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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 176 (1. Juli 1903 - 31. Juli 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0083

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drschrivt tLxlich, Sonniogk auSgensWMen. PreiS mii FsEenbiätterk monatiich 50 Pfg. in'L Haus gebracht, bci der Expedition und den Zweigstationen abgrholt 40 Pfg. Durch dLr

vezogen vierteiiährlich t.35 Mk. ansschlirtzlich Zustellgebühr.

^«lelgtnpreir: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile odrr deren Raum. Rcklamczeile 40 Pfg. Für htesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme v»k N«z«iK«
«« destimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anichlag der Jnirrats auf drn Plakattafeln der Hridelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Ferniprecher 8L

Än die nationalliberalen Vezirksvereine
Badens.

Die R e i ch s t a g s w a h I s ch l a ch t ist geschlagen,
E wir haben Grund, auf ihren Verlauf mit Genug -
Vtung zurückzublicken. Trotz des gewaltigen Ansturmes
, links und von rechts hat sich die Zahl der Abgeordneten
nationalliberalen Fraktion im Reichstag nahezu auf
bisherigen Höhe gehalten, die Zahl der auf unsertz
. r>ndidaten abgegebenen Stimmen aber um 300 000 ver-
^hrt. In unserem engeren Heimatlande ist ßs unserer
?ortei sogar gelungen, nicht nur die Rßichstagssitze zu be-
^stpten, die ste seither inne hatte, sondern auch noch ein
^teres Reichstagsmandat zu erobern.

. Es ist speziell dieses Ergebnis der Reichstagswahlen
^ Baden um so erfreulicher, als der Kampf unter un-
^^'tigen Verhältnissen durchzuführen war. Wir standen
oemselben von Anfang an allein und hatten ihn nach
^ e i H a n P tf r o n t e n auszufechten, indem wir nicht
r das Zentrum, sondern auch die Sozialdemokratie als
E.siille grundsätzlichen Gegner mit Entschiedenheit be-
Aripfx^ mußten. Dazu kam noch in einzelnen Bezirken
f -iiampf gegen den Bund der Landwirte, dessen Anhänger
stb/ ^ Stichwahl znm großen Teile uns Hilfe lei-

- Wenn trotz dieser für nns schwierigen Lage die Ge-
'"Mtzahl
^ n auch

ZZhre 1898 eine starke Vermehrung erfuhr und
dahl der ber uns der nationalliberalen Parter zuge-
llenden Mandate von drer auf vier sich erhöhte, so haben
m vio-, hauptsächlrch der rastlosen, energrschen nnd zielbe-
Mchten Arbeit unserer Parteigenossen in Stadt und Land
^Zuschreiben, die keine Bkühe scheuten, um unserer Sache
hm Siege zu verhelsen. All den wackeren Mitkämpfern
llt mrser wärmster Dank. Wir sind ihncn ganz besonders
^lür dankbar, daß sre kleinere MeinrlngsverschiedLnheiten,
s ^ Üe da und dort rm eigenen Lager sich herausgebrldet
s. sien, in dem schweren Entscheidnngskampfe zurücktreten
hp, ^ u"d üch einmütig und geschlossen um das Banner
r " vernünftigen, gesunden und maßvollen Fortschritts
"arten, das unsere Partei allezeit hochgehalten hat.

Bir

können unsere Freunde nur aufs dringendste bit-

d er natronal liberalen Stim-
in unserem Badener Lande im Vergleich zum

an solcher Gesinnug festzuhalten, die Hände nicht
enSchoßzu legen, sondern zu bedenken, daß

tep

, lr bereits rn wenigen Monaten in der Hälfte der Wahl-
. üEe des Landes die L a n d t a g s w a h le n zu bestehen
^ o^», und jetzt schon alles v o r zu b e r e i t e n
d aufznbieten, daß wir auch aus diesem, sür
^ !^re^ engere Heimat so wichtigen und bedeutungsvollen
^Mpfe fn Ehren hervorgehe n. Wrr weisen na-
^ ?Utlich darauf hin, wie wichtig es ist, die O rganisa -
.? u der Partei irr den einzelnen Bezirken zu ver-
hwMm, in allen Gemeinden, in denen dies noch
^ "Ü geschehen ist, V e r t r a u e n s m ä n n e r aufzustel-
ü in möglichst vielen Gemeinden nationallibe-
l e O r t s v e r e i n e zu gründen und die Fühl u n g
ft d e n hreiten Schichten der Bevölker -

nng, wie sie anläßlich der Reichstagswahlen aufs neue
gewonnen worden ist, nicht zn verlieren, sondern zu st ä r-
k e n u ndzumehre n.

Jn der Sache selber ist nns der Weg, den wrr anch 'ber
den bevorstehenden Landtagswahlen zu gehen haben, klar
vorgezeichnet.

Wir wollen nicht nur den nationalen, sondern
auch den liberale n Gedanken hochhalten. Wir
wollen uns allezeit daran erinnern, daß dre besten
Tradirionen unseres Vadener Landßs in seiyer fxeiheit-
Iichen PoIitik wurzeln, und es soll unsere Aufgabe !
sein, a l I e n r e a k t i o n ä r e n B e st r e b u n g e n, sie
mögen kommen, vvn welcher Seite sie wollen, tatkräftig !
entgLgLnzutreten.

Unser Hauptgegner in dem bevorstehenden Wahlkampfe
wird, wie bei den seitherigen Landtagswahlen, das Z e n-
t r u m sern. Es muß a I l e s a u f g e b o t e n w e r d e n,
daß dem Wachsen des Einflusses dieser k o n f e s s i o n el-
len Partei, welche im entschiedensten Gegen-
satze zu uns die Zulassung der Jesurten rm Rerch und der
Männerklöster in unserem Badener Lande verlangt und für
die geistige Freihert unseres Volkes eine schwere Gefahr
bedeutet, Einhalt geschieh t. Von allem Paktieren
mit dieser Partei, die eben erst bei den Reichstagswahlen
unter nichtigen Vorwänden durch ihr Verhalten dazu
beigetrag'en hat, daß mehrere! Wahlkrerse de's Landes
der Sozialdemokratre ausgeliefert wurden, kann für uns
keine Nede sein. Vielmehr muß ste von jedem, der an
den liberalen Errun'genschasten unseres Staatswesens fest-
halten unö von politischem Konfessionalismus und kleri-
kaler Bevormundnng nrchts wissen will, auss entschiedenste
bekämpft werden.

Den immer aufs neue wieder gegsn uns erhobenen
Vorwurf, daß wir, wenn wir den Mtramontanismus 'be-
kämpfen, damit gegen die katholische Kirche ernen Schlag
führen, weisen wir mit Entrüstung zurück. Nremals haben
wir die hohe Kulturmisston unserer Kirchen verkannt;
st ets haben wir es abgelehnt, Lente , die
i n d i e s e r R i ch t u n g a n d e r e n A n s ch a u rr n g e n
Ausdruck gegeben haben, uns andie Ro ck-
s ch ö ß e h ä n g e n z u l a s s e n und immer sind wir sür
berechtigte kirchliche Forderungen, insoweit sie staatlicher-
seits erfüllt wevden können, zu haben gewesen. Wer wir
bekämpfen das unheilvolle Bestreben, rm paritätischen
Staat das ganze politische, ja das ganze 'bürgerliche Leben
konfessionellen Gosichtspunkten nnterzuordnen; wir be-
kämpfen alle Versuche, an der Frerheit von Wrssenschaft,
Kun'st und Schule zu rütteln; wrr bekämpfen den
Gerst engherziger Jntoleranz, wie er sich
leider unter klerikalem Einfluß in weiten Schichten unseres
Volkes immer mehr brert macht; wir bekämpfen den in
Regiernngskreisen nicht feltenen 'Zrrtum, daß durch weitere
Konzessiopen auf kirchenpolitrschem Gebicte ein dauernder
Friede zwischen Staat und Kirche hergestellt werden könne.
Wir bitten unsere Freunde und Gesinnungsgenossen drin-
gend, daß ste uns in diesem Kampfe ber den kommenden
Wahlen treu zur Seite stehen.

Wir werden im Wahlkampfe aber auch in verschiedenen
Bezirken der S o z i a l d e m o k r a ti e gegenüberzutreten
haben. Wir dürfen nrcht vergessen, daß für uns auch mit
ihr ein Paktieren unmöglich ist, da ste dis Monarchie be-
fehdet und sich nicht dazu aufzuraffen vermag, den großen
nationalen Gestchtspunkten Rechnung zu tragen. Wrr
wollen aber dadürch, daß wir berechtigten Forderungen
unscrer Arbeiter zur Erfüllung zu verhelfen suchen, das
unsrige dazu beitragen, daß ihnen das Einlenken in eins
gesunde, anf nationalem Boden stehende Politik erleichterj
wird.

Wir bitten uni-"v B^-i^sv'-'-eine

oreien Gesrchts-

^-.„aren sofort in die Arbeit sür dte LandtagZ-
wahlen einzntreten, dieselben angesichts der
eminenten Wichtigkeit des Wahlausfalles für unsere ganze
Landespolitik mit größter Energie und Aus-
dauer durchzuführen und alle Kraft dasür einzusetzen,
daß die politische Entwicklung in unserem engeren Heimat-
lande auch künftighin eine gesunde und glückliche bleibt.
Karlsruhe, den 11. Juli 1903.

Dcr cngerc Ausschusr
der nationalliberalen Partei Badcns.

Deutsches Reich.

— Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Dre „Posener
Zeitung" brachte dieser Tage eine auch von anderen Blät-
tern übernommene Mitteilung über ein angebliches Ge-
spräch dcsKaisers mit dem Amerikaner Vanderbilt, in
dem der Kaiser sich über dre Frage der Rerchstags-
auslösung und über das Anwachsen der soziaId e-
mokratische n Stimmen nsw. geäußert haben soll.
Diese Mitteilung beruht auf Erfindn n g.

Berlin, 11. Juli. Der „Reichsanzeiger" berichtet:
Am 9. Juli wurden von einer Kommission, bestehend aus
Vertretern des Neichseisenbahnamts und der preußischen,
sächsischen, bayrischen und badischen Eisenbahnverwaltung
bei Karlsruhe Versuche mit der Steiner-
schen D i st a n z b r e m s e vorgenommen. Diese Ein-
rrchtung, die ursprünglich dazu bestinnnt ist, die durchge-
hende Bremse ernes Zuges, der an einem auf „Halt" ste-
Henden Signal vorüberfährt, selbsttätig auszulösen, war
hier so umgebildet, daß die Lokomotrvpfeife bei der Vor-
überfahrt ertönte. Der Apparat sunktionierte auch bei
der höchsten zur Anwendnng gekommenen Geschwindigkeit
von 110 Kilometern in der Stunde richtig, aber infolge
der außerordentlichen Jnanspruchnahme trat an einem
wichtigen Bestandteil ein Bruch ein. Die Versuche werden
nunmehr im regelmäßigen Betriebe während längerer
Zeit fortgesetzt.

Swinemünde, 11. Juli. Die Kaiserjacht „Ho-
henzollern" mit dem Kaiseran Bord, sowie die Begleit-
schiffe „Nymphe" nnd „Sleipner" sind heute Pormittag
8 Uhr nach Bergen in See gegangen.

Badcn.

— Der engere Ausschuß der deutschen
Volkspartei Badens tagte am Freitag in Karls-

^rüfrmgsauftührungen des Heidelberger
Konservatoriums.

alljährig vor Schluß des Schuljahres fandcn auch in
Ze r? Jahre und zwar letzte Woche die Prüfungskon-
obiger Anftalt statt. Gab die crste Aufführung am
in kleincrem Rahmcn im Saale der Theaterstraße
R, ncben Leistungcn weit Uorgcschrittener Schüler —

sius^ltz^ore nur an die treffliche Aufführung der Liszt'schcn
Lie -^llchen Tichtungen „Les Preludes" sür zwei Klaviere —
fts,^°rtschritte der Vorbereitungs- und Mittelklassen zu vcr-
^ bot das zweitc Konzert am Freitag im städtischcn
siih?.!. .n ein Programm, das, in so trefslicher Weise durchge-
leuü' selbst von den großcn Staatskonservatorien selten gebo-
wrrd.

Hauptinteresse lenkte sich den beiden Klavierkonzerten
,?chumann und Mozart zu, in den Soloparten schon weii
Nen Lcistungcn, die durch die flotte Unterstützung eines
test ^schulten Orchesters noch gehoben wurden. Die Möglich-
Tekö? strcngc Orchesterzucht zu kommen, ist für den an-
dj^liweu Konzertspieler von größtem Vorteil, und cs biete^
sqj, ^egleitung eines zweitcn Klavicrs nur einen schwachen Er
ließen dcnn dicse beidcn Vorführungen an Präzisioi

wit '

— Heidelberg, 12. Juli.

ließcn denn dicse beiden Vorführungen an Präzision
^ öu wünschen übrig. Wohl die schwierigste Aufgabe war
Vorsührung der Beethoven'schcn Cis-moll-Sonate ge-
fjch.s- ^as Ausdruck und Tiefe betrisft, so zeigte die Durch-
dieses Werkes das ganz hervorragende Talcnt der ju-
ech°"chen Spielerin, der man schon heute das Prognostikon
D^rwählten erteilen kann.

labcths Gebet aus Tannhäuser sowie mchrere Lieder
den vokalen Teil. Fehltc es ersterem Wcrke noch an
dh„Dwfe der Auffassung, so war doch die technische Seite einc
gelungene, ebenso der Vortrag der Liedcr. Mehrere
°wr- und Violinvortrüge von durchweg schöner Wirkung

reihten sich an; nicht zu vergessen ist die rühmenswerte Aus-
führuug der Klavierbegleitung zu den Violin- resp. Gesangs-
nummern. Mozarts humorvolle und doch innerlich so reiche
Kamposition „ein musikalischer Spaß" für Streichorchester und
zwei Hörner bildete, vom Orchester präzise und auch in dcn
Solostcllen rein - und effcktvoll vorgetragen, eincn reizvollcn
Abschluß des Konzerts. Die Leitung dicser wie der übrigcn
Orchesternummcrn lag in den Händen des Herrn Direktor
S e e l i g. Man kann ihm und Herrn Direktor Neal als
Borstehern des Heidelberger Konservatoriums nur Glück wün-
schcn zu den Resultaten, die ihncn im Laufe dcr Jahre an der
Anstalt zu crzielen gelungcn sind.

Kleine Zeitung.

— Mnnchrn, 10. Hüli. Gründung eines
K l i n i k e r - V e r b a n d e s München. Jn einer
von einem Komitee Medizinstudierender unter dem Vor-
sitz des Herrn cand. med. Schede im Rokokosaal der alten
Hackerbrauerei einberufenen Versammlung, die von etwa
300 Medizinern in klinischen Semestern besucht war, wurHe
den „M. N. N." zufolge die Gründnng eines Kliniker-
VerbaNdes unter großem Enthusiasmus beschlossen. Der
Statutenentwurf wurde einsstmmig genehmigt. Das Ziel
ist die Wertretung der Jnteressen der Klinikerschast, die
Erziehung zu sozialem Denken und Vorbereitung für -die
des Arztes in der Praxis harrenden Verhältnrsse. Nächste
Woche soll eine neuerliche 'Versammlung abgehalten wer-
-den, welche den ersten praktischen Schritt bezüglrch Mrl-
dcrung der Härten der bestehenden Uebergangsbestim-
mungen für das praktische 'Zahr bezweckt.

— Kattowih, 11. Juli. Hier wurden drei Männer
verhaftet, die hier und in der Umgegend an Schulkinder
vergiftete Bonbons verteilt hatten. 36 Kinder
sind nach dem Genuß verstorben.

— Wicn, 11. Julr. Der Afrrkaforscher und ehemalige
Oberleutnant in der deutschen Armee, Theodor West-
mark, wurde in Altheim (Oberösterreich) wegen eines
Sittlrchkeitsdeliktes verhaftet.

— Ans dcm Lebcn frnherer Päpstc. Pnpst Paul IV.
ließ in Rom die schönsten 'Springbrunnen errichten. Zum
Dank dafür nannte ihn der 'Volkswitz statt pontifer mari-
mus — fontrfex marimus . . . Ein „Adepl" kam zum
Papste Jnnocenz X. nnd bot ihm den Stein der Weisen
an, durch den er Gold 'machen könne. Der Papst schien
barauf eingehen zu wollen, seine Finanzen waren nicht
gnt. Der Adept fragte endlich auch nach sejner Belohnung.
Der Papst ging in das N'ebenzimmer und kehrte zurück mit
einem großen Beutel, den er dem Adepten in die Hand
drückte. „Aber", sagte der Schwrndler mit Erstannen,
„Herligkert, es rst ja nichts darin!" — „Nein", sagte der
Papst, „nun, mein Sohn, da du.die Kunst verstetzst, Gold
zu machen, so fehlt drr offenbar auf der weiten Welt gar
nichts als ein Beutel, in den du das Gold hineintun
kannst" . . . Dem Papste Clemens XIV. sandte ern
Mönch eine Predigt ein, die er wider die Ungläubigen,
die Ketzer und Heiden gehalten hatte, und bat den Papst,
der Predigt, die gedrnckt werdrn sollte, eine Empfehlung
beiznfügen. Clxmens las das Machwerk nnd ließ dem
Mönche sagen. cr sei erbötig, das Lesen dreser Predigt allen
 
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