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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 176 (1. Juli 1903 - 31. Juli 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0197

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««-, A. Zxli 1VZ.

jg. Ichyiig. — -!

Grschetst tLßlich, Eonntag» auigenommen. Prei» mit Familienblättcrn monattich 56 Psg. in'» HauS gebracht, bci der Expcdition und den Zweigstationen abgeholt «6 Pfg. Dnrch ttr WG

bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. ausschliehlich Zustellgebühr.

>»»ei»enprei»: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Rauru. Reklamezeilr 46 Pfg. Für hiesige GeschäftS. und Privatanzeigen ermäßigt. — För die Aufnahme v»n AnßeitzW
«» brstimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit ül rrnommen. — Anichlag der Jnierate auf den Pla kattafeln der Heidelberger Zeitmig und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher W.

Serbien und Vulgarien.

Jn einem. Telegramm der „KAn. Ztg." aus Berlin vom
letzten Montag wird ausgefuhrt: „Die aus Belgrad ver-
breiteten Nachrichten über die a u-g enblicklich bedrohte
Stellung dcs Fürstcn Ferdinand von Bulgarien stellte sich
von Anfang an als phantasievolle Unfreundlich-
keit dar und sind schon von den verschiedensten Seiten nach-
drücklich widerlegt worden. Diese einmal begonnene Kam-
pagne scheint jetzt von Serbien aus von neuem fortgesetzt zu
werden, indem tnan neuerdings Gerüchte über Militärver-
schwörungen verbreitet und die Lage in Bulgarien als durch-
aus unsicher hinstellt. Das Telegramm weist darauf hin, daß
Scrbien seit geraumer Zeit auf den Ausbruch von Femdselig-
keiten zwischen Bulgarien und der Türkei spekuliert, weil die
Beteiligung Serbiens an dcm Kampfe gegen Bulgarien dem
serbischen Staate grotze Vorteile bringen könnte. Die von dem
crmordcten König Alcxander verschicdencmal ausgesprochenc
Parole: „Rache für Slivnitza!" scheint die Militärrevolution
überlebt zu habcn. Das Blatt erinnert daran, daß die Be-
ziehungen zwischcn Serbicn und Bulgarien niemals gute ge-
wescn scicn und fährt dann fort: „Ncu sind aber die autzeror-
dcntlich hartnäckigcn und pcrsönlich feindscligen Treibercien
gegen dcn Fürsten von Bulgaricn, dcn man schon als vogel-
freien Lcmdesflüchtling hinstellte. Man hätte erwarten dür-
fen, datz die Serben nach der furchtbaren Königstragödie, dis
sie sichcr in der Achtung Europas nicht erhöhte, zunächst cinmal
versuchen würden, durch ruhiges Verhalten die Erinnerung
an das Geschehene einigermaßen verblaßt zu machen, Am
allcrwcnigsten hat dieser in revolutionären Zuckungen befiud-
liche Staat, der dcn politischen Befähigungsnachweis erst zu
erbrmgen hat, das Rccht, mit politischen Trcibcreicu hcrvorzu-
treten, die dem Ziel der Politik der Mächte und der Erhaltung
des Friedens entgegenarbeiten und nur deshalb unschädlich
sind, weil Lie Mächte wohl verstehen werden, einer derartigen
serbischen Taktik angemessene Schranken zu setzen."

Deutsches Reich.

— Ti<! „Norddcutsche Allgemeine Zeitung" meldet:
Tas „Berliner Tageblatt" bringt einen Keitartikel „Krätke
contra Richard Wagner", ivorin der Postbeamte als das
unschnldige Opfer seiner philosophischen Lebensauffassuiig
und seiner lyrischen Neigung hingestellt wird. Wie von
zuständiger Seite mitgeteilt wird, ist gegen den Beamten
das Disziplinarverfahren eingeleitet worden, weil er sich
demonstrativerweife öffentlich als Anhänger der Sozial-
demokratie bekannt und in einem stark 'befuchten Gasthof
unter abfälliger Beurteilung des Bürgertums ein Hoch auf
die internationale, revolutionäre Sozialdemokratie ausge-
bracht hat.

Baden.

— Die Großh. Generaldirektion der Badischen
Staatseisenbahnen hat zu den bisherigen „Ge-

meinsamen BestimmunPLN für die Beamten der Verwal-
tung der Großh. Vadischen Staatseisenbahnen und Boden-
seedampfschiffahrt" folgende weitere Verfügungen er-
tassen:

„Das -Gehen oder Vsrweileu inn 'erhalü der
Gleise oder unmittelbar daneben, sowie das
Ueberschreiten der Gleise auf der freien Strecke und innerhalb
der Stationen an andern als dem Publikum zugänglichen oder
vorgeschriebcnen Wegen und Stellen ist verboten, sofern
dics nicht durch dicnstliche Verrichtungen erfordert wird.

Der Genuß geistiger Getränke auf den Geschäfts-
zimmern, sowie der Besuch von Wirtlschaften .während des
Dienstes ist untersagt.

Dem Fahrpersonal (Zugbegleitungs- und Zugbeför-
derungspersonal) ist der Besuch von Wirtschaften
auf Zwischenstationen, sofern eine Erfrischung über-
haupt nötig erscheint, nur bei einem Nufenthalt von mehr als
ZL Stunde und nur mit Zustimmung des Stationsvörstehers
oder seines Stellvertreters gestattet.

Das Fahrpersonal darf, so lange es sich im Dienst am Zug
odcr auf der Lokomotive befindet, keine g e i st i g e n Ge..
tränke zu sich neh m e n. Das IlÄtführen derartigcr Ge-
tränke im Dienst ist allgemein untersagt."

Gleiche Bestimmungen sind auch für die Arbeiter im
Dienste der Staatseisenbahnen ergangen.

— Für den Bezirk Lahr-Städt wurde Herr Wilh.
Engler in Freiburg als Kandidat der Sozialdemo-
kratie für Ne 'bevorstehenden Landtagswahlen aüfgestellt.

K a r l s r nhe, 28. Juli. Der geschäftsführende

Ausschuß der bädtschen ,Freisinnigen Partei
hielt vor einigen Tagen hisr eine Sitzung ab, in welcher
die Frage der Landtagswahlen den Hauptgegenstand der
Beratnng bildete. ÄNan wünscht allgemein, daß in erster
Linie aus eine Stärknng des Liberalismns
hingewirkt wird, und daß diesem höheren Zwecke selbst
die Sonderinteressen der Frersinnrgen Partei untergeovd-
net werden. Man ist also zu einer Verständigung sowohl
nüt der deutschen Volkspartei, ats mit den Nationälliüe-
ralen bereit, würde behufs Erzielung dersel'ben sogar in
einigen nicht aussichtslosen Wahlbezirken auf pigene Kan-
didaturen verzichten, hofft aber, daß die genannten Par-
teien zu einer ähnlichen selbstlosen Haltung geneigt sind;
denn nnr unter dieser Voraussetznng 'wäre von einem Zu-
sammengehen der Liberalen ein tatsächlicher und ein mo-
ralischer Erfolg zu erwarten. Endgiltige Beschlüsse wur-
den nicht gefaßt, doch soll mit den Vorbereitungen zum
Wahlkampf alsbald begonnen werden.

Aus der Kar!sruher' Zeitung

— Seinc Königliche Hoheit dcr Großherzog haben
dem Konservator am Germanischen Museum in Nürnberg,
Dr. Hans Stegmann, das Ritterkreuz 1. Klasse des Or-
dens vom Zähringer Löwcn verliehcn.

Ausland.

Oestcrrcich-Ungarn.

Budapest, 28. Juli. Jn der heutigen Sitzung
des Abgeordnetenhauses brachte die Oppo-
sition die M a n ö v e r k a t a st r o p h e in B.osnien
zur Sprache. Auf eine Anfrage des Abgeordneten V i -

sontai betonte der Honvedminister Kokozsvari,
daß beim Bileker Marfche alle Sicherheitsvorrichtungen
getroffen waren. Die Zahl der Maroden war bis knapp
vor Bilek gering; da die Temperatur Plötzlich bis 40
Grad stieg und die Truppen den Berg ersteigen mußten,
sei 'dte traurige Katastrophe -erfolgt, die 46 Tote und viele
Marode im Gefolge hatte. Sieben Schwerkranke liegen
Lerzeit im Bileker Spital. Das Kriegsministerium hat die
strengste Untersuchung eingeleitet. Die Oppo'sition unter-
bricht die Darstellung des Ministers mit den Rufen: Un-
erhört; das ist Mord! Die Opposition ist von der Ant-
wort äbsolut nicht befriedigt, da seither eingelangte Privat-
berichte erschütternde Details melden. Es soll Wasser-
mangel geherrscht haben, da das Wasser in den Feld-
flaschen durch die Hitze ungenießbar geworden war. Die
Offiziere sollen die zu Boden gestürzten Soldaten mit dem
blanken Säbel mißhandelt Haben. Die Zahl der Toten
und Erkrankten soll weit größer sein, als amtlich zuge--
geben wird.

Jtnlicn.

— /Die Ve r w a n dten Le o's XIII. wollen gegew
sein T e st a m e n t Einspr n ch erhe'üen nnd den Be-
weis .antreten, daß der Papst sie zu einer ihre Mittel
wert ü'bersteigenden Leüenshaltung gezwungen, ohne sie
hierfür auch nur zu geringem Teile zu entschädigen. Däs
gleiche taten die Erben nach Pius IX. Dcr Heilige Stuhl
zog dem Rechtsweg einen Ausgleich vor und zahlte den.
Erben 700 000 Lire aus.

Türkci.

'K o n st antinopel, 27. Juli. H assa n

P a s cha, der verstorbene Marineminister, wird dnrch
den Unterrichtsminister 2 j e l o l 'B e y ersetzt, der wenig
Sympathie genießt, da er in maritimen Dingen absolut
unwissend ist; aber er hat einen gewissen Einfluß im Pa-
last und gehört der Camarilla an. Seine Ernennung-
macht in diplomatischen Kreisen einen üblen Eindruck.

Asicn.

Peking , 27. Jüli. Die russi f ch e Ver 'wal --
t n n g i n N i u t s ch w a n g v e r b o t d i e A u s f u h r
v o n W e i z e ii na ch IaP a n. Die Getreidcausfuhr
in den chinesischen Häfen ist überhaupt untersagt, doch
ließen die Russen diese Besümmung während hes letzten
Monats unbeachtet. Die Japaner konnten sich in Niu-
tschwang viele Schiffsladungen Weizen, augenscheinlich zw
Kriegsvorbereitungen bestimmt, verschaffen. Mehrere
Schiffe 'sind 'dauüt beschüftigt,. Weizen von Schanghar und
anderen südlichen Käsen nach Niutschwang zu 'bringen,
von wo er als dircktes Ausfuhrgut weiter'befördert wird.
Am 23. Jüli erließen die russischen Behörden ein Verbot
weilerer Uiisfnhr und betranten Dcneral Kondratowitsch
mit dem Oberbefehl ü'ber sechs bewaffnete Handelsschiffe,
die auf dem Liaoflusse auf imd abzufahren haben. Man
legt dies als ein neues Zeichen für die Absicht Rußlands
aus, Nmtschwang und die Herrschaft über den Fluß zu.
behalten. Neuerdings wurden russische Zivilpersonen und
Soldaten »üt Familicn in großer Zahl nach der Mant-

Ausstellung der Frauen-Arbeitsschule.

V Heidelberg, 29. Juli. Jm kleinen Saale
der Harmonie sind gegenwärtig die Erzeugnisse des
Fleitzes derjenigen jungen Damen ausgestellt, die im letzten
Jahre die Arbeitsschule des Frauenvereins besucht haben.
Spricht man gegenwärtig, durch die Umstände gezwungen,
sehr vicl davon, datz die Mädchen besser, wie bisher, für dcn
Kampf ums Dasein auszurüsten seien, daß man sie besser für
einen Beruf autzer dem Hause ausbilden müsse, so ist doch
nicht zu vergessen, datz immer noch der grotzen Mehrzahl der-
selben ein Wirken im eigenen Haushalt beschieden ist, und
datz es demnach eine große nationale und soziale Aufgabe ist,
sie für dieses Walten methodisch vorzubereiten. Unter diesem
Gesichtspunkt betrachtet, darf der Beschauer der Ausstellung
der Frauen-Arbeitsschule mit grotzer Befriedigung feststellen,
datz die Mädchen Gelegenheit haben, in dieser Schule sehr
Tüchtiges auf dem ganzen Gebiete der häuslichen Handarbeit
zu lernen, und datz die weitaus meisten von denjenigen, die
in diesem Jahre die Anstalt besuchten, auch tatsächlich sehr
Tüchtiges gelernt haben, wie dies die ausgestellten Arbeitspro-
ben erweisen. Man sehe z. B. die Stopfarbeiten an; gewiß,
das Stopfen ist noch von niemanden als eine besonders an-
genehme Arbeit bezeichnet worden, aber es ist außerordentlich
wichtig und nützlich und gerade auf diesem Gebiet kann das
Talcnt für Sparcn und Zusammeuhalten reiche Lorbeeren
Pslücken. Wenn man an den Ausstellungsproben sieht, wie
defekte Sachen in der diskretesten und feinsten Weise wied«r
hergerichtet sind, wie selbst die Muster in den Decken usw. so
wiederhergestellt wurden, datz man den Unterschied kaum er-
kcnnen kann, so mutz man einer solchen Arbeit die grötzte
Achtung bezeugen. Sie ist zugleich die Grundlage für das
Wcitcre: für das Handnähen und für das Maschinennähen.
Auch auf diesem Gebiet haben die Schülerinnen sehr Tüchtiges
gelcistet; sclbst auf den Laicn machen die saubcr und ge-
schmackvoll ausgebreiteten Arbeiten cinen sehr günstigen Ein-

druck, und der Kenner wird daran Vermutlich eine noch größere
Freude haben. Eine weitere Stufe bildet dann das Kleider-
machen. Die Erzeugnisse dieses Teils der Handfertigkeit fal-
len natürlich am meisten ins Auge. Auch hier kann man sagen:
es ist korrekt und sauber und mit Geschmack gcarbeitet worden,
in den Kleidern, die da ausgestellt sind, können sich dereu
Trägerinnen sehen lassen. Seit einiger Zeit ist in der Schule
auch der kunstgewerbliche Zweig des Aquarellierens,^ des Por-
zellamnalens und dergl. eingeführt. Die Proben, die davon
ausgestellt sind, üehmen sehr für den Fleiß und den Geschmack
der Schülerinnen auf diesem Gebiete ein. Der Lehrplan der
Schule ist so umfassend, daß die Schülerin hier die vollständige
Ausbildung als Handarbeitslehrerin erhaltcn kann; erst
dieser Taze wieder hat eine der Schülerinnen das erste Exa-
men mit Erfolg in Karlsruhe abgelegt. Wir enipfehlen die
Ausstellung der Besichtigung des Publikums und weisen die
Familien hiesiger Stadt, die heranwachsende Töchter besitzen,
nuf die Arbcitsschule des Frauenvercins und vcn grohen
Nutzcn, der durch dcn Besuch derselben erzielt wird, hin.

Aleme Zertung.

— Schimsheim (Rheinhessm), 28. Juli. Baum -
ries e. Die weltbekannte 1000jährige Ulme dahier war
in den letzten Jahren derart hohl geworden, daß ihr Wei-
terbestehen sehr in Frage gestcllt war. Man hat deshalb
den Riesmbaum mit einem Kostenauswand von 300 Mk.
renoviert, d. h. man füllte den hohlen Zwischenraum mit
trockenem Sand aus, vermauerte und verputzte alle Höh-
lungen und Risse und verband die Aeste usw„ sodaß kein
Regen mehr eindringen kann. Wie es nun scheint, wird
sich^diese Vorsichtsmaßregel bewähren, denn dieses Jahr
zeigt der Baum wieder neues Leben und ganz neue Triebe.

Hosfentlich wird er nun noch lange Wind und Wetter
Trotz bieten.

-— Drcsderr, 28. Juli. Beim -Abbruch eines Hauses jn
der Pillnitzerstraße sand man unter dcm Wbruchschutt
einen m e ns ch I i ch en SchädeI und Teile eines Ske-
letts. Der Schädel wies Ver/etzungen auf, welche daraus
schließen tassen, daß der Betreffende das Opfer eines
Verbrechens geworden ist. Die 'Staatsanwaltschaft
stellte fest, daß vor 20 Jahren pin Einwohner des Kauses
spurlos verschwunden ist, dessen Frau noch heute lebt.

— Zrrm Barrkcrott der Firma Schindler. Die Leiche
der F-ran Schindler, der Gattin des in Hambnrg durch
Sel'b'stmord .geendetm Berliner Bankiers Schindler, isX
wie gemeldet wird, in Gredesmühlm aufgefunden worden.

— An der Pcrrsiorrsanstalt dcntscher Jorirnalisten nnd
Schriftstcller nchmen die deutschen Städte einen erfrculi-
chen Anteil. Außer Dcünchen haben bis jetzt Ansbach^
Ilugsburg, Freibnrg i. Br., Fürth, Hannover und Würz-
bnrg Spenden zum 10. Iubiläuin gezeichnet. Von einer
Reihe weiterer Sädte sind Znwendungen rn Ausstcht ge-
stellt worden. Der Verband deutscher Journalisten und
Schriftstellervereine hat auf Antrag des Vorortes Breslau
der Pensionsanstalt 1000 Mk. überwiesen. Unter den
weiteren Jubilänmsspenden ist die des Großherzogs von.
Hessen hervorzuheben.

— Dcr Frcmdenverkehr im Engadin hat sich durch die
nene Albulabahn nach einer Zählung der Verkehrsvereine
nin ungefähr 33"/? Prozent gehoben.
 
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