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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 202 (1. August 1903 - 31. August 1903)
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Einregistrierungsgebühren bar gezahlt hatten? Vor der Stärke
dieses materiellen Beweises mußten alle Bcdenken oerstum-
men.

DeuLsches Reich.

— Nach einer Meldung aus E r f tl r t erhielt der
Maurer Bause, da er bei der R e i chs t a g s w a h I für
seinen abwesenden Schwager gewählt hatte,
einen Monat Gefängnis.

Stettin, 12. Aug. Der Verein d- eutfcher
Kaufleute hält seit Sonntag seinen Delegiertentag
hier ab. Nach einem Vortrag des Abg. Dr. Max Hirsch
wurde einstimmig eine von ihm em-fohlene Resolution
angenommen, welche die Angriffe auf den Handel, als
sei derselbe unproduktiv, überflüssig oder gar schädlich,
zurückweist, vollständige Sonntagsruhe und spätestens
Achtuhrladenschluß für die Handlungsgehilfen und Lehr-
linge, erhöhten Schutz und gesicherte Ausbildung der
Lehrlinge, Kaufmannsgerichte im Anschluß an die Ge-
werbegerichte usw. fordert und den Beitritt in den Verein
der deutschen Kaufleute warm befürwortet. Die Einfüh-
rung von Handelsinspektoren emPfahlRedakteur
Tröger-Berlin. Auf seinen Vorschlag wurde eine Reso-
lution angenommen, welche es als geboten erachtet, die
im Z 193b der Gewerbeordnung vorgesehene Aufsicht über
die Durchführung der gesetzlichen Schutzbestimmungen für
die gewerblichen Arbeiter dahin auszudehnen, daß eine
Aufsichtsbehörde mit gleichen Vollmachten und Befug-
nissen, wie sie bisher gemäß 8 193b besteht, auch für das
Handelsgewerbe geschaffen werde. Hierzu sollen Hand-
lungsgehilfen als Handlungsinspektoren hinzugezogen
werden.

' ' Baden.

Lahr, 12. Aug. Der bisherige Landtagsabgeordnete
für den Wahlkreis Lahr-Land-Altenheim, Professor Dr.
Heimburger in Karlsruhe, hat sich, wie der „Lahr.
Anz." erfährt, bereit erklärt, die Kandidatur wieder zu
übernehme n.

Karlsruhe, 12. August. Heute trat hier der
engere Ausschuß des Landesverbandes der junglibe -
ralenVereine Badens zusammen, um einen Wahl-
aufruf an die liberalen jungen Männer des Landes
zu entwerfen, der Mitte September zur Veröffentlichung
kommen soll. Jm Lauss der dreistündigen Beratungen
wurden auch Organisationsfragen erörtert und dabei der
Hoffnung Ausdruck gegeben, daß stch recht bald alle jung-
liberalen Vereine in Baden dem Landesverband angliedern
mögen, damit eine einheitliche Agitation bei den Land-
tagswahlen entfaltet werden kann.

- Schwetzingen, 12. August. Jn der Vertrauens-
männerversammlung der nationalliberalen Partei wurde
laut „Volksst." Ratschreiber Wilhelm Reichert-
Schwetzingen als Kandidat für den 44. Landtagswahl-
bezirk proklamiert. Reichert nahm die Kandidatur an.

* Heidelberg, 13. August. Von einem Vor-
standsmitgliede des hiesigen n a t i o ir a l - s o z i a l e n
Vereins wird uns mit der Bitte um Veröffentlichung
Folgendes geschrieben: Die von Jhnen gebrachten Mittei-
lungen über unsere Beschlüsse für den national-sozialen
Vertretertag in Göttingen bedürfen der Berichtigung. Jch
erlaube mir daher, Jhnen den Wortlaut der Beschlüsse
mitzuteilen: 1. Wir stimmen einer Verschmel-
zung der Nationalsozialen nüt der Freisinnigen Ver-
einigung unter der Bedingung bei, daß das Ergebnis
der Verschmelzung eine Partei mit neuem, gemeinsam
herauszuarbeitenden Programm und neuem Namen sein
wird. 2. Falls die Verschmelzung sich nicht in dieser
Weise ermöglich läßt, können wir keinen zureichenden
Grund einsehen, unsere seitherige nationalsoziale Organi-
sation aufzugeben, häben aber triftige Gründe für ihre
Aufrechterhaltung. 3. Wir sind jedoch, falls Dr. Fried -

dieser Lat, 'das Bildnis des Mörders und einige Gegen-
stände, die daraus Bezug hatten, vereinigt."

Ein weiteres Denkmal ihres Heidelberg'er Aufenthalts,
zugleich ein Produkt ihrer Lo'hnschriftstellerei, jft das von
ihr (nicht in allen seinen Teilen verfaßte, aber) heraus-
gegebene Reisehandbuch „Gemälde von Heidelberg, Mann-
heim, Schwetzingen, 'dein Odenwalde und Neckartale",
welches 1816 hier im Verlage von Josef Engelmann er-
schienen ist und drei Auflagen erlsbt hat; einer der tüch-
tigsten Vorläufer des Bädeker, heute eine Fundgrube
Heidekberger Kulturgeschichte. Die Vorrede der erstm
Ausgabe unterzeichnet Frau von Ehäzy als „Vor'steherin
des Kgl. Pr. stehenden Militair-Lazareths zu Namür",
und sie bekennt — in leider etwas blaüstvümpfiger Dik-
tion —: „Ein banges Heimweh nach all' den entfernten
Süßigkeiten 'dieser Tale und Gefilde reißt durch meine
Brüst." Nach der Schlacht bei Hanau und dem Sturze
Napoleons hatte sie stch opferbereit in den Dienst der
Pflege verwundeter Krieger gestellt und in den Lazaretten
, Belgiens und 'des Niederrheins gewirkt. Jhr wohlmeinen-
der Feuereifer bra-chte sie aber mit allen möglichen Per-
sonen und Normen in Kollision, und die Folgen waren,
wie auch späterhin 1826 bei gleicher Hilfsaktion im Salz-
kammergut, ärgerliche Prozesse. Als die Befreiungskriegs
vorbei waren, nahm sie zunächst in Derlin ihreü Wohnsitz.
1817 führte sie ihr unrühiger Wandertrieb näch Dresden,
1823 nach Wien. Endlich landete sie in Genf. Dort ist
sie, fast erblindet, in kümmerlichen Verhältnissen, am 28.
Februar 1886 gestorben. Eine der ersten auf schrift-
stellerischen Erwerb gestellten deutschen Frauen, hat Wil-
helmine von Chäzy-Klenze wenig Sonne in ihrxm viel-
bewegten Leben empfunden, nicht ohne die Schuld ihres
wenig verträglichen, selbstgefälligen Temperaments.
Trotz mancher Entbehrungen ist das Heidelberger Jahr
eines der erfreulichsten ihrer Pilgrimschäft gewesen.

rich Nau m a n n sich der Freisinnigen Vereiuiguug
anschließen sollte, zu gemeinsamsr Politischer
Aktion mit derJreifinnigenVereini-
gung unter folgenden Bedingungen be-
reit: n) Die Leitung der Freistnnigen Veveinigung ver-
pflichtet sich, Naumann baldmöglichst ein Mandat für das
preußische Abgeordnetenhaus und den Deutschen Reichstag
zu verschaffen; b) d'ie Freifinnige Vereinigung nimmt die
Arbeit der Weiterbildung ihres sozialen Programms auf;
e) die Freisinnige Vereinigung empfiehlt ihren etwaigen
in Baden wohnenden Einzelmitgliedern, daß sie unseren
Ortsvereinen mindsstens als Hospitanten beitreten.
Sachsen.

— Anläßlich seines Geburtstages hat der Köni g
von Sachsen 70 Strafgefangenen die Freiheit ge-
schenkt. Darunter befinden sich laut „Leipz. Volksztg."
auch drei imLöbtauer Zuchthausprozeß Ver-
urteilte, nämlich die Arbeiter Moritz, Wobst und Gedlich.
Der erstere war zu 8 'Jahren, die beiden anderen zu je 7
Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Noch zwei damals
Bestrafte sitzen im Zuchthaus, vier andere sind schon früher
begnadigt worden.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 13. August.

X Dankschreiben der Universitnt an den Stadtrat. Dem

Stadtrate ist gestern vom Prorektor der Universität folgendes
Schrciben zugegangen:

Nach Beendigung unseres so glänzend verlaufenen Festes
fühlen wir die innerste Verpflichtung, dem hochwohllöblichen
Stadtrat noch einmal von Herzen zu danken für den außeror-
dentlich großen Anteil, den die Stadt in Gestnnung und
Tat dabci genommen hat.

Der bunte Schmuck, den die Stadt durch ihre Verwaltung
wie durch das persönliche Eingreifen der Bürgerschast erhalten
hatte, bot einen schönen Rahmen für das Aeußere, während
die für die.verschiedensten Veranstaltungen sich immer aufs
neue und immer wicder etwas anders bewährenden Einrich-
tungen der uns in erster Frische und vollster Fertigkeit zur
Verfügung gestellten Stadthalle einen wahrhaft idealen Raum
gab für die Entfaltung ernster wie heiterer Festakte.

Das mit ebensoviel Aufwand als Geschmack ausgestattete
Schloßfest am Abend des ersten Haupttages wird allen Teil-
nehmern eine geradezu zauberische Erinnerung hinterlassen
haben und dic Schloßbeleuchtung mit dem prachtvollcn Feuer-
werk am Sonntag Abend warf einen letzten, unvergleichlichen
Abglanz auf die vorhergehenden sonnigen Tage.

Für alle diese Genüsse sind wir dem hochwohllöblichen
Stadtrat und dcm bereitwilligst die Mittel bewilligenden Bür-
gerausschuß zu lebhaftestem, unauslöschlichem Dank verbunden.

Dazu gesellt sich aber noch der persönliche Dank für Alles,
was die Einzelnen uns gewährt und geleistet haben, an der
Spitze Sie, hochverehrter Herr Oberbürgermeister, und Jhre
beiden Kollcgcn im Amt, aber auch die Stadträte und Stadt-
verordneten, die städtischen Beamten und sonstigen Stadtan-
gehörizen, welche durch ihre Tätigkeit in der städtischen Ju-
biläumskommission und bei den bon ihr beschlossenen Arbeiten.
in der Stadthallen- und Musik-, der Wohnungs-, Wein- und
Prcßkommission freudig und uncrmüdlich Zeit und Kräfte ge-
opfert und für sich oder mit uns zusammen gearbeitet haben.

Wir zweifeln nicht, daß dieses große, gemeinsame Erleü-
nis, daß sich trotz der bescheidenen Anlage würdig an die un-
vergeßliche Säkularfeier von 1886 anreiht, zur Befestigung
der allezeit sehr erfreulichen Beziehungen zwischen Stadt und
Universität beitragen wird, ebenso wie wir das persönliche Zu-
sammenwirten mit so manchen verdienten Mitbürgern ais
einen Gewinn und eine Förderung empfunden habcn.

Also nochmals dem Ganzen, wie dem Einzelnen verbind-
lichsten Dank! Czerny.

X Sicherheitsdienst während der Festtage. Die hiesige
Polizei war während der Jubiläumsfesttage durch 10 Schutz-
leute aus anderen Städten, die teils früher hier angestellt wa-
ren, teils hier gedient hatten und somit ortskundig waren, ver-
stärkt. 4 berittene Gendarmen vervollständigten das Sicher-
heitsaufgebot.

Verkauf ber badischen Kilometerhesto auf der Station
Mainz. Der Mainzer Handelskammer ist von der Eisenbahn-
direktion auf ihr Crsuchen, die badischen Kilometerhefte, die
nicht allein in Frankfurt, sondern auch auf entfernteren preu-
ßischen Stationen aufliegen, auch auf der Station Mainz auf-
zulegen, die Antwort geworden, daß die badischen Kilometer-
hefte nunmehr auch in Mainz (Hauptbahnhof) ausgegeben und
abgestempelt werden.

X Mannheim, 12. Aug. (Die Versammlung der
Gesamtarbeiterschaft der Lanz'schen Fa-
b r i k e n) erteilte der Kommission, welche bisher in Sachen
des Streiks tätig war und mit der Fabrikleitung verhan-
delte, ein Mißbilligungsvotum, weil dieselbe keine Fachleute
aus den Reihen der Schmiede zugezogen hatte. Dann ver-
pflichtete sich die Versammlung, wenn ein Arbeiter wegen
Nicht-llebcrnahme von Streikarbeiten gemaßregclt wcrdcn
sollte, gemeinsam die Arbeit niederzulegen. Für eine Resolu-
tion in diesem Sinne stimmten 989 Anwesende, 39 stimmten
mit nein, 26 Zettel waren unbeschrieben.

L1 Karlsrnhe, 12. Aug. (Jubiläum.) Dem Prälateu
Dr. Franz Taver Lender sind anläßlich seines fünfzigjährigen
Priesterjubiläums zahlreiche Glückwunschtelegramme und Gra-
tulationsschreiben zugegangen. Der Großherzog und die
Großherzogin haben ihm am Montag einen telegraphischen
Glückwunsch übersandt.

IVI Pforzhcim, 12. Aug. (B r a n d.) Jn Steinegg wurde
das Rathaus durch Feuer zerstört. Auch brannte eine neben
demselben stehende Scheuer nieder. Die Akten konnten noch
rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden.

Lhrrach, 12. Aug. (Bei der gestrigen Bürger-
ausschußwahl) der dritten Wählerklasse siegte der
sozialdemokratische Vorschlag mit 276 Stimmen.
Auch das Zentrum, die Freisinnigen und die Nationalliberalen
hatten Listen aufgestellt. Auf dieselben fielen 114 bezw. 81
und 37 Stimmen.

Freiburg, 12. Aug. (Von derUniversitä l.) Hr.
Professor D. W. Autenrieth hat einen Ruf an die Uni-
versttät Greifswald erhalten und zwar als Nachfolger des vec-
storbencn Geh. Rats Prof. Schwanert.

Handel und Verkehr.

Frankfurt, 12. Aug. (E f f e k t e n b ö r s e.) Umsätze bis
6.15 Uhr abends. Kreditaktien 207.90 bz., Henri 106.30 bz.,
5proz. amort. Mexikaner 40.60 bz. G., 4proz. Serben 74.30
bz. G., 6proz. Bulgaren 89 bz.

Laura 224.70 bz., Bochumer 181.70 bz., Gelsenkirchen
183.40 B. 30 G. Harpcner 179.80 bz. G. Hibernia 178.80
B. 70 G., O'berschles. Eisen-Jndustrie 105 10 bz. G., Witten
Stahlröhr. 74 bz. G., Clektr. Allgem. (Edison) 186 bz. G.,
Elektr. Schuckert 95.20 bz. G., Elektr. Lahmeyer 81.60 bz. G,
Elektr. Siemens u. Halske 130.30 B. 20 G., D. Verlagsanst.
93.50 bz. G.

6.15 Uhr bis 6.30 Uhr: —.—. An der Abendbörse zeig-
ten Jndustriewerte feste Haltung, die übrigen Gebiete waren
unvcrändert.

N e ck a r.

Heidelberg 13., 1.18, gef. 0, 8m
Seilbron» 12.. 0.54, ges. 0.16 m
Niannveim. 12,4.12, gest.0.02w

llt v e l n.

Lauterburg. 12., 4.56, gest. 0.0' m
Maxau 12.. 4.68, gest 0.02m

Mannheim, 12., 4.22, ges. 0.00E

Zum Pariser Eisenbahnunglück.

Paris, 12. August. Jm Auftrage der Staatsanwalt-
schaft wurde vom Untersuchungsrichter Jolliot die straf-
rechtliche Unters u ch u n g gegen „v o r l ä u f i K
Unöekannt" wegen fahrlässiger Tötung
eingeleitet. Bis zur Stunde ist es unmöglich, festzu-
stellen, wer die Verantivortung sür d-as Unglück auf der
Stadtbahn trägt. Die Bahnbehörden haben jedoch bereits
die Ueberzeugung gewonnen, daß das Unglück niemals
solchen Umsang hätte annehmen können, wenn die Bahn-
bediensteten nicht den Kopf vcrloren hätten. Ein Tirektor
der Untsrgrundbahn äußerte einem Berichterstatter gegen-
über, die von der Bahnverwaltung eingeleiteten Nachfor-
schungen hätten ergeben, daß die Perantwortung aus-
schließlich d-en Maschinisten Chauvin, einen der älte-
steü und zuverlässtgsten Beamten der Untergrundbahn,
treffe. Die Untergrundbahn beförderte bisher etwa 200
Millionen Menschen ohne ernsten Unfall. Der Maschinist
Chauvin erklärte auf dem Polizeikommissariat, daß der
in Brand geratene Zug schon vorgestern nicht mehr hätte
verwendet werden dürfen, da die Bremsvorrichtung be-
reits mittags einmal versagte. Nunmehr stnd sämtliche
Leichen bis aus zwei rekognosziert. Es sind dtes zwei
Frauen, von denen die eine. eine Bäuerin aus der Pro-
vinz zu sein scheint. Bei der anderen wurde eine Rückfahr-
karte nach Edinburg in Schottland gefunden.

Neueste Skachrichten.

N Köln, 12. Aug. Wie der „Köln. Ztg." aus Buenos
Ayres gemetd-et wird, sandte der Präsident der Repüblik
aus Anlaß des Todes des kaiserlichen Gesandten von
Wangenheim ein Telegramm an den Kaiser, in welchem
ec ihm sein tiefstes Bedauern über den Verlust aussprach.
Der Präsident wird mit seinem ganzen Gefolge dem Be-
gräbnis v. Wangenheims beizuwohnen.

Berlin, 12. Aug. Als cinen Konservativen der alten Aet,
als einen liebenswürdigen Beamtcn und als einen ausrcchten
Mann und guten Patrioten, dcr die Achtung und Vcrehrung
auch seiner politischen Gegner gewonnen hat, erkennen auch die
Blätter der Linken den heute auf seinem Stammgute
Ecssow in der Neumark verstorbenen Herrn v. Levetzow an.
Er hat das Amt eines Reichstagspräsidenten mit Ehren lange
Jahre verwaltet; er war stets bemüht, unparteiisch zu sein und
die Würde des Reichstags im Jnnern und nach Außen zu wah-
ren. Herr v. Levetzow war wirklich kein Hösling und cr hat
sich auch, -wenn er bei festlichcn Anlässen, wie es nun einmal
üblich ist, in der Offiziersuniform crschien, doch immer als
Präsident des Reichstages gefühlt und in dieser Würde nichts-
vergeben. E^: war es, der, wie unlängst in der „Frankf. Ztg."
erzählt worden ist, in einer Auseinandersetzung mit dem K a i-
scr auf dcssen Bemerkung, „Sic sind ein märkischer Dickkopf!",
die Antwort gab: „Eure Majestät sind ja wohl auch ein Mär-
kcr." Die Konservativen trauern, wie es heute in ihren Blät-
tern geschieht, diesem alten Führer mit Recht nach. Er hat zu
einer politischen Generation gehört, deren Vertreter in allen
Parteien immer seltener werden.

Swinemünde, 12. August. Der Kaiser wohnte
heute Vormittag mit deu Herren des Gefolges eiuer 14/ö-
stündigen, auf d-em Fort abgehaltenen Artillerie-Schieß-
übung gegen schwimmende Ziete bei und kehrte um 10-
Uhr 46 Minuten an Byrd der Jacht „Hohenzollern"
zurück. Das Publikum bereitete dem Kaiser lebhafte
Kundgebnngen. Gegen 2)^ Uhr ist der Kaiser unter dem
Salut der Forts nnd des Krcuzers „Nymp-He", sowie
unter dreifachem Hurra der paradierenden Matrosm, so-
wie 'd-en Kundgebungen des Publikums nach WiIdPark-
st a t i o n abgereist.

Leipzig, 12. August. Das Landgericht erkannte auf
Einziehung der Schrift T o I st o i s „Tu sollst nicht
töten" w-egen Beleidigung des Kaisers Wil -
h e l m.

VV Amstcrdam, 12. Aug. Einer Blättcrmcldung aus Ba-
tavia zufolge ist das Dorf Polve Teugah im Jnnern von su-
matra von nicderländischen Truppen gcnommen worden. Tie-
Feinde hatten 200 Tote; auf Seiten dcr Niederländer wurden
1 Offizier und 6 Mann getötet und 1 Offizier und 50 Mann
verwundet.

? Paris, 12. Aug. (H u m b e r t p r o z e ß.) Der Notur
Dutuit in Bayonne und seine Angestellten ertennen in Romain
Daurignac die Persönlichkeit wieder, -welche in Prokura mit
dem Namen Crawford gezeichnet habe. Jn Bezüg auf Emile
Daurignac lauten ihre Ansichten weniger bestimmt. Während
dieser Vernchmung versichcrt Labori, daß dic Cra-Wford exi-
stierten, aber andere Namcn trügen. (Bewcgung.) Die drei
Schreibsachverständigen erklären, datz die Prokurazeichnungen
mit dem Namen Crawford von Romain und Emile Daurignac
mit verstellter Handschrift gcgeben seicn. Die Angeklagten und
der Bertcidiger widersprechcn dicscr Behauptung der Sachver-
ständigen in längeren Ausführungen. Drei Postbeanite er-
tennen gleichfalls Romain Daurignac wieder. Er habe post-
lagerndc, auf Jnitialen der Brüder Crawford lautcnde Briefe
abgcholt. Romain bestreitet auch diese Tatsache. Hierauf
wird dic Sitzung untcrbrochen.

Zeuge Jacquin, ein früheres Mitglied des Staatsrats, sagt
aus, er habe 20 Jahre hindurch an die Freundschaft und
Ehrcnhaftigkeit der Humberts geglaubt, habe jedoch nie sein
Amt zu ihren Gunsten ausgenützt. Als cr die Wahrheit er-
kannt habe, habe er sein Amt niedergetegt. Der frühere Notar
Langlois bekundet, er habe den Humberts ein Darlehen von
etwa 1 Million Franks beschafft, da cr angesichts der Gerichts-
beschlüsse und gerichtlichcn Dokumcnte an das VorhandenseiN
der Crawfordschen Erbschaft gcglaubt habe. Delacherve, der
den Humberts 26 Millionen Franks verschaffte, äußerte sich in
demselben Sinne wie Langlois. Nachdem noch einige von den
Geldgebern vernommen waren, wird die Sitzung vertagt.

14 Paris, 12. Aug. Der Vorsitzende des Verwaltungsrates
der Stadtbahn teilte dem Seinepräsidenten mit, daß er ihrn
zur schleunigen Unterstützung der bedürftigsten Familien, die'
durch das Unglück betroffen worden sind, eine Summe voN
^ 10 000 Franks zur Verfügung stclle. Heutc Mittag wurdcn 36-
, Opfer der Katastrophe cinzcln bcerdigt. Der Munizipalrat
^ hat beschlossen, die Totcn, die nicht von ihren Familien rekla-
 
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