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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 229 - 255 (1. Oktober 1903 - 31. Oktober 1903)
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, L«<G 24. lSV._Erftes Bkatt.

Trscheiut tSglich, Sonntagr auSgenommen. Prci» mit Famtlienblättern monatlich 50 Pfg. in'S HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch di« Pcft

bezogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschlietzlich Zustellgcbühr.

LnzeigenpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige GeschäftS« und Prtvatanzeigen ermätzigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übcrnommen. — Anschlag der Jnserate aus den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Deutsches Reich.

^ Der General der Jnfanterie nnd Präsident des
^chsmilitärgerichts v. Gemmingen ist gestern Vor-
^ittag gestorben.

Badcn.

Karlsruhe, 23. Okt. Das heute herausgegebene
^esetzes- und Verordnungsblatt enthält zwei landesherr-
^che Verordnungen. Die eine betrifst die Verwendung
bon GeistIichen als Lehrer an höhere n Leh r-
^ usiaIten, die zweite Verordnung l>etrifft die P f I i ch-
^n derBeamt en. Letztere verordnet was folgt:

Der Paragraph 27 Absatz 2 der Verordnung vom 27.
^szember 1889 in der Fassung vom 14. Dezember 1902 wirü
Wirkung vom 1. Januar 1904 abgeändert wie folgt:
nichtetalmäßigen Beamtcn sind im Falle einer durch
bewirkten D i e n st b e h i n d c r u n g die Dienst-
cfäüge fstr 20 Wochen nach der Erkrankung zu belassen. Er-
-lalt ein in einer staatlichen Anstalt angestellter nichtetatmäßi-
Beamter, dessen Dienstbezüge zum Teil in freier Woh-
5ung und Verpflcgung in der Anstalt bestehen, währcnü dcr
?Urch Krantheit bewirktcn Dienstbehinderung in der Anstalt
Weie Kur und Verpflegung, so kann ihm währcnd'einer sol-
sllM Erkrankung der Barbezug an Vergütung um einen von
Anstellungsbehörde festzusetzenden Betrag gemindert wer-
welcher den durch die Kur und Verpflegung der Aprstalt
^strchschnittlich erwachsenden Mehrkosten cntspricht. Durch die
.wcin nichtetatmäßigcn Beamten zunächst vorgesetzte Zentral-
Nelle, beziehungsweise falls die Anstellung von einer höheren
^ohürde ausgegangen ist, durch die Anstellungsbehörde, kann
.^un^ Vorliegcn besonderer Billigkeitsgründe die Belassung
Bezüge üis zur Dauer von ncun Monaten genchmigt wer-
Zur wcitcrcn Belassung ist landesherrliche Genchmigung
brforderlich.

Mannheim, 23. Okt. Das Vertrauensvotum, do<s
sozialdemokratischen Verein dem in der Kandidaten-
K'age unterlegenen Führer Dreesbach erteilt wurde,
^atte, mie von sozialdemokratischer Seite zugegeben
^urde, den Zweck, Dreesbach dis Veranlassung zu nehmen,
.^lch sein Reichstagsmandat niederzulegen. Mit Drees-
^ach ist der gesamte Parteivorstand von seinem Amt zurück-
ö^treten und leitet die Geschäfte nur provisorisch bis zur
Nenwahl.

" Auf nnsere Frage: Wo bleibt öie Jnternationali-
^at? nämlich bei den Sozialdemokraten, die dem demo-
.l-'atischen Kandidaten Herrn Eder die Beschäftigung polni-
Icher Arbeiter verübeln, erwidert die „Volksstimme": Tie
laZialdemokratische Arbeiterschaft wendet sich gegeii die
^eschäftigung polnischer, italienischer nsw. Arbeiier in
pLutschen Betrieben nicht deshalb, iveil sie Ausländer,
wndern weil sie kulturell rückständig sind, auf eiuer weit
uiedrigeren Stufe der Lebensansprüche stehen und deshalü
'si der Lage sind, die untsr groszen Opfsrn mühsam er-
rUMpfte Lohnhöhe und Leüenshaltung ihrer deutschen
Kameraden aufs schwerste zn drücken. — Sehr gut!
Kber blicken wir doch einmal umher iind sehen wir zu, wo
lls Arbeiter zu finden sind, die kulturell avf der Höhs der
^litschen stehen. Die Jtaliener, die Oesterreicher, besonders
'-'dr slavische Teil derselben, die polnisch-rüssisthen und die
^sissischen können sich an Kulturhöhe mit den deutschen
^icht vergleichen. Die französischen und die engliichen

kommen nicht nach Deutschland. Von Chinesen, Malayen,
Negern usw. wollen wir jetzt nicht sprechen; kurz alle
fremden Arbeiter, die als Konkurrenten in Betracht kom-
men, stehen kulturcll niedriger und so ift die Phrase, dasz
man sich nnr gegen die niedrigere Kultur, nicht gegen dis
Ausländer wende, eben eine Phrase, mit der die „Volks'-
stimme" mühsam zu verdecken sucht, daß es ein Unsinn
unh eine Selbftschädigung ist, wenn die deutsche So-
zialdemokratie die Jnternationalität proklamiert. Jm
eigenen Volkstum und für das eigene Volkstum zu wirken,
das ist einer jeden Partei von der Natur vorgezeichnet.
Wann wird die Sozialdemokratie so viel Einsicht bekom-
men, um dies zu begreisen. Schwer ist es doch wahrlich
nicht.

Hcsscn.

Darm st a d t, 22. Okt. Das Zarenpaar wird
am 4. November Wiesbaden besuchen, wohin sich auch der
deutsche Kaiser begiebt. Zu einer zu Beginn -des
November in Petersburg stattfindenden militärischen Feier
soll Kaiser Nikolaus sein persönliches Erscheinen zugesagt
haben, woraus geschlossen wird, dasz die Heimreise des
Kaiserpaares ziemlich nahe bevorsteht. Die Kaiserin
von Rußland sieht übrigens wiederum einem freudigen
F a m i l ie n e re i g n i s entgegen.

Preutzcn.

— Als ein Nachklang des Falles Koru m. ist die Mel-
dung anzusehen, daß die evangelische Oberlehrerin Martin,
welche an der paritätischen Mädchenschule in Trier in Ge-
schichte" und Pädagogik unterrichtete, nach Berlin versetzt
wurde. Dieselbe ist durch eine Lehrerin vom UrsulinS-
r i n n e n k I o st e r ersetzt worden.

Bayern.

Äcünchen, 23. Okt. (Abgeordnetenkam-
m e r.) Abg. Cassel m a n n (lib.) erkenntz das Recht
der illrone anf Entlassnng der Minister an, aber das Volk
verlange energisch eine wirkliche Aufklärung über die Ur-
sache des Ministerwechsels. Was der Präsident mitgsteilL
hat, befriedigt nicht. Der Legendenbildung ist dadurch Tür
und Tor geöffnet. Waren Sie, sagt Casselmann zu den
Ministern gewendet, nicht. von allen guten Geistern ver-
lassen, als Sie einen Kompetenzkonflikt zu einem so ver-
hängnisvollen Ausgang werden liefzen? Der Redner sagt
serner, wenn das/ Ministerium die Wege wandle, welche
die Liberalen verlangen müßten, werde es von der liberm
len Partei unterstützt werdem Wandle es diese Wege ni-cht,
würden die Liberalen stets den Mut haben, den Ministern
die Wahrheit zu sagen. Die gestrigen Darlegungen des
Regierungsprogramms dnrch die Minister hat besriedigt.
Die Liberalen erwarten wohl, daß sich die Regierung nicht
von den Ultramontanen nmgarnen lasse. Der gute Wille
des Ministsrprästdenten ist vorhanden, aber es ist etwas
anderes, ob dieser auch die Macht und die Kraft har, diesen
guten Willen jederzeit in die Tat umzusetzen. (Zuruf des
M i n i st e r p r ä s i d en t e n: Jawohl!) Jm Laufs
seiner Rede hatte Casselmann gesagt: Herr Minister,
wenn Sie sich von dieser Sorte (Zentrum) leiten lassen,

müssen wir Sie bedauern. Das Zentrum rief darauf dem
Vorsitzenden Vizepräsidsnten von Leistner (lib.) zu:
Sorte? Heim (Zentr.) zum Vorsitzenden: Sie müs-
sen besser obacht geben. Vors. v. Leistner: Von ihnen
lasse ich mir noch keine Vorschriften machen. — Fortsetznng
der Debatte nachmittags 4 Uhr.

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben
den Geheimen Rat Dr. Eugen v. Jagemann zum ordent-
lichen Honorarprofessor in der juristischen Fakultät der Univer-
sität Heidelberg ernannt.

— Buchhalter Friedrich Tschipke beim Domänenamt
Bonndors wurde in gleicher Eigenschaft zum Salinenamt
Dürrheim versetzt.

Pfarrkandidatcn. Nachstehende acht Kandidaten, die sich
der theologischen Hauptprüfung in diesem Spätjahr unterzogen
haben, sind unter die evangelischen Pfarrkandidaten
aufgenommen worden: Ernst Görcke von Wusterwitz, Bruuo
Goldschmtt von Karlsruhe, Robert Kaufmann von Gaiberg,
Hermann Nerbel von Mosbach, Heinrich Schäfer von Kälberts-
hausen, Johannes Seufert von Feuerbach, Adolf Vielhauer von.
Eppingen, Oskar Weber von- Sulz unterm Wald.

Karlsruhe, 23. Okt. Die Großherzogin und die
Erbgroßherzogin trafen gestern morgen 10 Uhr 45 Min.
in Eberbach ein. Dieselben begaben sich unmittelbar in die
Landesversammlung des Badischen Frauenvereins, welche-
von 46 Vereinen und über 300 Mitglisdern besucht war
und bis h-atb 4 Uhr nachmittags tagte. Während einer
Panse nnd na-ch Schluß der Versammlung nahmen Jhre-
Königlichen Hoheiten die Vorstellung sämtlicher Anwesen-
den entgegen. Hierauf wohnten dieselben der Einwei'hung
des neuen Bezirkshospitals an, besichtigten das Frauen-
vereinshaus mit dem Schwesternheim und der Frauen-
arbeitsschule, sowie die Jndustrie- und die HaushaltungI-
schule und fuhren zu einem kurzen- Besuche in das Amt-
hans. Zum Schluß nahmen Jhre Königlichen Hoheiten
den Tee im Hause der Präsidentin des Frauenvereins
Frau Knecht-Frey. Die Rückreise erfolgte um 7 Uhr
25 Minuten abends, die Anknnft auf Schloß Baden nach
10 Nh r.

---

Auslarrd.

Ocsterrcich-ttugarn.

I n n s b r u ck, 23. Okt. Jn Bozen wurde gestern
Abend dem Prästdenten des Kreisgerichts, Baron Biege-
leben, eine große Katzenmnsik gebracht, weil nnter seinem
Vorsitz gestern eine Berufungsverhandlung in italiemscher
Sprache ftattgefund-en hat. Die Bevölkerung ist sehr
aufgeregt.

Frankreich.

— Ein russtsches Blatt meldet aus Haris aus angeblich
vollkommen autoritativer Quelle: Die zwischen Delcassä-
und Morin geführten ttnterrednngen betrafen das Mit-
telländische Meer und die Gebiete von Nord- und Nordi-
West-Afrika. Jn sämtlichen Fragen wurde gegenseitiges
Einvernehmen erzielt. Jtalien unterstützt Frankreichjs
Pläne in Marokko, nnd Frankreich wird Jtaliens Einfluß
in Tripolis nicht schmälern. Ferner sagt Fränkreich der

Stadttheatcr.

HeidelLerg, 24. Oktobcr.

„Nachtashl", Szenen aus der Tiefe, von Maxim
r k i.

Der Jnhaber des Nachtasyls, das in- einem höhlenarti-gen
K'ellerraum untergebracht ist und ciner ganzen Anzahl herab-
^ekommener Jndividuen als Zufluchtsstätte dient, ist der höchst
-chrenwerte Michael Jwanowitsch Kostylcw, ein habgieriger,
^Uchlerischcr, scheinheiliger, schmieriger Hehler. Scin Weib
^assiljssa, fast 80 Jahre jünger als cr, unterhält Beziehungen
Ku Wasjka Pcpel, ein-em jnngen Teufelskerl, der vom Dieb-
!Eak>I kebt und dcm Kosthlew die Gelegenheit dazu ausbaldowert
P>d als Hehler dient. Dieser Pepcl repräsentiert die oberste
^ckiicht der Elcnden, die mit ihm zusammen hausen, denn er
!chlüft nicht in dem gemeinsamen Wohnraum, sondern in einer
staminer, die durch eine dünne Wand von ihm abgetrennt ist.

hat immer Geld und gibt auch immer welches her, wenn dis
andern ihn darum bitten. Neuerdings will er mit Wassilissa
'Uchts mehr zu tun haben, denn seinc Neigung ist auf Natascha
üÄallen, die jüngcre Schwester der Wassilissa, eine nicht un-
chnipathische Pcrson. Kostylew ist eifersüchtig -aus Pepel,
^assilissa auf Natascha. Dies gcspcmnte Vcrhältnis löst sich
-amit, daß Wassilissa üei einer Prügelei der Natascha die Füße
oerürüht, und Pepel dcn Kosthlew erschlägt. — Unter den
Msassen dcr Herberge haben einige bunte Schicksale hinter stch,
^fsondcrs der B-aro», der Kürschner, dcr Schauspicler und der
^Elegraphenbeamte Satin. Der Kürschner hatte ein böses,
jwgetreues Weib. Die Ehe, in der es Zank, Streit und
ifvügel gab, endete damit, daß er von Hause fortlief. Er ist
^uartalssäufcr. Auch der Schauspicler ist durch den Trunk
ifruntergekommcn. Sein Gedächtnis hat gelitten, er kann
Pchts mehr unternehmen: die traurigen Reste eines Menschen.
^-atin war Telegraphenbeamter und hatte sich als solcher eine
^ckisie Bildung erworbcn. Er war cine Seele von cinem
Menschen, tanzte ausgezeichnet, spielte Theater und war ein

famoser Gefellschafter. . Da wurde seine Schwester verführt
und verlaffcn. Er erschlug den Verführer, saß 4 Jähr 7 Mo-
n-at im Gefängnis. Wie er herauskam als entlyssener Sträf-
ling, fand er scinen Weg vcrspcrrt. Die Schwestcr ist jetzt
neun Jahre tot und er lebt jetzt, vierzigjährig, im Nachtasyl.
Oft kommt ihm.die Crinnerung an die vielen- Bücher, die er
gel-esen. Er liebt die seltsamen und un-verständlichen Worte.
Das sind sie, Handwerker, Kleinbürger, herabgesunken ins
Lumpcnproletarint. Und unter ihnen der Mann von Adel.
Der Baron -aus vornehmer Familie — unter Nikolaus I. hat
sein Großvater einen hohen Posten bekleidet — machte die
Karriere sciner Standesgenosscn. Aber ein böses Weib und
der Hang zur Liederlichkeit zogen ihn hinunter in die Tiefe.
Als er alles durchgebracht hatte, wurde er beim K-ameralhof
angestellt. Aber auch dort konnte er sich nicht halten, er unter-
schlug amtliche Gelder und mutzte den Sträflingskittel anziehen.
Jetzt g-ibt ihm wöhl N-astja, das arme Ding mit der sehnsüch-
tigen Seele, dann und wann ein paar Kopekcn, die sie auf dcr
Straße verdient hat. Das sind die Leute aus dem Nachtasyl.
Der Putz ist weg und nur der nackte Mensch ist geblieben. —
Dan-n lebt da noch Aljoschka, ein ganz junger, toller Schuh-
macher, und d-as Ehepaar Kleschtsch: Anna, die arme Frau,
die ihr Lebtag nur Hunger und Prügel gekannt hat und nun
auf den Tod liegt, und ihr Mann, der Schlosser, der immer aus
Arbeit wartet. Alle diese Menschen necken und zanken sich.
Sie betrügen einand-er beim Kartenspiel und fangen Streit an.
Man weiß nicht, an wem di-e Reihe ist, den Keller auszufeg-en,
und cs gibt neuen Streit. Man verhöhnt das junge Ding, üas
Romane liest. Der Schauspicler liegt, weil er friert, ge-
wöhnlich auf dem großen russischen Ofen. Der Wirt komrnk
und will den Schlösser um einen halben Rubel steigern, ein-er
bittet um Crlaß seiner Schuld. So g-eht es da unten jm Keller
her. — Eines schönen Aben-ds find-et sich -ein Pilger ein. Er
kommt irgendwoher, -wahrscheinlich aus Sibirien. Er ist ruhig,
freundlich, sanft. Er spricht mit jedem, hilft diesem, tröstct
jcnen, erweckt allen Hoffnungen. Der Lungenkranken schafft

er eine Erleichterung und sprich-t ihr Mut ein, da sie sterben
muß. Dem Schauspieler erzählt er bon ein-er Anstalt, wo-
man Trunksüchtige heilt, dem Pepel rät er, freiwillig nach
Sibirien auszuwandern: da ließ sich noch etw-as machen, wenn
man -arbeiten wolle. Und wenn all-e die arme Nastja wcgcn
ihrer phantastischen Einsälle verhöhnen, nimmt er sie. liebreich
bei der Hand: „Wenn du's selber gl-aubst, dann jhattest du
eb-en eine solche Liebe". Und allen erzählt«er von dem Men-
schen, der an das Lcmd der Gerechten glaubte, wo man ein-
ander hilft und einandcr achtet und wo alles gut ist und schön.
So waltet dieser Alte still in diesem Keller nach den Wortcn
seiner Lehre: Gegen einen Mensch-en freundlich sein, schadet
niemals. Die Lebenden muß man lieben. Zur rechten Zeit
Evbarmen haben, ist immcr gut. Die Art dieses ManneZ
strahlt em Merkwürdiges auf die aus, die ihm nahen. Sie
werd-en lebendig. Satin, der verlorene Mensch, g-esteht: Der
Alte hat auf mich gewirkt wie Säure auf eine schmutzige, alte
Münze. Der Schauspieler hofft fest auf sein-e Wie-dergeburt:
er werde die Stadt, wo die Heilanstalt ift, au.sfindig machen
und sich heilen l-assen. Und Pepel will sich aufraffen und in
Sibirien ein neues Leben anfangen.

Diese Dichtung, die eine Fund-grube der Psychologie ist, ein
Ganzes von tiefer Stimmung und größter Lebcnswahrheit und-
doch wieder nicht so nurrussisch, daß sie nicht von einem unbe-
fangenen rechten Deutschen klar berstanden w-erden könnte, liest
das Publikum -anscheinend kühl, wenigstens war d-er Beifall recht
dünn. Suchen wir wirklich nur noch Amüsement und Zerstreuung
im Theat-er, darf sich vor unsere verfeinerten Seelen wirklich
nur noch d-as Graziös-Berückend-Raffinierte oder das Pl-att-
Behaglich-Komische wagen? Oder w-ar dis Darstellung d-erart,
daß ste d-en Dichter jeder Wirkung b-eraubte? Das war es
nicht. Die wackeren Darsteller blieben der Dichtung nichts
schuldig, klar kam alles, was der Dichter im Wesentlichen ge-
wollt, zum Ausdruck. Vielleicht zeigt man bei einer Meder-
Holun-g, daß man es nicht so ernst gemeint hat, als man beim
ersten Erscheinen des „Nacht-asyl" aus unseren Brettern es-

16 Seiten.

Die ketttiste Nnmrner' r'MflNtt viev Biätter, znj'aMMen
 
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