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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 202 (1. August 1903 - 31. August 1903)
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*<8rschr<»t tL,lich, So«ntag» »u«genom«!-n. PreiS mit FaWiüenblätteru moNutlich W Pfg. tn'S HauS gebracht, bei der Expedition «nd den Zweigstatisnen abgeholt 40 Pfg. Durch di» WK

dezogen vierteljahrlich l.35 Mk. auSschließlich Zustellgebühr.

Asgeizrnprris: 80 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder drrrn Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige GeschiM- und Privatanzeigen ermätzigt. — Mr die Nufnahme von NnzritzM

«« deftimmte» Tagen wird keinr Berantwortlichkett ülrrnonunen. — Auichlag der Jnkerate auf deu Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und dcn stödtische» Anschlagstellen. Fernsprecher W.

Znm Humbert-Prozeß.

Scit dorigcm Samstag spiclt sich in Paris der Prozctz
gcgcn dic große Schwindlerin Frau Therese Humberi, ihrcn
Mann nnd ihrc bcidcn Brüdcr ab. Dcr Telegraph bcrichtet
von Tag zu Tag über dcn Fortgang dcr Verhandlung. Die
Staatsanwaltschaft hat die Anklage gegen alle vier wegen Be-
lrügereien und Fälschnng von Urkunden crhoben. Der kurz-
gcfatztcn Anklageschrift ist eine Vorgcschichte der Affäre Hum-
bert voransgeschickt, das crste aus aktenmätzigem Ma-
tcrial und bccidigtcn Zcugcnaussagen geschaffene Bild der
„grotzten Schwindclei dcs Jahrhunderts".
Wir geben dic Öauptsache daraus hicr wieder, weil erst an der
Hand dieses Matcrials dcr Lefer sich cincn Begriff davon
macht, worum es sich bei diesem Prozetz handclt.

Therose nud ihre Heirat.

Jhr Vatcr, dcr eine Zeitlang in Toulouse cin Heirats-
burcau mit schlcchteni Erfolg gelcitet hatte, bewohnte als Wit-
wcr mit seinen 4 Kindcrn cin kleines „Kastell" in Ba u z e l -
les bei Toulouse. Er selbst gab dem bcrfallenen Rattcnnest
dcn Namen „Schlotz" und machte aus seincm gut bürgerlichen
Namcn durch ein geschickt angewcmdtes Apostroph den Adels-
namcn der Grafcn „d'A u r i g n a c". Von ein paar rev-
lauskranken Weinbergen, die zum „Kastell" gehören, gewann
man eincn schlechtcn Saft, dcn man mit Mühe verkaufte. Das
wcnigc Geld, das so ins Haus kam, reichtc nicht aus, um
Bäcker, Fleischer und «chncider zu bezahlen. Abcr Therescns
Vater hatte stets irgcnd ctwas in Bcreitschaft, um allzu hcftig
mahnende Gläubiger zu trösten. „Mcine Kinder werdcn eines
Tages reich scin", wiederholte cr oft. Dabci wies er auf eine
wurmstichige Truhe, die ebenso leer war, wie der berühmte
Gcldschrank im Pariser Palais der Frau Humbert, und sagte
feicrlich: „Darinnen liegen die Pergamente". Er erzählte
auch cine lange Geschichte von cinem Onkcl aus Amerika, dcn
man einst beerben müsse. Zwei Hauptelemente des spätcren
Nicscnschwinücls: die amerikanische Erbschaft und der leere
Kastcn, stammten älso von Vatcr Daurignac. Ein drittes Ele-
mcnt kam durch Therese hinzu: das Prozetzmotiv. Thcrcse
brauchte Toilettcu und hatte kein Geld. Um bei ihrcn Schnei-
dcrinncn Kredit zu crhaltcn, erzählte sic oft, daß sie cine
Patin bccrbt habc. Abcr wo war das Geld? „Man mutz es
mir auszahlen, wcnn ich volljährig bin, aber freilich, cs wird
noch Prozcssc gcbcn". Der vorsichtige Zusatz lSnr eine gute
Schutzwehr gcgcn ncugicrige Fragcr und lästige Mahner, dic
gcrn das Geld dcr gutcn Patin als Zahlungsmittcl in Therc-
scns Händcn erblickt hättcn. Abcr Thcrescns Lügen hattcn
damals kurzc Bcine, und dic Gläubigcr drohten. Um jcnen
Lügcn die nötigc Lebcnskraft zu gebcn, mußtc cine wenigstens
schcinbar unanfcchtbare Persönlichkcit sie in ihrcn Schutz neh-
men, und Therese fand bald den, dessen sie bedurfte.

° Der Maire (Bürgermeister) des Dorfes Beauzelles war
ciu hochangcsehener und gelehrter Mann; er hieß Gustav
H umbert, war Profcssor an der Rechtsfakultät von Tou-
lousc und unabsetzbarer Senator des Departemcnts. Er hatte
zuweilen seinen Weinbedarf bei Theresens Vater gedcckt, und
zwischcn Thercse und Humberts -Sohn, dem Stud. jur. Fre-
deric, cntspann sich ein klcines Verhältnis. 1878 war der
junge Student allcin in Toulouse zurückgcbliebcn; sein Vatcr
war in das hohc Amt cines Gencralprokurators am Rech-
nungshof bcrufen wordcu und wohnte in Paris. Die Ab-
wesenheit des alten Humbert begünstigte das Verhältms der
jungcn Lcutc, sie sahen einander schr häufig, und Thercse,
die schr genau fühltc, wie sie es anstellen müsse, um dns
Jntcrcssc des jungen und des altcn Huinbert zu crrcgcn, sprach
von nichts licber als von ihrcn — Erbschaftcn. Jetzt wurde
die Dache schon dcutlicher: ein altes Fräulein, Eigentümerin
dcs Schlosses Marcottc, hatte versprochen, ihr ganzes Vermögcn
und natürlich auch das Schloß Thcresen zu hinterlassen; aber
es crhobcn sich zahllosc Schwierigteiten, und Thercse rbat
den juristischen Rat des Studcnten. Er crteilte ihn so gut. als
möglich, und scin Jntcresse an dcn Angelcgcnheiten der Freun-

din brachte es ganz natürlich mit sich, daß er, wo sein eigencs
Wissen nicht mehr zureichte, stch an den in Paris lebendcn Va-
ter wandte. Sicherlich waren damals Vater und Sohn guten
Glaubcns. Das alte Fräulein starb sreilich nicht — aus cinem
sehr triftigen Grund, denn weder das Fräulein, noch das
Schlotz Marcotte existierten. Abcr in den Gemütern der zwci
Humberts war das Jntercsse für Theresens Rechtshänücl er-
regt. Beide erblicktcn in Therese von jetzt ab die rciche Erbin.
Als Frederic um Therese warb, setzte der Vater ihm keincn
Widcrstand entgegen. Dic Aussicht auf Reichtum überwanv
s alle Bedenken, dic man sonst gegen das Ehebündnis geltend
^ machcn konnte: den Mangel an «chönheit, Theresens größcres
i Altcr, die zweifelhaften Zuftändc im väterlichen Haus. The-
> rcsc hat zwei Eigcnschaften, die den Humberts fehlten: Wil-
j lenskraft und Ueberredungsgabe. Bei dcn
^ Humberts tvar die höhere Jntelligcnz, aber sie uutcrlagen
! leicht dem Einfluß der unermüdlich rcdenden Thercse. Am
z Hochzeitstag hatte Therese einen Strcit mit ihrem Friscur;

als cr ihr dcn Brautkrcmz übcrbrachte, mahnte er sie an eine
! alte Schuld. Aber Therese brachte es fertig, den Mann nach
j Hause zu schicken und ihm nicht einmal den Brautkranz zu be-
! zahlcn.

Die portngiesische Erbschaft.

Nach der Hochzcit lebte das junge Paar zu Paris in sehr
: bcscheidenen Verhältnisscn. 1881 tauchte zum erstemnal das
; Gerücht von einer kolossalen Crbschaft auf. Es handelt sich
j um viele Millionen — das ist stcher. Weniger stcher ist die
^ Zahl der MMonen und die Nationalität des Erblafsers. Zu-
s nächst spricht man von einem Portugiesen. Generalprokurator
j Gustav Humbert erzühlt einem Kollegen vom Staatsrat, daß
j eine Erbschaft in Lifsabon an seine Schwiegertochter Therese
j gefallen sei; es seien Miterben da, die Theresen einiges strettig
; machen. Und Gustav Humbert bittet seinen Kollegen, einige
s schwierige Rcchtsfragcn mit ihm zu erörtern; cr erzählt ncben -
j her lachend, daß bei der Berechnung des Erbteils seiner Schwte-
; gertochter ein Rechcnfehlcr gemacht worden sei, den er entdeckt
^ habe. Es handelte sich urn die Bagatclle von 600 000 FrS.
i Er klagt, momentan „genicrt" zu scin, wcil sein Sohn mchr

- als cine Million Franks als Erbschaftssteuer dcni Fiskus cnt-

- rick-lcn müsse. Fraglich ist, ob Gustav Humbert zu jener Zeit
s noch dcn „guten Glaubeu" bcwahrt hatte. den er anfnngs dcn
s Erzählungen seiner Schwicgcrtochter, spärer auch denen sein:S
i Sohncs Frederic, cntgcgcnbrachtc. Sichcr ist, daß dic Um-
) stände es schwcr machen, an die Unschuld dieses Mannes, vcr

- später als Justizministcr die Rechtspflegc seines Baterlandes
: leitete, zu glauben. Fredcric war dem Einflusse Thercscns
s uuterlegen und hattc den Plan des gigantischen Schwindels
j imndestcns stillschwcigcnd gebilligt.

Die amerikanische Erbschast.

, Von 1881 bis 1883 formte sich die portugiesische Erbschaft
. in cine amerikanische um. Der Erblasscr bckommt dcn Nanien
! Crawford und als Ort, wo cr gestorben, wird Nizza gc-
s nannt. Die Höhe der Erbschaft stand aber noch nicht fcst. Als
i Frcderic Huinbcrt 1881 über den Ankauf der Domäne Ce-
^ Ichran bei Toulouse (natürlich auf Kredit) verhandelte,
s nannte er dcm Verkäufer 20 Millioncn. Erst 1884 wurde die
; unwandelbarc Geschichte der H u n d e r t m i l l i o n c n e r b -
s ch a ftt geschaffen, die seitdem Hunderten von Gläubigern
wiederholt wurde. Diese Gcschichte ist solgende:

„Henry Robert Crawford, der um 1853 mit der Fa-
s milie Daurignac intim befreundet war — später lietz Therese
! durchblicken, cr sei der Liebhaber ihrer Mutter gewesen —

! war im September 1877 gestorbcn und hatte zwei Testamente
vom selbcn Datuni hinterlasscn. Die zwei letztwilligen Ver-
z fügungen widersprachen eincmder: durch die eine hinterließ er
^ sein ganzes Vermögen Therese Taurignac. Die andcre Ver-
) fügung teilte das Vermögen in drei Teile: ein Drittel für
! Maria Daurignac (Theresens Schwester), ein Drittel für

- Hcnry Crawford (einem Neffen des Erblassers) und das letzte
^ Drittel für Robert Crawford, Henrhs Bruder. Auf den An-

tcilcn dcr Crawfords ruhte jedoch die Bclastung, eine Rente
von 30 000 Franken monatlich an Therese auszuzahlen. Beide
Testamente sind daticrt: Nizza, dcn 6. September 1877. Da
ihr Jnhalt unversöhnlich war, mußten erbitterte und schwie-
rige Prozesse cntbrennen. Aber zwischen den Familicn Craw-
ford und Daurignac herrschte zunächst der Geist des Friedens.
Am 14. März 1888 wurde folgcnder Bergleich zwischen den
Humberts und den Crawfords geschlossen: Alle Werte, welche
die Aktivmasse der Erbschaft darstellten, wurden der Obhut der
Frau Humbert anvertraut, welche fich verpflichtete, nichts daran
zu ändern, bis ihre minderjährige Schwester Maria Daurignae
großjührig sci und ein freundschaftlichcs Arrangcnicnt zwischcn
den Parteien zustande komme; falls Frau Humbert ohne Ein-
willigung der Crawfords an dic ihr anvertrauten Werte auch
uur rührte, sollte sie aller Rcchte auf die Erbschaft verlustig
wcrdcn.

Am 9. und 11. September 1884 wurde dieser Vergleich
durch einen anderen ersetzt, welcher durch Austausch von Bric-
fen ües Ehepaares Humbcrt und der Gebrüder Crawford per-
fekt wurde. Darin vcrpflichten sich Henrh und Nobert Craw-
sord, das Testament ihres Oheims, in welchem dieser sie zu
Erben einsetzt, als nichtig anzuerkennen, falls Th'erese Humbert
jedem von ihnen 3 Millioncn auszahle." Die Weigcrung der
Crawfords, diesen zweiten Vergleich auszusührcn, bildete das
das Grundthema aller späteren Prozesse.

Tie Eriiwsord-Komödie.

Der Jnhalt dieser Prozesse ist für die Anklage gcgcn The-
resc Humbert und ihre Mitschuldigen ohne Belang. Von
Wichtigkeit ist nur, dah dicse Konwdic zwanzig Jahre lang vor
allen Pariser Gerichten spielte, und daß Richter, Anwälte und
Gläubiger an dic Existenz der Erawfords glaubtcn. Theresens
Spekulation war sehr cinsach: „Wenn die Erbschaft üestrittew
wird, so mutz sic vorhandcn sein". Nm sie zu bestreitcn,,
brauchte man die Crawfords, und um dicsen unsichtbaren
Hampelmännern, die von Fredcric Humbcrts Hcmd gezogcn
wurdcn, eincn Anschcin voü Wirklichkeit zu geben, mutzlc man
zur Fälschung greifen. Zu diesen Fälschungen, welche There-
sens Brüder, Romain und Emil ausführten, warcn Therese
und Frcderic Humbert die Anstifter. Die Wege, auf dencn
die Crawfords erschienen, nm ihre Existcnz dcn Gerichten wahr-
scheinlich zu machen, waren sehr verschieden. Gerichtsprüsident
Baudouin zu Paris erhielt Briefe von Henry Crawford, worm
dicser ihn bat, ihm eine Privataudicnz zu gewähren. Als ge-
wissenhafter Richter licß Baudouin dicse Bricfe gänzlich un-
beachtet. Das Manöver nahm ihn sogar gegen den Kläger,
der die richterlichc Unparteilichkcit verletzen wollte, gewaltig
cin. An der Existcnz dieses Henry Crawford zweifeltc er nicht,
namentlich nicht, als er in den Aktcn-Bricfe desselben Jndivi-
duums fand, deren Handschrift mit den an ihn gerichteten Pri-
vatbricfen übereinstimmtc. Die Untersuchung ergab, datz
N o m a i n Daurignac beidc Arten don Briesen schrieb.
Vor dem Notar Dupy in Bahonne erschienen die zwei Craw-
fords in Flcisch und Blut, ließen sich durch Zeugen rckognos-
zicrcn und cine Vollmacht aufnehmen — es Ivaren die Brüdcr
Romain und Emil Daurignac, welche die zwei amerikanischen,
Lustspielfigurcn verkörperlcn. Dem Gerichtsvollzieher Le -
comtc, wclcher eine Zustellung im Louvrehotel an die dorl
berwcilendcn Crawfords vorzunehmcn hattc, wurde einc cbcn-
solche Komödie vorgespielt.

Vor allcm kam es darauf an, dic Prozessc nic zu Ende rom-
men zu lassen. Nie durftc Therese Humbert in die Lage vcr-
setzt kommen, nach gänzlicher Niederschlagung der Crawfords
die Schlösser des geheimnisvollen Geldschrankes in ihrem Pa-
lais in der Pariscr Avcnuc dc la Grande Armee zu offncn.
So lange der Geldschrank gcschlossen blieb, so lange die Craw-
sords gutc Wacht vor ihm hieltcn, wirkte er magisch cmziehend
auf die Millionen der Wucherer. Um das Ende der Prozesse
zü vcrzögern, war Frederic Humbert unerschöpflich in Aus-
künften. Und wer sollte auch glauben, datz ein Vecsahrcn
fingiert wärc, an welchcm die eine Partei, dic Humberts, in,
eincm cinzigen Jahr 120 000 Franks an Gerichtskosten und

Äilbeimine von 6drrvr keiSelberger k
krinnerungen.

Mitgeteilt von Heinrich H e i n z.

(Schluß.)

Noch ein Werk der Zerstörung war damals im Anbe-
ginn, ich weiß nicht, wie weit es gediehen. Karl Theodor
hatte na'he dem Ausgange der Plöckstraße eine große
Pflanzung errichten lassen, in deren Umfang eine schöns
Suelle, von Ruhebänken umgeben, sprudelte. Sie bestand
aus den seltensten Bäumen entfernter Zonen, die mit
ungeheuren 5losten herge'bracht und sorglich gehegt wordcn
waren. Hier sand der Luftwandelnde Schatten, Kühlung
und Düfte, die Kinder der Vorstadt hatten hier ihren
sriedlich gesahrlosen Tummelplatz, denn Reiter und Wagen
durften nicht hinein. Die Psründner des nahen Spitats
ergingen sich gern unter den riesigen Bäumen."

Frau von CH6zy schildert des weiteren ihren gesell-
schafttichen Verkehr mit Kirchenrat Schwarz, Pau-
lus, Schelver, Boisser6e, Bertram, Kon-
sistorialrat,H o r st i g aus Bückeburg u. a. Sie rühmt die
Verdienste des aus Norddeutschland gekommenen Hofrats
Z a ch a r i a e um die Veredelung des Bnrschentones. Gar
ost variiert sie — schon damals! — die Klage über eine
sortschreitende Prosaierung Heidelbergs. „Wer nicht auf
dcm Wolssbrunnen das ländliche Häuschen be-
sticht, an dessen Wand ein breiter Herd von Rasenstücken

! lustig lo'derte, ein Kessel brodelte, stets bereit, die Fo-
> rellen auszunehmen, die noch a'hnnngslos im Bache tanz-
ten, — wer dann mit dem 'Fischerniädchen an den Weiher
ging, und sich ans dem Netz, das sich in einer Minute
füllte, die schönsten Fische aussuchte, sie dann am länd-
lichen Tisch unter riesigen Bäumen genoß, der kann sie'E
sreilich nicht mit Behagen in die jetzige Bewirtung sinden!
Doch sind es meist nur die Söhne und Enkel der ehemaligen
Besucher des Wolfsbrunnens, die man hier antrifft, und
tiefer hin im Walde walten noch die früheren Zauber der
Gegend. Man tlagte mir noch, daß die Verwaltung eine
herrlichs 'weitumschattende Linde, das Lieblingsziel des
unsterblichen Opitz ") auf seinen einsämen Wanderun-
gen, hatte ausrotten lassen. Sie stand, wenn ich nicht
irre, unweit vom Wolfs'brunnen . . . Frau von Helvig
führte uns oft in einen der vielen Gärten, die damals
um Heidelbergs Fuß her grünten, zu einer dicken Milch,
teils nach Schlierbach, teils nach Neuenheim. Wir waren
meist 30—40 Personen . . . Die Kreise der Frau von
Helvig waren hciter bewegt,, anmutig belebt . . . Zu den
Crwartungen, die damals Heidelberg bewegten, gehörten
die von Goethes Besuch bei Boisserse. Auch der Ge-
neral von HeI 'vig sollte kommen, doch er wurde ge-
fangen genommen, und steine Gemahlin eilte nach Mainz,
um Gerechtigkeit für ihn zu erwirken."

Jm Herb'st 1811 ging Frau von Chszy an den Hof

*) Opitz, 1619.—20 hiesiger Student und im Hause
Lingclshcims Mittelpuntt der dichterischen Juzend; berühmt
sein Sonctt „Vom Wolfsbrunncn".

des Fürstprimas von Dalberg in A s ch a s f e n b u r g.
Jnteressant ist uns noch die Stelle aus ihren Memoiren,
wo sie die Verdi e nste Kotzebue 's um die Er -
haltung des H e i d e l 'L e r g e r >Schlosses
preist. „Ltotzebue hat die Heidelberger Schloßruine ge-
rettet, indem er in edler Entrüstung dem unvergeßlichen
Karl Friedrich eine krästige Vorstellung wegen der ge-
waltsamen Zerstörung sandte, an welcher sie bedroht war
und 'die schon viele Jahre hindurch über sie ergangen
war. Sie wurde so nach und nach abgetragen. Wenn
die Landleute Bausteine brauchten, suhren sie hin und
holten sich welche von dort, man ließ sie gewähren. Nicht
das feindliche Geschütz und nicht die Gewalt der Stürms
hat die Heidelberger Schloßruine so ruiniert, wie der feige
Stumpf'sinn jener Tage. Kotzebue erstchr, ich weiß nicht
wie, daß eine Behörde in Karlsruhe oder Heidelberg be-
reits mit einigen Mitgliedern jener Gesellschaft, die man
die schwarze Bande hieß, einen Kaufkontrakt abgeschlossen
und daß bereits alle Anstalten getroffm seien, die ganze
Schloßruine abzutragen und 'dem Boden gleich zu machen;
konnte man doch eine große Summe "Gekd dafür lösen.
Zugleich mit der Sendung nach dem Markgrafen hatte
Kotzebue in seiner weit verbreiteten Zeitschrift: „Der
Freimütige" seine Stimme über drese llntat erho'ben, es
war die höchste Zeit. Karl Friedrich nahm Kenntnis vom
Kauskontrakt und ließ ihn auf der Stelle vernichten. Graf
Karl von Graimberg hat diesem Vorgang in seiner
Kttnstsammlung ein Denkmal gestiftet. Um die Toten-
maske des ermeuchelten Kotzebne hat er die Geschichte
 
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