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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203-228 (01. September 1902 - 30. September 1902)
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Ticnstag, 30. ScPlcmbcr 1902

Erftes Blatt.

44. JahiMg.

— 228.

Erscheint täglich SonntagS ansgmommen. Preis mit Kamilienbiättern monatlich 50 Psg. in's HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 4V Pfg. Durch dic Post de-

zogen vierteljährltch 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

B nz ei g e npr ei s: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Psg. Für biefigc Geschästs- und Privatvnzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigcn an bestimmt
v orgeschriedenen Tagen wird ketne Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate cuf den Plakattafetn der Heidelderger Zeitung und dcn städl. Anfchlagstcllen. Ferusprech-Anschlnß b?r. 82

ßmii Zola 1-. z

P a r i s, 20. Sepl. Der Romanschriftstellcr Emile '
Zola wurde ui seiuer Wohuuug tot aufgcfunden. Er sei
infolge eincs lluglüctSfallS gcstorv-u. Seinc Frau ist schwer I
crlrautt. l

Ein Pariscr Lclcgramm, um 5 Uhr nachmirrags eiuge- '
rroffeu, mcldcr fcrucr: Ucber die nahcrcu Umsrüude des Lodes >
Zolas schwcür nefcs Duukel, so dasz mau an cinen Uuglücksfall >
dcnkeu kanu, nuhrcnd audercrscirs dcr Gcdaukc au Selüfrmord z
uichr adzuwcisen isr. Zola uud seiuc Krau waren jetzt in ihr
Haus iu dcr Ruc de Bruxelles zurückgekchrt. Äcgcn 10 Uhr s
degadcn fich Zota und Frau zur Ruhc. Hcutc Vormittag >
klopfteu Ärbeircr, die in dem Schlafzimmcr Rcparaturen vor- i
uchmcu folltcu, ohne Anttvort zu crhalten, an dre Thür des !
Schlafzünmcrs. Als sie dic Thür schliefzlich erbracheii, faNdcrr s
fic Zola mir dcm Uopf nnd den Schultern auf dcm Bvrtteppich j
liegcn, Frau Zola mar bewutztlos. Alsdald erschicn ein
Polizeikommisfär, dcr cs als uuvcrftändlich erklärte, datz eine
Ersrickung infolge vonÄohlengas bci ciucmKamin, dcr ununter- ,
brochcu Luftzug habc, vorkommcu könne. Zudcm Vcmerkte I
er, datz zwci am Boden des Zimmcrs liegenide kleine Hunde !
kcincrlci Schadcn gcnommcn zu häbcu schcincu.

Emil Zola war am 2. April 1840 in Paris als sohn
cines italicnisckfcu Jngcnicurs, der dcn Bau des „Kanal Zola"
in dcr Provcnce lcitete, gcborcn, besuchtc scir 1858 das Lycee

„Berite" socben in Frankreich erscheint und auch in dcutschcr
Uebersetzung bereits angekündigt ist, wird in dcr ganzen
Welt lcwhaftes Mitgefühl erwecken. Zola hatte am 2. April
dicses Jahrcs sein 62. Lebensjahr vollendet.

Deutsches RciH.

Leipzig, 28. Lept. Teutscher HauüwerkS- und
GewLrbetammertag. (Schluß.) Iu uameutlicher uach
Kammern vorgenommener Abstimmung wurde gestern
mit 36 gegeu 26 Stimmen folgender Autrag augeuom-
men: Paragraph 100 q der Reichsgewerbeordnung, dcr
bisher lautet: „Die Jnnung darf ihre Mitglieder in der
Festsetzung der Preise ihrer Waren oder Leistnngen oder
in der Aunahme vou Kunden nicht beschränken", möge
solgende Fassung erhälten: „Die Jmmng 'darf ihre Mit-
glieder in der Festsetzimg der Preise ihrer Waren oder
Leistnngen nur iusoweit beschränken und überwachen, aks
Hunde ! es derselben überlassen ist, für gleichmäßige Waren oder
s Leistungeu 'Miudestpreise oder LohNsätze festzustellen.
Terartige Beschlüsse imterliegen der Genehmignng der
Anfsichtsbehörde. Tiese kann veranlasscn, daß

^ ^ ^ . ...... , - bei Jimimgen, deren Bezirk sich über mehrere

LmM m Paris uw rrat cann, um uch dcm L uchhanvcl zu . G^^oinden erstreckt, die Festsebung für jede Gemeinde

widmcn, m vas Gc,chafr von pachetre cin. >--eine Mutzestundcn - „ Ks,

zu schriftstcllerifchcn Arbeitcn bcmitzcnd, schricb cr littcrarische gciottreit crfitgt. Als ^.rt fur rtt. .llhaltuug s ^ )-
und rhcarralifche Aririken für verschiedene Zeitschriftcn und ver- > sten Handmerts- imd OiMerbetaimnertages wurde Mun-

snchrc fich vald auch auf dcm Gcbicte des Romans mit: „Lcs i chen gewahlt uud die Veriammümg darauf geschlossen.

mysrcrcs dc Marseille" mrd „Le vocu düme morte". Mehr Bc- k — Kron prinz F.ried ich Auguft.vo» Sachsen

mysteves de Marseille

achtung als dicsc Wcrkc fanden schon scinc „Contes a Ninon" ^
(1864) und bi-e „Confession de Claude" (1885), Währcird »
„Thcrcsc Raquin" (1867) 'die Richtung des Autors sowic sein t
Lalcnr, die Nachtseitcn der mcnschlichcn Natur mit grausamer
Währhcir zu schitdern, unzwcifelhaft vckunüctc. Nachdcm cr
darauf „Madcleine Ferat" (1868), einc Ttudie über die Fa-
'ralitär dcr crcrbtcn Anlagcn, glcichsam als Vorspiel voraus-
gcschickt, 'begann cr seinen berühmtcn, dasselbe Thcma in aus-
gcführtcrcr Weise beoandclndcn Romancyklus „Les Rougon-
Macquart", dcn cr sclbst als die „psychologisch-soziale Gb-
schichle ciner Familie untcr dcm zweiten Kaiserreich" bezeich- i
ncr. Dersetbe nmfatzt 20 Bände. Vom „Assommoir" an er- >
lebren alle Romcmc dcr Serie erstamilichc Auflagen, die stärk

dcr, wie gemeldct, nm 24. d. Ws. in dcr säctisischen Armee
zum General der Jnfanterie befördert worden ist, ist an
demselben Tage auch in der preußischen Armee, in der er
st la snits des Garde-Schützenbataillons geführt wird, und
! in der Marine-Jnfanterie, in der er ä. Ia snits des 1.
- Seebataillons steht, zum General der Jnfanterie aufgerückt.
i Generalleutnant war er seit dem 22. Mai 1898. Der
s Kronprinz von Sachsen ist, wie die „Nordd. Allg. Ztg."

? bemerkt, dem Offizicrdienstalter nach der jüngste General
> der prcußischen Arme?; er ist am 25. Juli 1877 einge-
j ireten. Nach ihm sind die jüngsten Generale Prinz Friedrich

stcn der ebcn gcnannte (300 000 Exemptarc), „Nana", nicht i dcr seit 14 November 1875 und der Grbarok-

mindcr begehrt mid „La Tcrre", 150 000 Excmplare in 18 j "opold, vcr seil 14. 2 ovemoer I8ic>, uno oer Crogwß-

Monatcn. Ilcbcr dcn lcitcndcn Gcdankcii, der durch bas Wcrk ) berzog v on Baden. der feit 9. ^zllii 1875 Offiz.er ifi. A.as

hinburchgchcu soll, spricht sich Zola in dcr Vorrcdc zum ersten
Bcmb sclbst aus. Er wolle, sagt cr, durch Lösung der doppel- 1
tcn Fragc dcs angvborenen Tcmpcraments und bcr umgebcnden j
Wclt dcn Fadcn zn verfolgen suchen. dcr mit mathematischcr j
Gcnauigkeit von einem Menschen zum andern führe. Wie j
dic Schwcrkraft, so habc auch die Erblichkeit ihre bestimmt'en s
Gcsctzc. Die Art, wic Zola dicse Aiisgabe gclost, hat ihm j
cbcnso hestige Angriffc wie unbegrenzte Bcivunderung cinge- j
tragcn und ihn icdcnfalls als Chorführcr der Naturalistcn lcgi- j
timicrt. Der Kritiker Zola, dcr sür den „Voltaire", den t
„Figaro" nnd den in Moskau erschemenden „Europäischen
Botcn" schrieb, solange der Roman thm rtn rcichlichcs Aus-
kommen bot, zcichnete sich durch Berstaudesschärfc, aber auch
durch Einscitigkeit aus, wic es von idem Schriftsteller nichi
andcrs zn cvwarten ist, der das Wort Thiers': „Dic Repichlik
Ivird konservativ scin, äder sic Ivird nicht scin", abgcändert

das Lebensalter angeht, so ist Prinz Fricdrich Lcopold bon
Preußen der jüngste, denn er ist am 14. November 1865
geboren. Beinahe sechs Monaie älter ist der Kronprinz von
Sachsen, der am 25. Mui 1865 geborcn ist. Der Erb-
großherzog von Baden endlich ist am 9. Juli 1857
geboren.

Bade».

— Bes 11 ch ües Gr 0 ßherz 0 gs vou Bade >1
iii der D ü s seldvrfer A usstel 1 u >1 g. Zum Em-
pfauge des Großherzogs Friedrich von Badcu, der heute
Vormtttag zum Besuche der Ausstellung cintrtfft uud
auch uoch am Niittwoch iu der 'stadt verweilen wird, hat
sich ein großer Bürgerausschuß gebitdet, der für eine

hattc in: „Dic Rcpublik wivd uaturalistisch scin, oder sie wird j wüvdige Äusschmückung der Stadt zu Ehren des greisen

»icht sein." Als Zola sein Hauptwcrk, dir' Gcschichte der „Rou
lWn-Macquart", pollcndct hattc, mitcruahm cr eine Städtc-
trilogic: „Lourdcs", „Rom", „Paris" (1894 bis 1898).
Zolas Eingrcifcn in dcn DreyfiiAhandcl im Anschlntz an scin
Wort „la verite est en marche" ist noch in frischcr Erinnerrmg.
Cr wurde infolgcdcsscn aus dcr Listc dcr Ehrcnlcgion gestrichen.
Dcr Tod dcs gcseierten Schriftstellcrs, bcss-en neuester Rormm

s Heerführers worge tragen wird. Der Großherzog wird
' am Dienstag nm 10 llhr 41 Minuten anf dem Haupt-
'bahnhof eintresfen, durch die Graf Adolfstraße und die
Haroldstraße znm Rhein und voraussichtlich zu schiff
zur Ausslellung fahren. Es werden keinerlei Absperrnn-
gen vorgenommen werden nnd der Zutritt zur Äusstel-

lung steht zum getvöhnlichen Eintrittspreis jedermann
frei.

Aus der Karlsruher Zeitung

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haüen
dem Expeditor beim Ätinisterium des Grotzh. Hauses uud der
auswartigen Augelegenheiteii, Kanzleirat Karl G a n tz, das
Ritter'kreuz crstcr Klasse mit Eichenlaub des Ovdens vom
Zähringer Löwen verliehen, den Kanzleirat Karl Gantz auf
sein Ansuchen wegcn vorgerückten Alters unter Anerkenuung
seiner langjährigcn und trcugeleisteten Dienste zum 1. Okto-
ber diescs Jähres in den Ruhestand versetzt und den Kanzlei-
sekretär Christoph UhI mit Wirkung bom gleichen Tagc zum
Expe'ditor beim Ministerium des Grotzh. Hauses und dcr a»s-
wättigen Angelegenheiten erüannt, dem Militäroberpfarrer
a. D. Kirchenrat Fingad 0 in Karlsruhe die nachgesuchte
Erlaubnis zur Auna'hme und znm Tragen dcs ihm von Seiiier
Masestät dcm Kaiser vcrliehenen Königlich Preutzischen
Kronen-Ordeus zweitcr Klasse, dem Hofosfizianteu Philipp
Schilling in Karlsruhc die nachgesuchte Erlaubnis zur
Annnahme und znm Trage» t/S -hm von Seiner Majestät dem

1 König Vvn Sachsen verliehenen Alürechtskrenzes und dem Hof-
j lakaien Anton V 0 gt daselbst die gleiche Erlaubnis für das
: Allgcmcine Ehrenzeichen crteilt, den Postsekretär Zimmer-

m a n n aus Ballrechten 'zum Oberpostsekretär bei dem Post-
amte in Freiburg ernannt.

— Mt Entschlietznng des MmisteriumS des Grotzh. Hau-
ses nnd der auswärtigen Angelegenheiten vom 23. Septembcr
dieses Jahres wnrde Postpraktikant Josef Schö'nle mis
Kehl als solcher etatmäßig angestellt.

Karlsruhc, 29. Sept. Am Donncrstag, den 25.
September, nachmittags qec,en 2 llhr, verließ Seine König-
liche Hoheit der Großherzog Schloß Mninau, nm nach
Straßburg i. E. zu fahren, wo die Anknnit nach 7 I!hr
erfolgte. Am Bahnhos daselbst waren zum Empfang
anwesend der Kaistrliche Statthalter Fürst zu Hohenlohc-
Langenburg, der Gouvernenr und der Kommandant dcr
Festnng, sowie dcr Polizeipräsident. Der Großherzog nahm
im Statthalter-Palais Wohnnng. Derselbe wohnte am
26. der Uebung der zum XV. Ärmeekorps gchörcndcn 31.
Division bei Ober- nnd Niederehnheim bei und kchrte gegen
3 Uhr wieder nach Straßbnrg znrück. Ani 27. September
begab sich der Großherzog um halb 6 Uhr früh nach der
boin markierten Feind besetztcn befestigten Stellnng bei
Grieshcim, sndwestlich von Straßbnrg, ans welche die
genannte Division einen Angriff ausführte. Nach Schlnß
dcr Uebnng sprnch der Großherzog seine höchste Befriedigung
über den Zustand nnd die Leistnngen der Trnppen ans.
Am Mittag desselben Tages fuhr derselbe nach Karls-
ruhe und trastdajelbst um '/^2 Uhr ein. Der Erbgroßhcrzog
ist am 24! abends von Schloß Mainau nach Coblenz
znrückgereist. Die Großhcrzogtn, welche sich zn cincnl
kurzen Aufenthalt in die Schweiz begebcn hat, wird am
Mittwoch, den 1. Oktobcr, abends, auf Schloß Mainau
zurück sein.

Karlsruhe, 29. Sept. Seine Königliche Hoheit
der Großherzog traf am Samstag, den 27., nachmittags

2 Uhr, hier ein. Von 3 Uhr ab hörte Seine Königliche
Hoheit den Vortrag des Generalleutnants und General-
adjutanten von Müller und von 5 bis 8 Uhr denjenigen
des Präsidenten Dr. Nicolai. Am gestrigen Sonntag
nahm der Großherzog von halb 10 Uhr an den Vortrag
des Geheimerats Tr. Freiherrn von Babo entgegen und

Sladlttzeiler.

Heidelberg, 30. Sept.

„Die Stützen der G e s e l l s cha f t". Schauspiel
don Henrik J b s e n.

Ll'onsul Bcrnicks Schuld und Sülhne, dcr Gegcnstanld eines
dcr am besten gckannten Dramcn Jbsens, blieb in der geftrigen
^arstellnng nicht ohne nachhaltige Wirkung. Hier ist noch nicht
der greise Jbsen, hicr scheint noch die Kritik der gesellschastlichen
Moral im Mittclpnnkr zu stehen, >die grohc Frage der Psycho-
wgie des komplizierteu Jndivi'dunms hier erst gestreift zu
Ä>(bden. Bernick, der in Paris und London die Freiheit ge-
jostei, fügt sich nur schwer in die Gcwbhnhciten dcr kleinen
'st'tädt. Scine dnnkle Stundc war, da er den Umstand, daß
dnnkler Verdacht auf scincm Schwager rnhte, zu seinem
^atcriellcn Votteil, besscr gesagt zu seiner ökonomischen 'Ret-
syNg ansnntzte; übevdies gab er das Mädchen auf, ldas rhn
(stbte, schlotz eine Geldhc'irat nnd stieg auf zu Reichtum und
?iacht. Und doch er, der eine Stntzc dcr Gesellschaft ist, der
I°.ganz ein Kinö dieses Milieus ciner kleinlichen, heuchlettschen,
ÄPden Klernstadtbourgeoisie erscheint, er liegt im Kampfe mrt
'Aner Umwelt: „Du'kannst nicht begreifcn", klagt er, „wie
Wffanr jch bin in dieser verkttippelten Gesellschast." Wie John
^abriel Bvrkmann hött er >das Erz klingcn rn den Bergen,
hinmis dringen wrll in die Welt, Muskcln abbeiten, Schlote
Esnpfen, Räder rollen zu machen. >Er fnhlt Mut in sich zn
Ahirem Fleiß. Jn grotzen Untcrnehmungen nrrr kann serne
^ tt'enskrast erstarken. Doch jeder Schritt wivd ihm bekrrttekt
s//hicser dnmpfen Welt, deren Wiiderstand er zu brcchen ber-
s.^ht dadurch, datz er ihr etwas vorheuchelt; se mehr er äntzer-
s,P äls ein Sklave der Konvention erscheint, desto sicherer
tsbhlt cx ssch Macht über die Gemütcr und die Geschäste.

Lst kehrcn die zurück, 'deren Aechtung durch die Gcsellschaft
^. cigcnnntzig dnldetc, ja unterstützte nnd da geschicht es, datz
^.. Nrl, naK schwierigcn Kttsen dazu anfrasft, den Grnnd der
Wc zn vcrlassen. auf dem er seinen prächtigcn Ban weiier auf-

führen wollte. Wie Doktor Stockmann befreit er sich in einer

grotzen Nedc an seinc Mirbürger von allem, was seine Seele
in Banden hielt: Aufhören sollen dre klcinlichen Rücksichten,
ledrglich die Sache und die Wahrheit sollen fürder gelten. Es
scheint, als ob in Bernicks Gestalt znm erstenmale dic Züge
vorgebildet sind, die in Borkmann zu voller Klarheit nnd
Rcife sich entwickelt haben; und >wie es sich verlohnt, Bernick
mit Borkmann zn vergleichen, so mag mmr sich auch bei Bcttach-
tung seiner Person den Saccard aus dem großartigen Romari
„L'Argent" des gestern verschiedenen Mcrste-rs Emile Zola ins
Gedächtnis znrückru-fen. Es sind vielleicht keine besscven
Symbole für eine Hauptströnrung unsever Zeit gcfunden wor-
den als diese drei dichterischen Gestalten.

Es war ei» gutes Wiedcrsehen, >das wir gestern m!t Hernr
Sigl seiertcn. Er hob seine Darstellung durch dre Encrgie
seiner Kimstübung weit über alle anderen Darbietungen des
Mends hinaus, die Schärfe und Konsequenz seiner Auffassnng
mögen sich Darsteller der bekanntesten Bühnen znm Muster
nehmen, nnd sie werden nrcht schlecht dabei sahren. Bcsonders
mntzte als durchaus richtig anerkannt wevden, daß Hcrr Sigl
bon vornherein dem Bernick eine gowisse düsterflackcrnde Unruhe
gab. Zu der ganzen Leistung darf stch unsere Birhne Glück
wünschen. Die andcren Darbietungen waren unglerch cm Wert.
Gegen die Szcnen, -d!e Herr Sigl m!t Herrn Fcldner
(Schiffsbaumcister) oder mit Herrn Grotzmann (Hil-
mar) nnd Fränlein Bogel (Betty) zn svielen hattc, gab
es einsach nichts einzuwettden. Herr Grotzmann übertricb
die Dhovheit des Schwachkopfs Hilmer, der sich so sehr nach
Nerbenerschütternngen sehnt, nicht, unld Hcrr Feldner war
schlicht imd Ivahr. Jn Fränlein Vogel scheint dem Ver-
baNde unserer Bühne cine tüchtige, zuverlässigc Kraft gewon-
nen zu sein. Mit sehr shmpathischev ErsKeinnng vcrbindet
sie die Borzüge eines angenehmen Organs nnd einer grotzen
Decenz nnd Klngheit der Rede. Wie schmerzlich dicse ver-
mitzt wevden kann, mutzten tvir gestern an der Lona dcs Frln.
Hohenau erfahren. Die Gcstalt drescr burschikosen, gnt-

mütigen Frau vetträgt anf der Bühne auch nicht dic geringste
Spur eines absichtlichen Ilnterstreichens der Worte ohne direkt
störend zu wttken. Wie beschwerlrch ist der Weg, bis man
es so weit gebracht hat, ein paar schlichte Wotte schlicht und
herzlich sagcn zu könncn. Untcr diesem Gesichtspunkt erscheint
dic Talentprobe, die Fräulein Olden als Bernicks Schwestcv
gab — diese Schwester erinnert in hohem Grade an Bork-
manns Ella Rentheim — sehr ersreulich un>d beachtenswett.
Die Dina Dorsf des Fräulcin Hartmann bettrhtte des-
gleichen nicht nnsympathisch. Recht gut saiid- sich anch Fräulein
Frscher mil dcr Rolle der klatschsüchtigen Frau Rummel
ab. Ein klein wenig gezwnngen crschien der junge Olaf des
Fräulein B a n e r. Herr H 0 l st e i n säh als Johann recht
gut ans, gab sich natürlich, nahm sich mit der Sprache tn Acht
und lietz anch hinsichtlich dcr Haltung nichts zu wünschen
ubrig. Herr Schneider stattete den Kaufmaim Rnm-
mel mit den vollen Brnsttönen seines kräftigen Organs ans.
Mit gntcm Erfolg spielte Hcrr Brandt dcn Hilfspredigcr
Rohrland, den Vorsltzendcn des Bereins für die moralisch Ver-
dorbenen. Die Rcgie lictz in keincr Weise zu wünschen übrig.
Sie lag in den Händen des Herrn Sigl. K. IV.

Töeater- nnd Kunknachrkchten.

-tz Heidclbcrq, 30. Sept. Morgen, Mittwoch, qelangt däs
intereffante Schanspiel von Felix Philippi „Das Erbc" zur
Aufführimg mit den Damen Hohena» nnd Vogel imd den
Herren Sigl, Brandt, Eckhof, Feldner, Brenner, Gratzmarm,
Malten, Kallenberge'r, Körner, Reitz und Wagncr in den
Hauptrollen.

— An Bebel. Privatsache siäd, hictz es oft schon, — Der
Alkohol und die Religion. — Nnn füg', datz ihrer es werden
drei, — Jch bitt' dich, Bebel, die Liebe bet. — Eine Sozial-
demokratin. (Kladd.)
 
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