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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 229 - 255 (1. Oktober 1903 - 31. Oktober 1903)
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Smstllg, 31. MM 19V. Gz stes BlMtt» 4Z. MrWg. — » v. Z55.

S!

Trschtiut tSglich, Lonntagk auSgenommen. Preig mit Familienblättern monatlich 50 Vfg. in'S Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch dir poK

bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. ausschließltch Zustellgcbühr.

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«n bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserab auf den Pla kattaseln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 88.

Deutsches Reich.

— Reichsgerichtsrat Karl Braun, Mitglied des 1.
^trafsenats, der am 1. d. Mts. in den Ruhestand treten
^ollte, ist vorgestern gestorben.

, — Aus Anlaß des Falles Hüssener ist der

sKöln. Ztg." zufolgs eine kaiserliche Berordnung
^sber die Behandlung Betrunkener und über den
^ebrauch der Waffen in dringender Not nnd
^cherster Gefahr erlassen wordcn. Sie enthält eine Er-
3anzung sowie genauere Feststellungen und verschärfte
ioostimmungen, die besagen, dah die una b si ch t li ch e
"Oorührung eines Vorgesetzten durch angetrunkene Unter-
gebene nicht als tätliches Angreisen aufzufassen ist.
^rst wenn die Person des Vorgesetzten tatsächlich gefährdet,
"arf dis Wafse gebraucht werden. Der Vorgesetzte soll es
^ermeiden, betrunkenen Untergebenen Befehle zu erteileir
^nd deren Entsernung, wenn erforderlich, durch Kame-
^nden bewirken lassen. Der Schiffskommandant sowie
°se Kompagnieführer haben die neuen Bestimmungen alle
i'ier Monate vorzutragen.

Baden.

— Wie die „Köln. Volksztg." meldxt, hat die Frau
droßherzogin von Baden dem Dompropst Dr. Bsrlage
^n Köln, dem früheren Oberschulrat in Straßburg, als
^rsönliche Erinnerung an ihre Mutter, die verstorbene
^aiserin Augusta, das Buch „Kaiserin Augusta, ein Le-
f^nsbild von Frau Eufemia v. Adlersfeld-Ballestrem",
^n Prachtband überreichen. lassen. Dompropst Dr. Ber-
ings war ein persönlicher Freund der verewigten Kaiserin;

. iese Erinnerungen hat die Großherzogin von Baden bei
^rer letzten Anwesenheit in Köln wieder aufgefrischt und
nls stetes Andenken an ihre Mutter das erwähnte Buch
^in Prälaten übersandt.

. ,— Am nächsten Donnerstag findet im Großh. Mini-
iierium des Jnnern eine Konsersnz von KassenärztS-
^rtretem und Delegierten von KraiUentaiieii statt zur
^sratung der änläßlich der Novelle zum Krankenverstche-
stMgsgesetz notwendigen Aenderungen der Verträge zwi-
Ichen den Kassenärzten und den Krankenkassen.

— Die Mannheimer sozialdemokratische „Volksstimme"
A'ingt „Enthüllungsn" über den Jnhalt des dem Landtag
Agehenden Wahlrechts-Entwurfs. Ein solcher
^Ntwurf ist Werhaupt vom Staatsministerium noch gar
stlcht beschlossen und es kann daher auch nichts aus dem-
I^Iben mitgeteilt werden. Ein vorläufiger Entwurf
zuständigen Ministeriums liegt natürlich schon seit
nngerer Zeit vor; aber auch mit dem Jnhalt dieses Ent-
^Urfs stimmt dassenige, was die „Volksstimme" bringt,
sticht überein. Tie Darstellung der „Volksstimme"
ht somit nur eine tendenziöse, auf die Wahlagitation be-
^chnete Erfindung.

Aus der Karlsruher Zeituug.

, — Oberpostpraktikant Karl Hennenberger aus Lau-
M wurde in einer Ober-Postsekretärstelle beim Postamt in
^einheim angestellt.

— Das Ministerium der Justiz, des Kultus und Unter- .
richts hat im Einverständnis mit dem Erzbischöflichen Ordina- '
riat den Revidenten Albert Trenkle beim Katholischen
OLerstiftungsrat zum Revisor bei der genannten Behörde er-
nannt.

— Dem Buchhalter Konstantin Hornung beim Finanz-
amt Ueberlingen wurde die Stelle eines Buchhalters bei der
Landeshauptkasse übertragen.

— Die Großherzogliche Zolldirektion hat die Buchhalter:
Friedrich Wilhelm Kuttruff in Stühlingen nach Baden
und Emil Sternheimer in Freiburg nach Stühlingen
versetzt.

AusLsnd.

Oestcrreich-Ungarn.

Wien, 30. Oktbr. Das Professorenkollegium der l
medizinischen Fakultät protestiert nach einem i
Telegramm der „Straßb. Post" dagegen, daß die Frage Z
der Tierv,e rsuch e von unkundrgen Personen in siner !
dazu nicht berufenen Körperschaft (dem Landtage), zum z
Gegenstand siner Erörterung und Beschlußfassung ge- ?
macht werde; ferner üagegen, daß „reine Unterrichtsange- !
tegenheiten, wie die Bestellung von Assistenten, die Tätig- !
keit der Professoren an den Kliniken und' medizinischen z
Jnstituten, endlich amtltche Gutachten des Professorenj-
kollegiums in teichtfertiger und gehässiger Weise besprochen
werden."

Es handelt sich hier um den sogenannten Kaninchen-
k r i e g. Die christlich - soziale Landtagsmehr-
heit hat sich wiederholt Angriffe gegen den ärzt-
lichen Stand gestattet, weil die Aerzte zumeist ihre po-
litischen Gegner sind. Der Statthalter getraute sich nicht,
die Aerzte in Schutz zu nehmen. Der Sanitätsreferent des
Landesausschuffes, Steiner, ein früherer Anstreicher, ließ den
Profefforen Schanta und Chrobak, die ihre Kliniken und La-
boratorien in der Landesgebäranstalt haben, befehlen, inner-
halb weniger Tage ihre dort untergebrachten Versuchskanin-
chen fortzüschaffen. Darob großer Sturm in allen ärztlichen
und Üniversitätskreisen, gegen die auch sonst von der Lueger-
partei gröblich gehetzt wird. Die Aerztekammer und die ärztll-
chen Vereine erhoben Einsprüch. Die Medizinstudenten hielten
eine Versammlung in der Universttät ab, der auch der Rektor
beiwohnte, und versuchten hinterher, eine Katzenmusik für den
Landtag zu veranstalten, wurden aber von der Polizei ver-
trieben. Man erwartet, daß die unbesoldeten ärztlichen Mit-
glieder des Landessanitätsrats ihre Ehrenstellen niederlegen.
Der Unterrichtsminister hat die salomünische Entscheidnng ge-
fällt: den Professoren in der Landesgebäranstalt hat nur
der Minister und nicht der Herr Steiner zu befehlen, die
Kaninchen aber unterstehen Herrn Steiner, dem Lan-
desausschußreferenten, als Hausherrn.

Asrika. !

Fez (Marokko), 24. Skt. Heute wurde in den Mo-
scheen beim Mittagshciuptgebet ein vom Hoflagsr einge-
troffener Vrief verlesen, worin der SuItan mit stau-
nenswerter Offsnheit hekennt, er müsse einstweilen auf die
Unterwerfung der ausständischen Stämme verzichten und
dsn Feldzug für den hereinbrechenöen Winter einstellen.
Der weitere im Osten stehende Kern des Heeres^ werde
übsr tlschda die nächsten atgerischen Häfen erreichen und
von dort auf sranzösischen Schiffen nach Tanger zurück-
gebracht werden. Er setbst breche mit dem gesamten Hos-
staat sosort auf und gedenke übermorgen, also am 26.,


in Fez zurück zu sein, um mit seinen treuen Hauptstädterrr
den Fastenmond Ramadhan zu begehen. Diese von allen
Gepflogsnheiten der maurischen Suttane abweichend'e
offene Programmenthüllung hat hier sehr verblüfft. Zwar
schreiüsn der Koran und die Sunna vor, den Ramadhan
mit Beten und Fasten zu verbringen, aber ein Kampf in
der Setbstverteidigung gilt auch im Fastenmond als zu-
lässig. Ueberdies sind von heute ab noch vier Wochen bis
zum Anfang des Ramadhans, sodaß die Gründe der über-
eilten Rückkshr und der auffälligen Vereinbarung über
die Truppsnbeförderung auf französischen Schiffen wohl
in völliger, durch die steigende Teuerung beschleunigte Er-
schöpfung der Statskasse Zu suchen sind.

WKhlresNltZZte.

48. Wahlbezrrk Heidelberg (Stadt).

Distrikt-Nr. !

Zahl der
Wahlberech-
tigtcn

Zahl der abgegebenen
Stimmzettel

nat.-lib. ! soz.-dem.

Zahl der gewählten
Wnhlmänner

nat.-liü. ^ soz.-dem.

1

322

113

58

8


2

342

152

29

8



3

228

103

9

8



4

271

135

20

8



5

294

91

28

8



6

379

119

74

8



7

171

67

21

8

--

8

236

93

27

8



9

235

99

28

8



10

189

96

18

8



11

241

104

34

8



12

294

82

45

8



13

217

61

29

8



14

170

72

11

8



15

226

69

23

8



16

233

94

91

8



17

179

89

16

8



18

216

114

9

8



19

171

87

8

8



20

280

114

20

7



21

230

75

32

8



22

88

38

4

6



23

228

79

48

6



24

261

124

15

8



25

352

154

29

8



26

238

107

14

8



27

438

166

55

8



28

312

125

45

8



zus.

7041

2822

780^

219



2LS nationaliiberaie, — sozialdemo-
kratische Wahlmäniier.

Bor acht Jahren stimmten 23—24 Prozent, vor vier Jah-
ren 26—27 Prozent der WahIberechtigtLN ab. Diesmal, da
eine Gegenkandidatur aufgestellt war, stieg die Wahlbeteiligung
auf 61 Prozent. Rationalliberale Stimmen wurden vor vier
Jähren 1419 abgegeben; sie haben sich diesmal also fast genau
verdoppelt. Die Sozialdemokraten hatten es bei der letz-
ten Reichstagswahl hier auf 2244 Stimmen gebracht. Wenn
jetzt bei der Landtagswahl ihre Stimmenzahl auf 780 herun-

KLeiue ZeiLrrng.

— Perlin, 30. Okt. (P r o z e ß W e s i e r s k i - K w i -
^ ecki. Zenge Ritter v. Ziegler bekennt, Vater zweier
chiehelicher Kinder der Mayer zu sein. Der Wirtschafts-
^spektor Krüger hatte seine Wirtschafterin ausgefor-
"ert, recht genau auf den Zustand der Gräfin aufzupassen.
^ie beobachtete dann das Aussehen der Gräfin und be-
"ichtete besttmmt, die Gräsin sei in anderen Umständen.
^ie Zeugin Horbarth bekundet, die Gräsin habe meh-
^re Tage vor der Geburt unzweifelhaft wie eine Frau in
^Ndercn Uinständen ausgesehsn. Sie hatte geschwollene
Hände und ein verändertes Gesicht. (Starke Bewegung
^ Saale.) Es werden der älteste Sohn der Mayer und der
.teine Graf hereingeführt, damit Ritter von Ziegler
^ich über die Aehntichksit äußern kann. Letzterer erktärt,
^ set außerstande, da er die Kinder bisher nicht gesehen
We. Es sotgt eine Reihe von Zeugen, darunter andere,
angekündigt, die übereinstlmmend bekunden, daß nach
^hrer festen Uebsrzeugung die 'Gräfin 1896 wirklich in
^nderen Umständen war. Eine Zeugin will sogar von
^Ner anderen gehört haben, diese habe die Gräfin mit der
Mnd betastet und den Zustand Lestätigt. Polizeikommissar
^arh bekundet übsr seine Ermittelungen in Paris: Jm
^andagistengeschäft Rognier und Bournet bestellte iin
Mti oder August 1896 eine korputente, mit etwas deut-
^chem Akzent sprechende Dame nach mitgebrachtem Maße
^nen Gummileib. Frau Bournet erklärte, die ihr

vorgelegte Photographie sei nicht die jener Dame. Um
jens Zsit war die Gräfin auch nicht in einem Pariser Hotel
cmgemeldet. Bei der Hebamme Ramot erschien eine mit
deutschem Akzent sprechende Dame und forderte sie auf,
in besttmmter Zeit ihr einen neugeborenen Knaben zu
besorgeu. Frau Ramot machte die Dame aber auf die
Notwendigkeit der formellen Erktärung vor der Polizei
aufmerksam, woräuf die Dame sich entfernte. Die Ramot
erktärt, in der Photographie der Dame die Gräfin wieder
zu erkennen. Der Verteidiger betonte demgegenüber, daß
Frau Ramot, ats ihr die Gräsin in Berlin gegenüber ge-
stellt wurde, diese nicht wieder erkannte. Der Maler v.
Krajcnski, der sür Graf Hektor Kwielecki Erkundi-
gungen in Paris einzog, bekundet, Frau Ramos habe bei
einer Gegsnüberstellung mit der Gräfin erklärt, diese sähe
ihrem Besuche etwas ähnlich, jpreche aber viet besser fran-
zösisch. Nach cinem längeren Gespräch mit der Gräsin
erkennt Zeuge Tard die außerordenttiche Getäufigkeit
an, mit der die Gräfin sranzösisch spreche, doch sei ein
fremder Akzent nicht zu verkennen.

Theater- und Kunstnachrichten.

X Erstes Abonnements-Solisten-Konzert. Der Königl.
Kammer- und Hofopernsänger Herr Theodor
Bertram, ist hereitS gestern Abend hier eingctroffen und im

„Europäischen Hof" abgestiegen. Der bedeutende Wagner-
Sänger tritt im heutigen Konzert, abends 8 U'hr, in der
Stadthalle auf. Ein Kunstgenuß ersten Ranges ist den Hörern
gcsichert. Die hier tursiercnden Gerüchte, Herr Bertram käme

nicht, sind völlig unwahr. Aus Marienbad wird über ein
dortiges Konzert Bertram's geschrieben: Echte Kunst ist wie
leuchtender Sonnenschein, klar und wärmend und das Gemüt
wunderbar erhebend. Das bewies Herr Theodor Bertram
in seinem Konzerte, das im großen Kursaale veranstaltet
wurde. Der Künstler sang vorerst die Holländer Arie. Ohne
Szenerie, ohne Kostüm, und doch von geradezu grandiöser
Wirkung. Es liegt eben ein berauschender Klangreiz in Ler
Stimme des Künstlers, die allein schon mächtig genug wirkt„
auch wenn alles äußerliche Beiwerk sehlt. Der Beifall und die
Hervorrufe wollten kein Ende nehmen. Herr Bertram trug
noch die Arien „Blick ich umher" und „Abendstern" von Wag-
ner, sowie die Ballade „Prinz Eugen" vor, daß er die beiden
Arien mit vollendeter Kunst und mit tiefer Gesühlsinnigkeit
vortrug, ist selbstverständlich; die Ballade „Prinz Eugen" sang
Herr Bertram sich selbst und noch mehr dem Publikum zur
Freude, ein fein ziseliertes Mersterstück! Der> Beifall war to-
send und Bertram wurde immer von neuem hevvorgestürmt.
Der Saal war total ausverkauft.

Heidelberg, 31. Okt. (Stadttheater.) Als letzte der
Festvorstellungen, die anläßlich des Theaterjnbiläums stattsin-
den, findet Dienstag ein Doppelgastspiel Boch - Lützen-
kirchen statt in Sudermanns „Glück im Winkel". Der
Freiherr von Röcknitz Lützenkirchen's ist als eine seiner ge-
nialsten Leistungen bekannt und nicht Minder trefflich ist die
„Elisabeth" des Fräulein Boch. Dem Zusammenspiel der
beiden ausgezeichneten künstlerischen Kräfte kann mtt grötztem
Jnteresse entgegengesehen werden. Jn den anderen Haupt-
rollen sind beschäftigt die Damen Bonne, v. Bukovics, Wagner,
Bauer, Keller, Patuscbka, Sengewaldt und die Herren Eckhof,
Steinmann und Steffens. Wir wollen außerdem noch einma!
darauf hinweisen, daß die heute st a t t s i n d e n d e Fest -
vorstellung von „Egmont" präzise um 7 Uhr begrnnt..

Die heutige NuMmer UMfayt drei Viätter» zusammen 14 Seiten
 
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