenten wenden sich zunächst gegen die
Verpachtung des Gewerbebetriebs; der Berichterstatter be-
merkt, daß die Petition von auswärts in unser Land ge-
kommen zu sein scheint, denn bei uns gibt es keine Pachtung,
sondern Selbstbetrieb, Regie. Ferner vergessen die Peten-
ten, daß manche ihrer Forderungen nur durch das Reich
gelöst werden dürfen. Im klebrigen beantragt die Com-
mission für die Petitionen im Hinblick auf die dem nächsten
Landtag vorzulegende kleingewerbliche Enquete Uebergang
zur Tagesordnung. Abg. Mays bedauert, daß die Regie-
rung ihre Absicht, obligatorische Gewerbekammern zu er-
richten, nicht schon verwirklicht habe, beklagt die um sich
greifende Zuchtlosigkeit der Lehrlinge. Man solle Aufsichts-

beamte schaffen. Abg. Iunghans nimmt alle sociale Fragen
ernst; es könne aber nur das Reich helfen. Abg. Roßhirt
bittet die Regierung, den Ackermannschen Anträgen ein
wohlwollenderes Auge im Bundesrath zuzuwenden. Präsi-
dent Lamey fordert den Redner auf, keine solche große
politische Controverse hier anzuregen, wo die Mehrheit
schwerlich mit ihm einer Ansicht sein dürfte. (Abg. Kiefer:
Nein!) Die Abgg. Schneider und Jäger wenden sich
gegen Mays. Obligatorische Gewerbekammern würden von
Vortheil nicht sein, bei Errichtung solcher würden sich die
intelligenten Leute, welche jetzt an der Spitze der Gewerbe-
vereine stehen, zurückziehen. Abg. Schneider bittet die
Regierung, wenn thunlich, den Schuhmachern aus der Um-
gebung Bruchsals die Konkurrenz der Strafanstalt aus dem
Wege zu schaffen. Ministerialrath v. Jage mann erklärt,
die Petenten befinden sich, wie der Berichterstatter schon
ganz lichtvoll hervorgehoben habe, hinsichtlich der Gefäng-
nißarbeitcn auf durchaus falschen Grundlagen, indem sie
von Pachtung sprechen, während wir Regie haben. Zu
Kulturarbeiten würden die Sträflinge schon lange thunlichst
verwendet. Halbarbeiten könne man dieselben nicht aus-
schließlich fertigen lassen, weil cs sich bei denselben auch
um Grundlegung zur künftigen Existenz handle. Von den
Armeelieferungen könnten die Sträflinge unmöglich auch nur
den 10. Thcil bewältigen. Staatsminister Turban erklärt
Mays, die Regierung habe den Gedanken an Gewcrbekammern
fallen lassen, nachdem die Mehrheit im betr. Ministerium
die Errichtung solcher als Sache des Reichs angesehen habe.
Aber abgesehen von dieser Frage könne das Erhoffte schon
aus Gründen nicht erreicht werden, die der Abg. Schneider
berührt habe. Man gebe sich bei diesem wie allen ähn-
lichen Vorschlägen Illusionen hin, dem Handwerk wieder
den goldenen Boden zu schaffen. Alle Wünsche der Pe-
tenten haben ja schon bestanden, haben aber nicht helfen
und nicht bessern können, ja theilweise hemmend gewirkt.
Die Leute wollen mit ihren tagtäglichen Petitionen daser-
reichen, was sie selbst nie besessen haben und was sie viel-
leicht glaubten, daß ihre Eltern es einmal besessen hätten.
Die Konkurrenz aber eigentlich ist es, was unsere Hand-
werker bildet; ihr Wunsch ist, diese Konkurrenz zu be-
schränken. Es wird aber immer der Tüchtige, Sparsame
und Erfahrene den Andern überholen und der nämliche
Zustand wie jetzt herrschen. Er glaube, es könne
viel gebessert werden, wenn die Handwerker an der Hand
der Gesetzgebung selbst sich vereinigen. Es herrsche aber
leider im Lande wenig Lust hierzu, einige Städte ausge-
nommen. In einer größeren badischen Stadt blühe be-
sonders die Fleischerinnung, auch stehen Gesellen und Lehr-
linge im guten Verhältnis! zu dem Meister, bei dem sie
wohnen. Die Regierung begünstige jede freie Innung,
ganz im Gegensatz zu gewissen Zeitungsmeldungen. Nach
einem Schlußwort des Berichterstatters wird der Commis-
sionsantrag angenommen.
Li Karlsruhe, 13. April. 59. öffentliche Sitzung der
2. Kammer. Vorsitzender: Präsident Lamey. Abg.
Grether berichtet für den abwesenden Abg. Vogelbach
über die Bitte von 30 Gemeinden, sowie einer größeren An-
zahl Industrieller aus dem Bregthal den Bau einer Brcg-
thalbahn betreffend und der Gemeinderäthe u. s. w. von
Villingen, Vöhrenbach, Furtwangen u. s. w., 'den Ba^

15)

Verlorene Ehre.
Roman von W. Höffer.
(Fortsetzung.)
Die Fenster flogen auf, — sogar der Nordostwind war
nicht kalt genug, um hinter der brennenden Stirn das
ebbende und fluchende Blut zur Ruhe zu bringen.
In dieses, gerade in dieses Haus mußte sie kommen!
Ein Grauen schlich durch ihre Adern. Gottlob! Wenig-
uens das hatte sie nicht gewollt!
Als damals der Bahnzug hielt, als sie im Hotel so
gnnz verlassen und hilflos ihre geringe Baarschaft über-
wählte, da galt es, vor allen Dingen schleunigst ein Unter-
^Mmen zu finden. Die Zeitungen boten das Mittel; man
'üchte eben für eine kränkliche Dame eine Gesellschafterin,
änd ohne weiteres Bedenken griff sie zu, nur darauf rech-
nend, für die spätere Ueberfahrt nach Südamerika das
Näthige Reiesgeld zu verdienen. Daß es jene Josephine
!°ar, an welche sich der Brief auf dem Grunde ihres Koffers
schmerzlich bittend wandte, daß es gerade die arg Be-
zogene war, deren Haus sich gastlich und unbefangen der
Nemden öffnete — wie furchtbar!
. Der Kopf des gequälten Mädchens sank schwer herab
.n die stützende Hand, Thränen, heiß und verzehrend, aus
Innerstem Herzen geweint, drängten gebieterisch hinauf in's
^Uge. Sollte sie fliehen, heute noch den Dienst kündigen
ihren Stab weiter setzen?
. Die alte Dame trauerte nach so vielen Jahren noch um
En Geliebten ihrer längst entschwundenen Jugend.
An einem Morgen war damals Ernst Herbst wie ge-

wöhnlich fortgegangen, um dann am Abend nicht zurück-
zukehren. Schreckliche, erste Nacht, während welcher noch
der Zorn die Oberhand behielt und langsam in Furcht
überging, schreckliche Tage und Wochen, in denen die arme
Verlassene immer noch horchte und bei jedem Laute erschrak,
zu jeder Poststunde am Fenster stand, Nachricht erwartend
von dem Geliebten, Verlorenen — immer vergebens, immer
tiefer hinein in das eilende Jahr, Monate lang, bis end-
lich dumpfes Ermatten Leib und Seele langsam überschlich
und der Gedanke an den Tod jeden anderen verdrängte.
Niemand erfuhr, was damals das trotzige Herz des
Mädchens litt; sie sprach von ihrem Verlust mit keinem
Menschen, sie duldete es nicht, bedauert zu werden. Nur
einmal, während schwerer Krankheit, mitten in der Nacht,
hatte ihre Schwester Gelegenheit gefunden, tief in das zer-
rissene Innere zu sehen. Da stand Josephine an dem
Fenster und hielt das neugeborene Kind, ihren Neffen, leise
schaukelnd im Arm, große Thränen fielen herab auf seine
Stirn, leise murmelten die Lippen ein Gebet — die kranke
Frau hörte jedes Wort.
»Gieb ihn mir wieder, allmächtiger Gott im Himmel,
und ich will Dir auf meinen Knieen danken! Höre mich,
ewige Macht, ich flehe Dich an, ich krümme mich vor Dir
im Staube! Ewiger Gott, ich rufe Dich, gieb ihn mir
wieder! Straf mich nicht so furchtbar hart, schließ' mich
nicht aus von Deinem Erbarmen, thue ein Wunder —
sprich mit mir, o großer, barmherziger Gott — sprich
mit mir!"
Aber die Antwort von oben, die millionenmal ersehnte,
blieb aus; nur der silberne Mond sah aus blauen Weiten

, herab auf das arme, gläubig flehende Menschenherz, und leise
rauschend flüsterten die Baumblätter geheimnißvolle Sprache.
Er hört nicht die ungeduldige Klage, der stumme Himmel
da oben, er antwortet nicht früher, als bis sich Groll und
Leidenschaft besänftigt haben zum leisen, stillergebenen: „Herr,
Dein Wille geschehe!" — dann erst kommt das unver-
gängliche Licht, und die Stürme schweigen auf immer.
Die arme Josephine verstand es nicht, ihren großen
Schmerz veredelnd und erzieherisch — des Erdenschmerzes
einzige Mission — auf sich wirken zu lassen; sie behielt
den Groll der unerfüllten Wünsche tief im gekränkten Herzen
und wurde mit den Jahren äußerlich immer härter und härter.
Vollkommen brav und ehrenwerth, lebte sie nur ihrer
Schwester und dem Heranwachsenden Neffen, aber ohne doch
die Beiden jemals zu beglücken; ihre Ordnung und Spar-
samkeit waren Pedanterie, ihre Herrschsucht kannte keine
Grenzen, obgleich sie selbst wahrscheinlich sehr erstaunt ge-
wesen wäre, das von irgend Jemand behaupten zu hören
— nur die schwarzen Kleider legre sie niemals wieder ab,
und als ihre Jugend dahingeschwunden war, kam eines
Tages auch die Wittwenhaube noch dazu. Ernst's
Andenken blieb ihr inmitten aller Prosa des Lebens ein
Cultus, und vielleicht heute noch zog sich wie ein Heller
Streif durch das Dunkel des Alltagtreibens halb unbewußt
die Hoffnung, vor dem Ende doch eine Botschaft von ihm,
sein letztes Grüßen, seinen Abschied noch zu erhalten. Es
war ja ein Zufall, irgend ein widriges Geschick, dem sie
erlegen. Josephine wartete still, — er konnte so unver-
söhnt nicht geschieden sein.
(Forts, folgt.)
 
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