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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.11498#1040
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nicht ab, sonderil er wiedcrholtc sie aus dein Gedächtnis;
doch sttzt sie noch nicht sesch und jo gab es häufige und
manchmal recht beängstigende Pausen. Was Herr Mi-
chaely über eine gesunde Mittelstandspolitik bortrug, das
hat der Kandidat der nationallib. Partei, Herr Beck, nicht
nur schon lange zuvor und besser gesagt, sondern auch prak-
tisch als Parlamentarier betätigt. Außerdem beschränkte
sich Herr Mchaely darauf, einige leitende -Gesichtspunkte
vorzuführen, während unser Kandidat iiberall aus den
Boden der Wirklichkeit tritt und die schwebenden Fragen
nach ihrer gesetzgeberischen, politischen und sonstigen Be-
deutung sachlich bespricht. Dann mußte es jedern Zuhörer
ausfallcn, daß Herr Michaely wohl über das nationale
deutsche Wirtschaftsleben sich äußert, daß er aber für das
nationale deutsche Geistesleben keinen Ton übrig hat, und
dieses in einer Zeit, da Zentrum Trumpf ist, in der Zeit
der Lex Heinze, des Schachers um den Paragraph 2 des
Jesuitengesetzes und des Trierer Schulstreites, also in einer
Zeit, da der Wähler das dringende Verlangen hegt, ein
männliches deutsches Wort zu Gunsten der deutschen Gei-
steskultur zu hören. Aufgefallen ist dann noch an der Rede
des Herrn Michaely, daß er behauptete, der Bund der Land-
wirte wolle nicht eine weitere Parteizersplitterung herbei-
führen. Wie Herr Michaely dieses heute noch sagen kann,
ist eigentlich unbegreiflich, wo man doch sieht, wie der Bund
der Landwirte bestrebt ist, durch Aufstellung eigener Kan-
didaturen sich Politisch zu betätigen und von anderen Par-
teien, insbesondere auch von der nat.-Iib. Partei, Wähler
abzusplittern. Nach Herrn Michaely trat der Reichstagsab-
geordnete und wiederaufgestellte Reichstagskandidat sür
den 13. badischen Reichstagswahlkreis, Herr Lucke aus
Patershausen als Redner auf. Herr Lucke beschäftigte sich
hauptsächlich mit dem Zolltaris und üessen Zustandekom-
men. Schärsste Vorwürfe machte er den Nationalliberalen,
weil sie die Obstruktion im Reichstag nur unter der Be-
dingung brechen halfen, daß der Zolltarif in ihrem Sinne
angenommen wurde. Dabei machte Herr Lucke das Ge-
ständnis, und dies vrrdient hier festgehalten zu werden,
daß der Zolltarif, wie er aus dem Reichstag herausgekom-
men ist, an und für sich durchaus eine »ngemessene Schutz-
wehr für das nationale Erwerbsleben bilde. Kann man
ein besseres Zeugnis dafür wünschen, daß die national-
liberale Fraktion im Sinne des Schutzes der nationalen
Arbeit richtig gehandelt habe? Herr Lucke meinte dann,
niemand wisse, wie viel die Regierung auf dem Wege der
Handelsverträge an dem Zolltarif abbröckeln werde. ^ Das
ist richtig, aber das weiß man nicht, mag der Zolltarif im
nationalliberalen Sinne, oder in dem des Bundes der
Landwirte festgesetzt sein. Da kommt es aus den Reichs-
tag an, dem die Hündelsverträge vorgelegt werden, und der
sich dann zu entscheiden hat, ob er sie annimmt oder uicht.
Während der erste Redner, Herr Michaely, streng alles
Persöuliche vermied, erlaubte sich Herr Lucke eineu Aus-
fall gegen den nationalliberalen Reichstagskandidaten, in-
dem er mit Bezug auf die Beamtenstellung desselben
und seine angebliche Abhäugigkeit von der Regierung ge-
ringschätzig bemerkte: Weß Brot ich esse, deß Lied ich singe.
Nun, Herr Beck, ißt nicht das Brot der Regierung, sondern
das Brot des Staates; wie er nachdrücklich erklärt hat, ist
er nicht der Mann, als Reichstagsabgeordneter von der Re-
gierung politische Weisungen entgegenzunehmen und die
badische Regierung hat derartige Beeinflussungen noch nie
versucht, und keine badische Regierung wird dies tun, wenn
wir dafür sorgen, daß der liberale Geist im Lande
Baden erhalten bleibt. Aber wie steht es mit Herrn
Lucke? Herr Lucke ißt das Brot des Bundes der Land-
wirte uud wenn er sich heute mit dem Bund in Gegensatz
stellt, dann wird er morgen von ihm entlassen. So möge der
Leser selber urteilen, auf wen das Wort: „Weß Brot ich
esse, deß Lied ich singe" besser Paßt, ob auf Herrn Beck
oder auf Herrn Lucke. Jm weiteren Verlauf des Abends
empfahl noch Herr Müßig aus Mannheim namens der
Antisemiten und Herr Kern aus Karlsruhe namens der
Konservativen die Kandidatur des Herrn Michaely; dann
wurde die Bersammlung verhältnismäßig früh, nämlich
um halb 11 llhr, von dem Vorsitzenden Herrn Hoffmann
mit einem Hoch auf den Großherzog geschlossen.

Zahl der Reichstagswähler in den Orten
des Amtsbezirks Heidelberg.

Altenbach 134, Altncudorf 116, Bammenthal 358, Brom-
bach 84, Dilsberg 181, Dossenheim und Schwabenheim 575,
Eppelheim 480, Gaiberg 146, Gauangelloch 140, Heddesbach
S6, Heidelberg 9111, Heiligkreuzsteinach 200, Kirchheim 832,
Kleingemünd 79, Lampenhain 86, Leimen 620, Lobenfeld 83,
Mauer 233, Meckesheim 298, Mönchzell 115, Mückenloch 127,
Neckargemünd 491, Nußloch 668, Ostsenbach 100, Petersthal

kehre wieder" von Julius Wengert, der die erste
Programm-Nummer bildete. Mit derselben Komposition er-
rang am 3. Mai bei dem Sängerfest in Mannheim ein Pforz-
heimer Verein den ersten Ehrenpreis im Bolksgesang, außer-
dem wird sie beim 7. badischen Sängerfest, das an Pfingsten
in Mannheim stattfindet, von mehreren Vereinen als Preis-
licd gesungen.

— Zum Sängerwcttstreit in Frankfurt. Das offizielle
Festbuch ist jetzt erschienen. Es sieht mit feinem in kräftiger
Zeichnung und zarten Farben gehaltenen Umschlag recht statt-
lich aus und enthält alles, was den Sängern und dem gesamten
Festpubliknm zu wissen notwendig und nützlich ist. Die Sän-
ger erhalten das Buch gratis; für das übrige Publikum kostet
es 1 Mk. Allen Festteilnehmern wird es ein unentbehrlicher
Führer und nach dem Feste ein dauerndes Andenken sein. —
Der Pagenstecher-Preis. Der von Herrn Albrecht
Pagenstecher in Newhork gestiftete Ehrenpreis, gefertigt
von Tiffanh u. Co. in Newyork, ist angekommen. Es ist eine
prächtige Silbervase, die auf der Vorderseite die Porträts des
Kaisers zwischen dem Prinzen Heinrich und Präsident Roose-
velt zeigt; darunter stehen die Worte: „Jm Liede stark, deutsch
bis ins Mark."

— „Stella und Antonie" heißt ein neues Schauspiel in
vier Aufzügen bon Otto Julius Bierbaum. Das Stück wurde
vom Berliner Theater in Berlin, vom Stuttgarter Hoftheater
und vom Leipziger Schauspielhause zur Aufführung er-
worben.

100, Rohrbach 700, St. Jlgcn 191, Sandhauscn und Bruch-
hauscn 709, Schönau 445, Spechbach 194, Waldhilsbach 73,
Waldwimmersbach 125, Wieblingen und Grenzhof 570, Wie-
senbach 213, Wilhelmsfeld 179, Ziegelhausen 591, zusammen
19 440.

'ilus Etadt mrd Lanv.

Heidelberg, 27. Mai.

!! Aus dem Stadtrat. Bei den Verhandlungen von Ge-
meindevertretern, welche am 25. ds. Mts. im Stadthause zu
Mainz in Bezug auf den Paragraphen 13n des Zolltarifgesetzes
gepflogen wurden, war die Stadt Heidelberg durch Bürgermet-
ster F. Wielandt bertreten.

— Doppelkonzert im Stadtgarten. Ueber die Leistungen
des heute mit unserem städt. Orchester zusammen konzertieren-
den „Deutschen Solisten-Quartetts" wird uns geschrieben:
U l m. Ein überaus zahlreiches Publikum hatte sich zum
Konzert des berühmten „Deutschen Solisten-Quartetts" ein-
gefunden, um dessen prächtigen Vorträgen zu lauschen. Die
vier Herren des Quartetts, unter Leitung des Hofopernsängers
Kieß aus Darmstadt, verfügen durchweg über fein ausgebil-
dete weiche nnd doch dabei sehr kräftige und weittragende
Stimmen und erzielten mit ihren Liedern eine kolossale Wir-
kung. Die meisten derselben waren den Zuhörern als Chor-
lieder bekannt, und es bot einen eigenen Reiz, dieselben von
einem so trefflich geschulten Künstlerquartett zu hören. Die
Palme des Abends gebührt dem herrlichen „Nachtzauber" von
Storch und dem bekannten „Grüße an die Heimat" v. Kromer,
wobei die Sänger ein geradezu vaszinierendes Piano entwickel-
ten. Auch die Solodarbietungen waren durchweg vollendet
schön.

— Nochmals die Betriebsstörung in der Rohrbacherstraste.

Die Heidclbergcr Straßcn- und Bergbahn A.-G. ersucht uns,
nachstehende Richtigstellung dcs Artikels der clcktrischen Stra-
ßenbahn Heidelberg-Wicsloch übcr die Betriebsstörung auf der
Rohrbacherstraße am 22. ds. Mts. zu veröffentlichen:

Zur Klarstellnng des Artikels der elektrischen Straßenbahn
Heidelberg-Wiesloch in Leimen über die Betriebsstörung auf
der Rohrbacherstraße am Freitag, den 22. ds. Mts. in Nr. 120
dieser Zeitung bemerken wir, daß die Direktion der obigen
Bahn nicht orientiert ist, wcnn sie behauptet, die Störung sei
auf das Dehnen des Telephonschutzdrahtes zurückzuführen.

Letzterer sowie die Oberleitung ist am 15. d. M. von uns
geprüft und nachgespannt worden. Vor dem Kurzschluß hatte
der Telephonschutzdraht den richtigen Abstand bon der Ober-
leitung. Gegen 4 llhr 55 Min nachmittags ist jedoch Ler Wa-
gen der Wieslocher Bahn mit einem vollständig verbogenen
Bügel in den Bahnhof eingefahren. Der Bügel war seitlich
ganz verschoben und blieb daher nicht mehr unter der Ober-
leitung, sondcrn ging neben diescr in die Höhe und stand senk-
recht auf dem Wagen, sodaß er seitlich mit der Oberleitung
und oben mit dem Telephonschutzdraht Kontakt hatte.

Das Personal der Wieslocher Bahn ist dann auf das Wa-
gendach geklettert, hat den Bügel wieder heruntergerissen, und
dadurch das Telephonschuhnetz beschädigt.

Abends gegen 7 Ilhr hat dann der Wieslocher Wagen noch-
mals einen Kurzschluß in derselben Weise hervorgerufen.

X Bahnsteigsperre. Von Pfingsten ab wird auf der Bahn-
linie Mannhcim-Heidelberg-Karlsrnhe und Mannhcim-
Schwetzingen-Karlsruhe die Bahnsteigsperre eingeführt. Dte
Einrichtung ist auf dem hiesigen Bahnhof bereits fertig ge-
stellt.

V Beinahe überfahren. Mit knapper Not dem Tode des
lleberfahrenwerdens entronnen ist gestern Abend 7 Uhr ein
Kind am Cafe Wachter. Dasselbe lief ohne Aufsicht umher
und fiel vom Trottoir vor einem im Fahren befindlichen Wa-
gen der Straßenbahn. Nur die Geistesgegenwart des Wagen-
führers, welcher sofort die Notbremse in Bewegung setzte und
so mit einem Ruck den Wagen zum stehen brachte, ist es zu
verdanken, daß das Kind nicht zermalmt wurde. Das Kind
lief sofort wieder weg. Es sei dieser Vorfall eine Warnung
für diejenigen Eltern, welche ihre Kinder ohne Aufsicht auf der
Hauptstratze herumlaufen lassen.

^ Von einem Automobil überfahren wurde gestern Abend
auf der Landstraße zwischen Dossenheim und Schriesheim ein
Landwirt aus Handschuhsheim, wodurch er bedeutende Ver-
letzungen am ganzen Körper davontrng. Der Automobilist
fuhr weiter, ohne stch um sein Opfer zu kümmern.

— Polizcibericht. Verhaftet wurde ein Drcchsler we-
gen Körperverletzung sowie ein Arbeiter, welcher wegen des
gleichen Vergehens ausgeschrieben ist nnd eine Taglöhnerin
wegen unehelichem Zusammenlebens. Zur Anzeige kamen
8 Personen wegen Ruhestörung und 3 Personen wegen Kör-
perverletzung.

si- Handwerkskammer Mannheim. Die Ausstellung der
Gesellenstücke und Lehrlingsarbeitcn des Kammerbezirks wird
am nächsten Donnerstag, den 28. Mai, vormittags 12 Uhr
im oberen Saale des Saalbaues in Mannheim eröffnet. Die-
selbe wird bis zum Mittwoch, den 3. Juni d. I., einschließlich
täglich von 11 Uhr vormittags bis 4 Uhr nachmittags offen
sein und es stnd die verehrl. Behörden, die Eltern und Lehr-
herrn der Aussteller, sowie alle Freunde der gewerblichen
Jugendbildung zum Besuche der Ausstellung freundlich einge-
laden. Der Eintritt ist für Jedermann frei.

— Schatthansen, 26. Mai. (Unser Turnverein
Frohsinn) hat am.Sonntag, dcn 24. ds., das Einzelwett-
turnen in Dielheim mitgemacht. 7 Turner nahmen daran
teil; sie errangen drei Preise, nämlich Heinrich Uhrich den 6.,
Adam Schmidt den 11. und Johann Schemmenauer den 13.
Preis. Der Verein begab sich mittags nach Dielheim und nahm
an dem Feste tcil.

V Schwetzingen, 26. Mai. (Hoher Besuch.) Heute
Nachmittag halb 8 Uhr kamen der Großherzog und die Grotz-
herzogin, sowie die Erbgrotzherzogin und die Kronprinzessin
von Schweden mit Gefolge hier an. Von dem Amtsvorstand,
dem Eskadronchef und dem Bürgermeister am Bahnhofe be-
grüßt, fuhren die hohen Herrschaften direkt zur Besichtigung
nach der Gartenbauschnle; alsdann fand eine Rundfahrt im
Schloßgarten statt, und auf einem Rachen wurde sogar der
große Weiher durchquert. Nach eingenommenem Tee im Zir-
kelhause erfolgte gegen 7 Uhr die Rückfahrt nach der Residenz.
Wie wir hörten, rühmte namentlich der Großherzog den pracht-
vollen Anblick des Schloßgartens.

— Mannheim, 26. Mai. (K r i e g s g e r i ch t.) Jn einem
Mannschaftszimmer der ehemaligen Dragonerkaserne fand
heute eine Sitzung des Kriegsgerichts statt, in der gegen den
Grenadier Ludwig Walz aus Mannheim wegen Körperver-
letzung mit nachgefolgtem Tode und Mißbrauch der Dienst-
waffe verhandelt wurde. Walz soll in der Nacht vom Oster-
sonntag zum Montag dem Reisenden Berger außer verschiede-
nen Kopfverletzungen einen tötlichen Stich in den Unterleib
beigebracht haben. Wegen des hohen öffentlichen Jnterefses
des Falles war für die Sitzung ein Lokal in der Stadt gewählt
worden. Walz bestritt, den tötlichen Stich geführt zn haben
und behauptete, dem Berger, der ihn gereizt hatte, nur mit
dem Seitengewehr zwei Hiebe über den Kopf versetzt zu ha-
ben. Auf Grund der Beweisaufnahme ließ der Ankläger
selbst die Anklage betr. des tötlichen Stiches fallen, und bean-
tragte wegen Mißbranchs des Dienstgewehrs 5 Monate Ge-
fängnis. Das Gericht sprach unter dem Beifall des Publikums
nach kurzer Beratung den Angeklagten frei. Den Vorsttz
führte Major von Osten-Sacken. Die Anklage vertrat Ge-
richtsassessor Reichhardt.

(!) Neckarbischvfsheim, 26. Mai. (Wir müssen war-

ten.) Unsere Bahn Neckarbischofsheim-Hüffenhardt ist nun
schon über 7 Monate im Betrieb und immer wartet man noch
vergeblich auf die direkten Expreßguttarife mit Württemberg.
Auf Beschwerden wurde erwidert, daß die Direktion der Kö-
niglich Württ. Staatsbahnverwaltung die
entsprechenden Tarife noch nicht fertig gestellt habe, wodurch die
Verzögerung entstanden ist, die man hier recht unlieb em-
pfindet. Hoffentlich tragen diese Zeilen dazn bei, die
Sache einer baldigen Erledigung zuzuführen, zumal auf ba-
discher Seite die nötigen Tarife längst fertig sind.

H Freiburg, 25. Mai. (Von der U n i v e r s i t ä t.)
Nach der endgiltigen Feststellung beziffert sich die Frequenz
unscrer Universität im laufenden Sommersemester auf 1962
immatrikulierte Studierende und 117 Hospitanten. Unter
den immatrikulierten befinden sich 22 Frauen (17 stud. med.
und 5 stud. philos.), unter den Hospitanten sind 63 Frauen.
Die immatrikulierten Studierenden verteilen sich auf die ein-
zelnen Fakultäten wie folgt: Theologen 205, Angehörige der
rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät 791, Mediziner
und Pharmazeuten 485 und Angehörige der philosophischen
Fakultät 481. Das Ausland ist, wie folgt, vertreten: Asrika
1, Amerika 17, Asien 5, Belgien 1, England 3, Frankreich 3,
Jtalien 7, Niederlande 6, Norwegen 1, Oesterreich-Ungarn 13,.
Rumänen 1, Rußland 44, Schweiz 23, Spanien 2 und Türke 1.

Aus Baden. Jn Hottingen brannte das Anwesen des-
Landwirts Siebold nieder. 4 Stücke Rindvieh und 2 Schweine
fielen dem Feuer zum Opfer. Der Gesamtschaden beträgt
6000 Mark, ist aber durch Versicherung gedeckt. Es wird
Brandstiftung vermutet. — Der 64jährige ledige Schuhmachee
Gregor Dögy von Unadingen fiel auf der Fahrt von
Häusenvorwald nach Döggingen von der Plattform eines Eisen-
bahnwagens, auf der er sich trotz Verbots aufgehalten hatte»
und wurde vom Zuge ca. 20 Meter geschleift. Der Tod trat
sofort ein.

Heidelberaer Vereinsüngeleaenbcirett.

(—) Hebbel-Berein. Der 2. Literarische Abend der Gesell-
schaft findet am 28. Mai, Donnerstag, 8^ Uhr, im Gartensaat
des Scheffelhauses (Neuenheim) statt und bringt eine Diskus-
sion des Themas: „Die moderne Auffassung des Tragischen".
Um den intimen Charakter der Veranstaltung zu wahren, wird
nur Mitgliedern und geladenen Gästen der Zutritt gestattet.
Anmeldungen zur Mitgliedschaft werden in allen Buchhand-
lungen und in der Musikalienhandlung von E. Pfeiffer entge-
gen genommen.

Der Prozeh Hüssener.

Kiel, 26. Mai.

Vor dem Kriegsgericht der ersten Marineinspektion
begann heute die Verhandlung gegen den Fähnrich z. S. Ro-
bert Hüssener wegen seiner Bluttat in Essen. Der Ange -
klagte schilderte nach dem Bericht der „Frankf. Ztg." den
Vorgang folgendermaßen: Angekl.: Jch ksm am Samstag
spät abends in Essen eiligen Schrittes in die Brandstraße, um
mich in das Schlüter'sche Lokal zu begeben, wo mich einige
Freunde erwarteten. Da sah ich einen Soldaten, der stark an-
getrunken war, sodaß ihm der Speichel vor dem Mund stand.
Jch wollte verhüten, daß der Soldat noch mehr Alkohol zu sich
nehme und womöglich Unfug verübte. Jch forderte deshalb
den Soldaten auf, mir zu folgen. Der Soldat zögerte. Darauf
sagte ich: Jch fordere Sie dienstlich auf, mir zu folgen. Der
Begleiter des Soldaten, Lütscher, redete diesem zu, meinem Be-
fehl Folge zu lcisten. Der Soldat nahm mich unter den linkcn
Arm und Lütscher unter den rechten. Verhandlungs-
leiter: Früher sagten Sie, der Soldat habe sich plump ver-
traulich benommen. Angekl.: Das ist richtig. Der Ange-
klagte erzählte alsdann weiter: Nachdem wir etwa 30 bis 40
Schritte gegangen waren, riß sich der Soldat plötzlich los und
wandte sich mit erhobener Fanst um, so daß ich glaubte, er
wollte mich schlagen. Jch zog daher sofort meinen Dolch. Da
der Soldat flüchtete, rief ich ihm „Halt" zu. Der Soldai stand
aber nicht, ich schlug daher mehrere Male nach ihm und traf
ihn beim zweiten Male auf die rechte Wange. Da aber der
Soldat trotzdem nicht stand, so stieß ich ihn zweimal in den
Rücken. Jn diesem Augenblick blieb der Soldat unter lautem
Aufschrei stehen und sank sogleich dem Studenten Lütscher in
die Arme. Lütscher rief um Hilfe. Es kamen mehrere Leute
herbei, darunter auch der Unteroffizier Schröder. Jch sagte
diesem sogleich, ich sei der Täter und forderte ihn auf, mich auf
die Wache zu begleiten. Wir begaben uns zunächst auf die Po-
lizeiwache. Nachdem ich dort zu Protokoll vernommen, wurde
ich in das Arrestgebäude in das Essener Bezirkskommando ge-
bracht. Es ist richtig, daß ich dcm Polizeibeamten und auch
dem Unteroffizier Schröder Zigaretten angeboten habe. Jch
ersuchte Schröder, der über das Vorkommnis fehr ausgeregt
war, sich zu beruhigen und sagte zu ihm, es wird nicht so
schlimm sein. Bald abcr kam die Nachricht, daß der Soldat
schon gestorben sei. Verhandlungsleiter: Kannten
Sie den Soldaten? Angekl.: Jch hörte später, daß es der Ein-
jährig-Freiwillige August Hartmann aus Essen war. Jch
kannte ihn aber nicht. Verhandlungsleiter: Hart-
mann kannte Sie aber und war anch Jhren Brüdcrn bekannt.
Angekl.: Das ist möglich. Alle meine Brüder haben daK
Essener Realgymnasium besucht, daher mögen sie ihn gekannt
haben.

Verhandlungsleiter: Sie sagten früher, Sie woll-
ten den Soldaten ursprünglich nicht zur Wache bringen, son-
dern nur verhindern, daß er mehr Alkohol zu sich nahm. An -
geklagter Hüfsener: Das ist richtig. Verhand-
lungsl.: Sie sagten, Sie hätten Hartmann kurz, ehe dieser
sich zur Flncht wandte, losgelassen? Angekl.: Jawohl. V.-
Leiter: Wieviel Schritte vor dcr Flucht waren das? An-
gekl.: Genau kann ich das nicht mehr sagen, aber mindestenS
zehn Schritte vor der Flucht. V.-Leiter: Weshalb habeck
Sie den Hartmann losgelassen? Angekl.: Weil ich meinen
Dolch loshakcn wollte, um ihn erforderlichenfalls zichen zu
können. V.-Leiter: Sie sagten, es habe Jhnen dabei dte
Erzählung eines Offiziers in einer Jnstruktionsstunde vorge-
schwebt? Angekl.: Jawohl. Der Offizier erzählte damals»
ein Offizier habe einmal einen Soldaten festnehmen wollen,
er habe aber seinen Degen nicht losgehakt. Der Soldat habe
den Offizier geschlagen, und dieser habe von seiner Waffe kei-
nen Gebrauch machen können. Der Täter sei unentdeckt geblie-
ben, und dcr Offizir mußte seincn Abschied nehmen. V.-Lei-
ter: Sind Sie nicht instruiert worden, daß Sie Betrunkenen
gegenüber besonders vorsichtig sein und Betrunkenen möglichst'
aus dem Wege gehen sollen? Angekl.: Das ist mir bekannt-
Jch habe es aber für meine Pslicht gehalten, den Mann, der
so bctrunken war, daß ihm der Speichel vor dem Munde stand»
zu verhindern, mehr Alkohol zu sich zu nehmen. V.-L eiter:
Haben Sie sich denn nicht klar gemacht, daß Sie den ManU
durch den Dolchstich töten könnten? Angekl.: Daran dachtr
ich nicht. Jch hatte nur die Absicht, den Mann zu verwun-
den, um ihm zu zeigen, daß ich Ernst machte. Jch glaubte nicht,
daß der Mann dadurch den Tod erleiden würde. Jch hatte
nach dcr Tat noch die Hoffnung, daß der Mann nicht sterbcn
werde. V.-Leiter: Wenn Sie nun gewußt hätten, datz der
Mann durch Jhren Dolchstich den Tod erleiden würde, hätten
Sie alsdann den Mann auch gestochen? Angekl: Das kann
ich nicht sagen. Jch hatte jedenfalls die Absicht, nur eine der-
artige Wunde beizubringen, daß er nicht weiter laufen könne-
V.-Leiter: Sie sollen vcrschicdcnc Soldaten und auch eineN
Unteroffizier wegen Nicht- odcr nicht vorschriftsmüßigen Grü-
 
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