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Heidelberger Zeitung — 1886 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52469#0465

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Für hies. Geschäfts
u. Privatanzeigen
bedeut, ermäßigt.
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^r. 108.

Mlnitlig, Le« 10. Mai

1886

Auf die „Heidelberger Zeitung" -Haupt-
lokal- und Kreisverkündigungsblatt
für den Kreis Heidelberg werden sirr die
Monate Mai und Juni
bei allen Postanstalren, den Briefträgern, vei den Trägern
in der Stadt, sowie bei der Expedition, lullere Neckar-
ftraße Nr. 21, Bestellungen angenommen.

* Politische Umschau.
Heidelberg, 10. Mai.
Heute findet bekanntlich die dritte Lesung der kirchen-
dolitischen Vorlage im preußischen Abgeordnetenhause
Üatt. Die Nordd. Allg. Ztg. wendet sich nun noch in letz-
ter Stunde an die nationallibcrale Partei mit der Mahnung,
doch für die Kirchenvorlage zu stimmen und sagt
dabei: Die wechselseitige Annäherung welche bei der
Polenfrage von beiden Seiten so lebhaft accentuirt worden
>s>ar, ist jetzt wieder paralysirt worden, und wenn die Frak-
tion sich über ihr Verhalten bei der dritten Lesung der
kirchenpolitischen Vorlage schlüssig zu machen hat, wird eben
to sehr der Widerspruch gegen ihre Taktik, welche aus der
Milte der eigenen Partei ihr entgegengetretcn ist, in Er-
wägung gezogen werden müssen, wie die Erwägungen der
Parlamentarischen Gruppirung. Nichts würde das Ansehen
Deutschlands nach Außen hin in mehr imponircnder Weise
begründen, als die Thatsache, daß alle Parteien die Hand
^r Beendigung eines Kampfes geboten haben, welcher bei
oller Berechtigung der getroffenen Maßnahmen doch für
Millionen unserer Mitbürger eine Zwangslage schuf, welche,
Wenn sie auch den deutschen Patriotismus nicht erstickte,
boch die Freudigkeit der Hingebung und die gemeinsamen
Interessen lähmte. —Die Führer der Nationalliberalen haben
la klar und unumwunden ausgesprochen, weßhalb sie der
Borlage nicht ihre Zustimmung geben können.
Ueber die Verhältnisse der bayerischen Cabinets-
kasse hört die Köln- Ztg. aus guter Quelle, daß der Ge-
danke, zu ihrer Regelung die Hilfe der Gesetzgebung in
Anspruch zu nehmen, nach dem Verhalten der Ultramon-
Uen der Zweiten Kammer als aufgegeben betrachtet werden
Wuß. Anderseits unterliegt es keinem Zweifel, daß —
wenn der König will — die Abwicklung des zur Zeit vor-
handenen Destcits auch ohne den Weg der Gesetzgebung
fficht bewerkstelligt werden könnte. Allerdings wären dabei
wesentliche Einschränkungen in den Neubauten und Er-
sparungen in verschiedenen Hofetats die Voraussetzung.
Schon das Aufgeben oder doch Vermindern der Sonder-
vorstellungen, welche im Verhältniß zu dem durch sie be-
reiteten Genuß ganz ungeheure Kosten verursacht haben,
würde wohlthuend schwer iü's Gewicht fallen. Es ist wohl
onzunehmen, daß die bayrischen Minister, welche in dieser
leidigen Angelegenheit seit Jahren durchaus solidarisch vor-
gegangen sind, als sie dem Könige über den beim Land-
tage vergeblich gemachten Versuch Bericht erstatteten, den
Weg auf's Neue angedeutet haben, selbstständig der Schwierig-
keiten Herr zu werden. Es bleibt jetzt abzuwarten, welchen
Eindruck der neue Bericht des Ministeriums an höchster
Stelle machen wird.
Die österreichische Regierung läßt durch die Polit.
Korr. ein Dementi jener Nachrichten verbreiten, welche an
k>ie Jnspectionsreise des Erzherzogs A l b r e ch t in Bosnien !
33) Verlorene Ehre.
Roman von W. Höffer.
(Fortsetzung.)
„Ich bin, so wahr es eine ewige Vergeltung gibt,
Vicht in dies Haus gekommen, um mir Vortheile irgend
welcher Art zu verschaffen!" rief sie im Tone schmerzvoll-
ster Wahrheit. „Ich nahm die Stellung der Gesellschaf-
terin der Frau Hartmann, wie ich jede andere genommen
haben würde, der äußersten Nothwendigkeit wegen und er-
Mr erst später, wohin mich das Schicksal geführt hatte.
Meine Absicht war cs nicht, den Brief und das Portrait,
so lange ich selbst mich hier befand, überhaupt in Ihre
Hände gelangen zu lassen, Fräulein Haberland — ich that
ss im Augenblick der Verzweiflung, aber nicht für mein
Interesse."
Ohne daß es Elisabeth ahnte, gewann gerade diese
Sprache die innigsten Sympathieen der alten Dame. Sie
liebte es, wenn es die Leute verstanden, ihre Selbstachtung
hoher zu schätzen, als den Vortheil.
_ „Was bedeutet das Alles?" fragte voll Erstaunen der
Doctor.
Elisabeth streckte ihm beide Hände entgegen; auf ihren
Zangen brannte die Röthe des Fiebers.
. „Ich kann nur so und nicht anders handeln, Julius —
sch bitte Dich um Gottes willen, hindere mich nicht, von
?wr fortzugchen — es ist für Dein Bestes, für den Frie-
ven Deiner Zukunft — es wäre ein Verbrechen gegen Dich,
Zollte ich bleiben."
Tante Josephine glaubte den Sinn dieser Worte voll- !

und der Herzegowina geknüpft wurden. Die Nachricht von
der beabsichtigten Reise des Kaisers in die Occupations-
gebiete ist bisher nicht dementirt worden.
Zwischen England und Italien werben die Ver-
handlungen über eine Action in Harrar noch fort-
gesetzt. Dem Versuche der englischen Blätter, jede Verant-
wortung für den Untergang der Expedition Porro von
England abzulehnen, tritt die Rasscgna erneut mit der Be-
hauptung entgegen, Major Hunter habe dem Grafen Porro
nicht gestattet, eine eigene gut ausgerüstete Escorte zu
bilden, sondern habe demselben verrätherisches Gesindel auf-
octroyirt, welches beim ersten Schüsse die Waffen gegen
Porro selbst kehrte.
In der griechischen Angelegenheit wird ge-
meldet, daß die Geschäftsträger der fünf Großmächte Ruß-
land, Oesterreich, Deutschland, Italien und England in
Athen eine gemeinsame Note überreicht haben, wonach
sie die Blockade über alle griechischen Häfen der Ostküste
erklären. Das internationale Geschwader in der Suda-
bucht wird nunmehr sofort Befehl erhalten, diese Blockade
für all- Häfen effektiv zu machen. Doch werden sicherem
Vernehmen nach von der Blockade nur griechische Schiffe,
nicht aber Fahrzeuge anderer Mächte betroffen werden.
Bezeichnend ist, daß Frankreich sich auch an diesem Schritte
wiederum nicht betheiligt hat. Uebrigens sei hervorgehoben,
daß die Geschäftsträger als solche von ihren Gesandten
vor deren Urlaubsantritt dem griechischen Ministerium des
Auswärtigen angemeldet worden sind.— In England wird
die Haltung Ruß lands für bcsorgnißerregend gehalten.
Die Times macht Rußland und Oesterreich für den Kriegs-
fall verantwortlich. Standard führt einen angeblichen
Ausspruch des Fürsten Bismarck an, daß jüngst ein kalter
Wind von Norden über Athen wehe. Alle Blätter befür-
worten äußerste Energie, besonders Daily News, welche
unerwarteter Weise einen Angriffskrieg der Türken gegen
Griechenland im Falle der Ohnmacht der Mächte für ge-
rechtfertigt erklärt. Das Gerücht, daß Lord Roseberys
Energie durch den Widerstand verschiedener Cabinetsmit-
glieder gelähmt werde, findet in conservativen Kreisen
Glauben. — In der griechischen Presse wird die Hal-
tung der fünf Großmächte heftig getadelt, welche
weniger den Frieden wollen, als die Demüthigung Griechen-
lands. Das Gerücht, daß Delyannis zurücktreten
werde, soll unbegründet sein. Nachrichten von der Grenze
besagen, die türkischen Vorposten hätten sich landeinwärts
zurückgezogen.
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 8. Mai. (Amtlich.) Seine Königliche
Hoheit der Großherzog haben dem Rechtsanwalt Dr. gur.
Rudolf Bartsch in Konstantinopel die nachgesuchte
Erlaubniß zur Annahme und zum Tragen des ihm
von Seiner Majestät dem Sultan verliehenen Kaiserlich
Ottomanischen Osmaniä-Ordens III. Klasse verliehen.
Karlsruhe, 8. Mai. Das Gesetzes- und Verordnungs-
blatt für das Großherzogthum Baden Nr. 21 vom 7.
Mai enthält:
Das Gesetz, die Ausübung und den Schutz der Fischerei betr.,
und eine Verordnung des Ministeriums des Innern, über die
Organisation der Bezirksstcllen der Wasser- und Straßenbauver-
waltung betreffend.— Gleichzeitig ist die Nr. 22 desselben Gesetzes-
! und Verordnungsblattes mit der Publikation des Gesetzes, die
kommen zu verstehen; ein mildes, freundliches Lächeln über-
flog ihr Gesicht.
„Und wenn ich selbst — ich selbst Dich bitte, hier zu
bleiben, liebe Elisabeth?" sagte sie leise, mit klopfendem
Herzen. „Vielleicht sehe ich seit diesem Morgen so Manches
in anderem, besserem Lichte — vielleicht sollte man die Zu-
kunft immer nur Gott überlassen, anstatt thätig eingreifen
und lenken und bestimmen zu wollen. Bleib', ich bitte Dich,
Lisa, und wenn Du es vermagst, so sieh in niir eine mütter-
liche Freundin, eine viel ältere Schwester, die sich treulich
bemühen wird, Dein Glück zu sichern und zu fördern. Ja,
Dein Glück — es hieße dann, wie es wolle. Bist du
nun zufrieden?"
Aber Elisabeth schüttelte nur verneinend den Kopf.
„Ich bin nicht gekommen, um den Unfrieden in dies
Haus zu tragen," erwiderte sie schaudernd.
Tante Josephine erhob sich und küßte die Stirn ihrer
Schutzbefohlenen.
„Sprecht Euch gegen einander aus, Kinder," sagte sie
freundlich, obwohl diese Worte allein dem jungen Mann
zu gelten schienen. „Das wird am ersten zum Ziele führen."
Tante Josephine ging hinaus, tapfer den Schmerz be-
kämpfend, der ihr Inneres zerriß. Was sie dachte, war
nur Eines: „Diese wenigstens sollen mich nicht anklagen!"
Und während nun oben am Bette der Kranken die bei-
den alten Schwestern alle diese aufregenden und inhalt-
schweren Einzelheiten austauschten, saßen im Besuchszimmer
die beiden jungen Leute Hand in Hand, und Elisabeth
mußte wiederholen, was sie früher der Tante mitgetheilt
hatte, dieses Mal jedoch, indem sich ihre Seele empörte

Abänderung der Städteordnung bezüglich der Aufbringung des
Gemeindeaufwandes betreffend, erschienen. Auf 1. Juni d. Js.
sind zwei weitere Wasser- und Straße nbauinspektio-
ne» mit dem Sitz in Bonndorf und Sinsheim zu errichten und
der Wasser- und Straßenbauinspektion Boundorf die Amtsbezirke
Bonndorf und St. Blasien, der Wasser- und Straßeiibauinspektioir
Sinsheim die Amtsbezirke Sinsheim, Eppingen und Wiesloch
zuzutheilen.
Nr. 23 vom 8. Mai enthält:
Das Gesetz über die Abänderung der Gemeindeordnung bezüg-
lich der Aufbringung des Gemeindcaufwauds vom 2. Mai d. I.
Karlsruhe, 8. Mai. Die Rekonvalescenz Seiner
Königl. Hoheit des Erb groß Herzogs nahm in der abge-
laufenen Woche ihren ungestörten und erfreulichen Fort-
gang. Schlaf, Appetit und Allgemeinbefinden sind sehr
gut und konnten Seine Königliche Hoheit an jedem der
drei letzten Tage mehrere Stunden auf dem Ruhebett außer-
halb des Krankenzimmers zubringen. Dr. Tenncr.
Berlin, 8. Mai. Kaiser Wilhelm hatte sich heute
nach Potsdam begeben, um das erste Garde-Regiment bei
Bornstedt zu inspiciren. — Die Besserung im Befinden
des Grafen Herbert Bismarck schreitet fort. Sobald
Graf Herbert wieder hergestellt ist, und wärmere Witterung
eintritt, wird sich die Familie Bismarck nach Friedrichs-
ruh begeben. — In hiesigen Hofkreisen ist die Neuigkeit
des Tages die vorgestern in Schloß Marly zu Potsdam
vollzogene Verlobung des Flügeladjutanten des Kaisers, des
Prinzen Heinrich XVIII. Reuß j. L. mit der Herzogin
Charlotte von Mecklenburg-Schwerin. Prinz Hein-
rich XVIII. ist am II. Mai 1847 geboren und seit Januar
1884 Flügeladjutant des Kaisers. Herzogin Charlotte,
ist geboren am 7. November 1868. Der Prinz, der mit
seiner Braut bereits vorgestern Abend die Glückwünsche
beider Majestäten empfing, hat sich gestern zu dem Kron-
prinzen nach Homburg begeben, um demselben die Meldung
seiner stattgehabten Verlobung persönlich zu überbringen.
— Die Kreuzzeitung nennt das französische Spione n-
gesetz eine Ruchlosigkeit sondergleichen, welche das
Maß deutscher Geduld auf eine hohe Spannung bringen
muß. — Nach amtlicher Feststellung hat bei der Ersatz-
wahl eines Reichstagsabgeordneten für den Wahlkreis Sens-
burg-Ortelsburg Freiherr v. Mirbach (conservativ) 6707
von 6832 abgegeben Stimmen erhalten.
Kaiserslautern, 9. Mai. Heute wurde in Land-
stuhl eine nationalliberale Versammlung abgehalten,
welche sehr zahlreich besucht war. Reichstagsabgeordneter
Buhl entwickelte in einem einstündigen Vortrag seine An-
sichten über die neue Branntweinsteuer, zu welcher
sich derselbe sehr reservirt aussprach, sowie über die
Zuckersteuer und begründete seine Abstimmung über das
Socialistengeseh; schließlich legte derselbe die Durch-
führbarkeit der Unfallversicherung dar. Falls die
neue Branntweinsteuer-Vorlage Gesetz wird, befürwortet
Buhl die Errichtung einer Rectifikationsanstalt für die West-
pfalz mit Staatsunterstützung. Die Zuckersteuer werde nur
eine momentane Steigerung, nicht aber eine dauernd sichere
bewirken. Die Unfallversicherung für die pfälzische Land-
wirthschaft werde dem Landrath übertragen und die Beiträge
durch Grundsteuerzuschläge erhoben werden.
Stuttgart, 8. Mai. Es ist wohl nicht überflüssig zu
betonen, schreibt man dem Frkf. Journ. von hier, daß die
Haltung der natio nal liberal en Partei im preußischen
Abgeordnetenhause angesichts des Kirchengesetzcs auch bei uns
gegen den arglosen Betrug. Von dieser Stunde an gab
eS bis zum Ende für sie nur noch eine einzige Art der
Rettung mit Erfolg und Absicht den geliebten Mann zu
hintergehen.
Wenn es gelang ihn zu täuschen, dann war sie sicher.
Julius hatte den Wechsel und alle Sorgen der letzten
vierundzwanzig Stunden vergessen.
„Jetzt bist Du mein!" wiederholte er fortwährend.
„Ich denke nicht daran, Dich freizugeben. Du tapferes
Herz. Man kann auch den Stolz übertreiben, weißt Du
das wohl?"
Was sie litt, schildert keine Feder.
Am andern Morgen schien Alles wieder im äußerlich
ruhigen Geleise, nur Julius empfand die Nothwendigkeit,
seiner Tante unter vier Augen zu danken, er schob aber
diese Zusammenkunft widerstrebend so lange als möglich
hinaus und empfing sehr zufrieden gegen 9 Ahr die ersten
Patienten, welche ihn nun auf Stunden an das Besuchs-
zimmer fesselten. Was sollte er der Tante sagen? Zwi-
schen ihm und ihr war doch kein Ausgleich möglich.
Nachdem der letzte Kranke getröstet die Thür hinter sich
geschlossen, klopfte es; Fräulein Haberland stand auf der
Schwelle. Sie suchte seinen Blick, ihre Hand streckte sich
ihm, Versöhnung bringend, entgegen.
„Wollen wir wieder gute Freunde werden, Julius?"
Jähe Röthe flog über sein hübsches Gesicht. War
das Tante Josephine, die immer tadelte, immer dominireu
wollte?
(Forts, folgt.)
 
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