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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 176 (1. Juli 1903 - 31. Juli 1903)
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rz. z-li IVZ.

Erfies Diott

ÄbkMll. — W.

G»1chet»t tißltch, Sonntag« aurgcnonnnen. Prcir mit FsmMenblättern monatlich SO Pfg. tn'r HauS gebrachr, bei der Expedition und den Zweigstattonen abgeholt 40 Pfg. Durch ttr W«H

bezogen vterteljäbrlich l.3ü Mk. ausichließlich Zustcllgebühr.

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^_«« bestimmten Tagen wird ketne Verantwortlichkeit ül rrnommen. — Anichlag dsr Jnierate auf den Pla kattafelrr der Hsidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher W.

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Die Parteien nach den Neichstagswahlen.

Die „Mitteilungen für die Vertranensmänner der
lllationalliberalen Partei" gruppieren die Parteien in sechs
' Hauptgruppen: 1. Aeußerste 'Rechte (Antisemiten, Christ-
lich-Soziale, Bund der Landwrrte, Bayerischer Bauern-
bund) mit 18 Mitgliedern; 2 Konservative (Deutschkonser-
^ative, Freikonservalioe und konservative. „Wilde") mit 76
Dkitgliedern; 3. Klerlkate Mitte (Zentruni, Polen, Wel-
len und Elsaß-Lothringer) mit 132; 4. Liberale Mitte
(Rationalliberale und gemäßigte liberale „Wilde") mit
^2; g. Freisinnig-demokratische Linke mit 37 und 6. die
Sozialdemokraten mit 81 Mitgliedern. Hierzu gesellt
Üch als die einsam ragende Säule ein Däne. —

Zum Schluß des vorigen Reichstags zächlte, wenn
Ularr dieselbe GruPPierung gelten lassen will, die äußerste
Nechte 2 Mitglieder, die Konservativen 3, die klerikals
dlkitte 2, die liberale Mitte 1 und die freisinnig-demo-
Iratische Linke 15 m e h r als jetzt. Diesem Verlust von
23 Mitgliedern aller 6 bürgerlichen Parteien steht die
Lleiche Gewinnzahl bei den Sozialdemokraten gegenüber.

Die n a t i o n a l l i b e r a l e Partei bezw. dw „libe-
stale Mtte" hat 19 WaWreise gewonnen und 20 verloren.
Ilud zwar gewonnen von den Sozialdem.Eraten die
H Kreise: Sorau, Hanau, Offenbach (wildliberal), Holz-
^linden (wildliberal), Bernburg; von der freisinnigen
^olkspartei die 5 Kreise: S-l^leswig, Wiesbaden, Eisenach,
^oburg nnd Bückebnrg (wildliberal); vom Zentrum den
^eis Limbnrg; von den Welfen die Kreise Verden nnd
^üneburg; von den Antisemiten die Kreise Gießen und
^autevbach nnd vom Bund der Landwirte die Kreise
^eestemünd-e nnd Sinsheim. VerIoren gingen an i
)Üe Soziatdemokraten die 8 Kreise: Aschersleben, Bochnm, ^
^orimund, Leipzig, Mittweida, Annaberg, Göppingen, s
^udotstadt; an die Demokraten der Kreis Oberndors a.
^6 an die Freisinnige Volkspartei d-er Kreis Tondern;
^ dic Freisinnige Vereinignng der Kreis Dithmarschen;
^ das Zentrum der Kreis Ottweiler; an die Welfen 2
^reise.- Melle, Celle; an die Polen der Kreis Thorn;
an die Deutsch-'Konser'vatioen 2 Kreise: Herford, Schwe-
^u; an die Antisemiten d-er Kreis Kassel; an die Christlich-
^azialen der Kreis Dillenburg; an den Bund der Land-
^irte der Kreis Homburg (Pfalz).

> Die 19 eroberten Kreise sind sämtlich schon früher
llli Besitz der Partei gewesen; sie sind nach der ganzen
)°Kalen Zusanimensetzung ihrer Wählerschaft und- nach
wirtschaftlichen und erwerblichen Verhältnissen der-
^/ben besonders geeignet, durch Orgänisation und flei-
Me Arbeit nunmehr znm dauernden Besttzstand der Par-
entw-ickelt zu werden.

Von d-en 20 verlorenen Kreisen ist auch ni-cht
^Gi einziger als u nw i d e r'b r i n g l i ch verloren
^zusehen. Die meisten, eigentlich alle, sind überhaupt
verloren gegangen, weil entweder nicht zeitig genug

der Wahlvorbereituiig begonnen wurde, oder weil

...

st.

Wahlkampf durch vorübergehende erschwerende 11m-

unde um seine an stch günstigen Aussichten betrogen

Vom 10. deutschen Turufeft.

N ü r n b e r g, 20. Juli. An dem gestrigen Festzuge
Mben, nach dem Bericht der „Koln. Ztg." mit den Dar-
üellern der historischen GruPPen und den Kapellen etwa
( 000 Mann mit nicht weniger als 1762 Fahnen teil-
^Nommen. An den K aiser und- an den Prinzregenten
ss'Urdei: Tetegraniine abgeschickt. Bereits gestern früh
Ohr begann das Wettturnen in volkstümlichen Uebun-
Ten — Hochspringen, 5lngelstoßen, Wettl-aufen — unter
Leitung des Obertnrnle'hrers Schurig - Osnabrück.
rsse Zahl der Teilnehmer an den Dreikämpfen betrug
. 41, die der Ringer 60. 290 Kampfrichter waren

^.bgestellt. Fnsolge der 2- bis 3stündigen Verzogerung,
durch den Festzug verursacht wurde, mußten 'd-ie sür
^Üern angesetzten Vorführungen verkürzt werden. Zuerst
^bien die allgemeinen Eisenstabübungen an die Reihe,
^ denen 7600 Turner aus den Plan traten, die in 20
Ausstelluiig nahmen. Nach dem Takte dreier
^giinemskapellen setzte sich die gswaltige Masse dcr Tur-
^uden in Bewegung;, die stramme Haltung und gute
^chtung rief allgemeine Befriedigung hervor. Die allge-
^ ^üien Sta'bübungen, die der technis-che llnterausschuß der
ü'btschen Turnerschaft (Vorsitzender Prof. Keßler-Stutt-
herausgegeben hatte, bestehen aus vier GruPPen mit
, drei llebungen. Jede Uebung wurde von dem Vor-
^Kiex vorgeturnt und dann nach Fahnen- und elektrischen
^ uckenzeichen nach- bezw. mitgetnrni. Waren drei
^Ungen einer Gruppe ausgeführt, so wurd-en sie im

wurd-e. Letzteres gilt sowohl für das Königreich Sachsen,
wo tausend Ursachen zusammenge'wirkt haben, die alle
mit der Reichs-Politik und dem Zweck der Reichstagswahlen
kaum im Zusammenhang standen, wie für das -Ruhrge-
biet, wo eine Erregung in den K'reisen der Arbeiterschaft
nachzitterte, die aus Anlaß d-es „Falles Krupp" entstanden
ist. Die Sozialdemokraten haben hier wieder einmal ihr
sprichwörtliches Glück gehabt, d. h. andere haben ihnen
gute Waffen zum Wahlkamps geliefert.

Die 20 verlorcnen Wahlkreise sind bei einigermaßen
fleißiger Parteitätigkeit nach fünf Jahren wieder zu
holen.

Zu den 49 Fraktionsmitgliedern der natiönal-
IiberaIen Partei im Reichstage kommen noch, außer-
halb der 'Fräktion stehend-, die drei „Wildlibch'aten":
Dr. Becker-Ofsenburg, v. Damm-Wolfenbüttel und Deppe-
Bückebnrg.

Deutsches Reich^

— Nicht weniger als vier Schuhfabrik -
Firmen in Pirmasens sind jetzt den Nachwirkun-
gen des Streiks vom April und Mai d. I. zum
Opser g e f a l l e n. Nicht nur die betroffenen Unter-
nehmer haben den Schaden davon, au-ch d-ie Allbeiter wer-
den zu leiden haben. Denn die dnrch den Zusammen-
bruch der vier Firmen beschäftigungs- und brodlos ge-
Dordenen Arbeiter bieten sich anderen Fabriken der Branche
an, vermehren das Arbeitsangebot und drücken die Löhne.
Das Ende ist womöglich ein neuer Streik mit gleicher
Folgenkette. Der Streik ist eben eine sehr zweischneidigs
Waffe, worüber sich die Arbeiter leider nnr wenig oder
garnicht klar werden wollen.

I) Bcriin, 22. Juli. Die „N orddeutsche All -
gemeine Zeitung" schreibt: Jn der gestrigen 3.
Sitzung der in Berlin unter dem Vorsitz des Reichsbank-
präsidenten Koch tagendcn W ä h r nngsko m m i s -
s i o n , welcher am Samstag der chinestsche Geschästs-
träger Kinginthai als Vertretcr d-er chinesischen Regierung
beiwohnte, wurden zunächst die Beratungen über die Ein-
führimg einer einheitti-chen Währung in China sortgesetzt
und als Ergebnis der Verhandlungen solgende Resoln-
tion angenommen: 1. Die Einfiihruiig eines emheitlichen
'Geldnmlaufs in China, bestehend aus Silbermimzen mit
voller gesetzlicher Zahlungskraft, sei dringend erwünscht.
Die Worteile einer solchen Reform für China wie auch
für Geldwährungsländer würden außerWdentlich ge-
steigert, wenn es gelänge, den Kurs der Silbermünzen
im Verhältnis zum Geld zu fixieren. Für die Erreichung
des letzteren Zweckes erscheint es geboten, daß die Prä-
gung der nenen Silbermünzen nicht sreigegeben wird
und daß die chinesische Regierung zu Veginn der Reforin
alle diejenigen Maßnahmen ergreift, welche ihr die Ein-
wirkung auf die ausländischen Wechselkurse ermöglichen.
2. W-enn auch in Ländern mit Sikberumlauf der Kurs
der Silbermünzen vom Stande d'er nationalen Volks-
wirts-chaft und deren Beziehungen zu anderen Nationen

Zusammenhange sofort in Taktaussührung wiederholt.
Schließlich wurden die ersten beiden Gruppen und die
letzten beiden je unmittelbar nach einander im Takt geübt.
Die gleichzeitige, sichere und stramme Ausführung der
Uebnngen rief allgemcine Bewunderung hervor. Abends
9 Uhr schlossen sich die Festvorführungen auf der sreien
Buhne an. Durch ihre 'Ges-chmeidigkeit und Sicherheit
tat stch besonders die Leipziger Turnerschaft
im Keulenschwingen mit einfachen und doppelten Keulen
hervor. Der Turnerklub Hannover führte an drei sprung-
hohen Recken außerordentlich schwierige gymnastischS
Uebungen mit einer geradezu erstaunlichen Sicherheit und
Eleganz aus. Die amerikanischen Gäste aus Indian a-
polis führten ein Keulenschwingen vor, wobei die elek-
trisch beleiichteten Keulen in weißem und farbigem Licht
erstrahlten. Dann folgte ein herrli-cher Kostümreigen der
Frauenabteilung des Turnvereins Nürnberg, der bereits
in der Vorwoche auß-erordentlich gef-allen hatte. Alle Dar-
bietungen ernteten reichen Beifall.

A'bends fand eine von mehrern Tausenden besuchte
Versammlung der d e u t s ch - ö--st erreichis ch e n
T u r n e r statt, in der Reichsrats- imd Landtagsabgeord-
neter 'S ch r e i t e r die von glühender Liebe zum Deutsch-
tum getragene Festredc hielt. Er schloß mit dem Satz:
„Das Deutschland der Znkunft muß alldeutsch sein!"
Aüfsehen erregte die Bemerkung eines der Redner, der
den Turnkreis XV. vertrat, daß man durch sremde Hilfe
nicht gerettet werden könne. DGhalb hätten sie die
sremden Elemente ausgeschlossen, so auch die 'I'nden, die

abhängig sein wird, so ist es doch wünschenswert, daß ein
einheitliches Aiismünzungsverhältnis von Gold- ünd
Silbermünzen in solchen Ländern bestehe, welche künftig
Goldvaluta annehmen und daß dieses Verhättnis auf
etwa 32 : 1 festgesetzt werde, falls keine weiteren ernst-
lichen Veränderungen im Silberpreis eintreten.

Baden.

Freiburg, 22. Juli. Großherzog Friedrich
hat unterm 21. Jul'i aus Bad St. Moritz nachstehendes
Telegramm an den Herrn Erzbischof gerichtet: „Die
gestern Abend erhaltene Nachricht von dem nach langem
Leiden erfolgten seli'gen Heimgang Seiner Heiligkeit des
Papstes Leo XIII. führt mich- zu Jhnen mit dem Aus-
drucke treuer Teilnähme an diesem schmerzlichen Derluste.
Jch schließe daran die Versicherung meines warmen Mit-
gefühls sür alle katholischen Angehörigen ches Grotz-
herzogtnms. Die Großherzogin vereinigt 'sich mit mir
in diesen Aeußerungen der Teilnahme. Wir beide ge-
denken des heimgegangenen Papstes mit großer Ver-
ehrung."

«I Karlsruhe, 22. Juli. Der geschäftsführende
Auss-chuß der F r e i s i n n i g e n P a r t e i in Baden hält
nach der N. Bad. Landesztg. am nächsten Samstag dahier
eine Sitzung ab, welche sich insbesondere mit der Vorbe-
reitung der nächsten Landtagswahlen beschästigen wird.

86. Eberbach, 22. Juli. Jn Neunkirchen
hielt am vergangenen Sonntag der n a t i o n a l I i b e -
raleBezirksverein eine Versammlung ab, in wel-
cher Herr Landgerichtsrat lli'bet aus Mosbach sich in
eingehender Weise über die „politische Lage nach den
Reichsta-gswahlen" verbreitete. Die gutbesuchte Versamm-
lnng nahm die eindrncksvollen Tarlegnngen aufmerksam
und mit vielem Beifall entgegen. Es wäre ohne Zweifel
von großem Wert, wenn solche Versammlungen, dre in
keiner unmittelbaren Beziehung zu bevorstehenden Wahlen
stehen, öster da und dort im Lanöe abgehalten würden,
denn sie errnöglichen eine, eingehend-ere, ruhigere, leiden-
schaftslosere Besprechung der politischen Angelegenheiten,
als die eigentli-chen Wählversammlungen und stnd deshalb
besser geeignet, dauernde Wirkungen zu hinterlassen.

Heidelberg, 23. Juli. Der jungliberale
Verein hielt gestern Abend seine diesmonatliche Mit-
glieder'oersammlung im Hause des „Liederkranzes" ab, die
Zeugnis abtegte, einen wie regen Eiser die Iüngmann-
s-chaft der liberalen Partei entfaltet, um die nationalen
und liberalen Jdesn zu fördern. Die sreie ofsene Aus-
sprache ü'ber die letzten Reichstagswahlen, über die andcren
Parteien und unser Verhältnis zu ihnen, spsziell aber
auch über die Fehler, die die nationalliberale Partei durch
ihr Paktieren mit dem Zentrum begin-g, sowie die sreu-
dige Zustimmung zu dem jüngst voni engeren Ausschuß
der nationalliberalen Partei Badens erlassenen Aufrus
an die Bezirks'vereine Badens und d-ie energische Stel-
lungnahme gegenüber der Zentrumspartei, die Anregung
und Wünsche, die sür die fernsre agitatorische Tätigkeit
der Partei aus-gesprochen wurden, ließen erkennen, daß

anders dächten und andere Triebe hätten. Diese Bemer-
knng wird in der Stadt viel erörtert. Es heißt sogar,
daß man im M-agistratskollegium gegen dieses Vorgehen
gegenüber den Iuden Stellung nehmen will.

Auch heute war der Fcstplatz vom srühesten Morgen
an von d-en Tausenden der Turner belebt. Es begann
heute das Wetturnen an Geräten in volkstümlichen llebun-
gen (Sechsknmpf: Reck, Barren, Pferd, Weitspringen,
Stabhochspringen, Steinstoßen), d-as auf heute nnd morgen
vertcilt ist. Es beteiligten 'sich daran 1487 Turner, oon
denen heute 683 in 24 Riegen turnten. 'Tie Leistungen
waren durchweg gute. Beini Stabhochspringen wnrden so-
gar 3,20 Meter erreicht, während 2,80 schon 10 Pnnkte
ausmachen. Um 9 Uhr begann das Kreisturnen, an dem
die 'Kreise Schwaben, Westfalen, Rheinland, Deutsch-
Oesterreich, Provinz Preußen, Schlesien nnd Südposen teil-
nahmen. Jhre Aufgabe bestand- in Pfli-chtstabübungen, all-
gemeinem Riegenturnen, Musterriegentnrnen an Geräten
und Vereins- und Gaumusterriegenturnen. Hier ragten
besonders die Leistungen von 800 Oesterreicher heroor.
Außerdem sanden aus d-en acht Spielfelderii Turnspiele
in Fanstball, Fiißball, Schlagball, Ko-rbball, Kreisball nnd
Grenzball statt. Auch hier wnrden recht tüchtige Lei-
stungen erzielt. Mit großer Spannung sieht man dem
heute Abend stattfindenden Tnrnen der Ausländer ent-
gegen.

N ü r n b e r g, 21. Iüli. Der K a i s e r sandte an den
Ausschuß der Turnerschaft folgendes Antworttelegrämm:
Se. Majestät der Kaiser und König haben den Hnldigungs-
 
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