Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 176 (1. Juli 1903 - 31. Juli 1903)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0189

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

d»schet»t tizlich, Sonntag» au»genomuien. VretS mit Familiendlättern monarlich 50 Pfg. in'S Haus gebracht, bei dcr Expedition und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Dnrch tta PM

bezogm vierteijahrlich 1.35 Mk. auSichlichlich Zustellgebühr.

E»teige»prei«: 20 Pfg. für die Ispaltigc Peritzcile sder deren Raum. Reklarnezcile 40 Pfg. Für hiesigs Geschästs- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme »«« NnzetK«
^ LMmmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit ül irnommen — Anicklag der Iwerate auf den Nllkattafsln der H-idelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher W.

28. M lSl>3.

-'x!


45. ZahMNg. — 173.

^Nlerikanische Auslands- gegen Jnlands-
preise.

„Zeitschrift für Sozialwissenschaft" teilt ein Schrei-
c. "es österreichisch-ungarischen Generalkonsuls in Chi-
mit. Ein interessantes Resultat des amerikanischen
A ° E) s ch n tz z o 11 t a r i f s ergibt sich, wenn man die
^üe. welche vom Ausland für amerikanische Waren
^ werden, niit den Preisen für dieselben Waren in
spz ^^uon vergleicht. Die Preislisten, welche die Aus-
^.öeschöfte drncken und verteilen lassen, geben Preise ait/
sich von den in Amerika üblichen nicht allzu weit
^^^ncn. Der Unterschied läßt sich erkennen, wenn man
gx, "Diskontolisten" zur Hand hat, die möglichst geheim
sj?Em werden. Nach solchen Listen, die sich der Vor-
demokratischen Ausschusses für.die Kongroß-
Zs,? . beschaffen wußte, werden Drahtnägel, die in
st„^ika nicht unter 2,50 Dollars das Fäßchen zu haben

Draht-
5 Dollars, 100

sisth

spo bringt dort 12 Dollars,
^^i müssen dort mit

^^an das Auskand für 1,30 Dollars verkauft.

werden an da
^Nier kosten:

Nauseln

drautzen

4 Dollars bezahlt werden
Ausland mit 2 Dollars abgegeben.

Amerikanischer Preis für
Preis Ausland

Dollars

. (Dutzend) . . . . 7,60 6,80

A,chchbretter (Dutzend) . . . 3,— 1,70

^ihgenschinwre (Psnnd) . . . 0,08 0,04

Mchhcicker (Stück) .... 2,70 1,60

tz^cheldraht (100 Pfnnd) . . 3— 2,—

^Nnuhren . 0,60 0,30

tzNswäher. 4,25 2,75

tz^uiachgläser (Dutzend) . . 0,80 0,66

I>..^eibmaschinen .... 100,— 56,—

^Maschinen .'40,— 17,—

^blech (100 Pfund) . . . 14,90 3,19

c,a> Amerikaner muß angeblich im Durchschnitte für
^rstnnische Warcn 40 Prozent mchr bezahlen alZ der
k.^länder, dem die amerikanischen Fabriken ihre Waren
,-^cht unter dem Erzeugnngspreis anbieten können, um
, >eu Markt zu gewinnen, weil sie aus der anderen Seite
a. ihrern eigenen, durch hohe Zölle geschützten, infolge der
^ oßen Trusts auch der Konkurrenz beraubten Territorium
^ Verbrancher fast nach Belieben die Preise diktieren.

Deutsches Reich.

H Tem Vorsitzenden des Bundes deutscher
° d E „ x e s o r m e r , Adolf Damaschke, ist zu-
^'Üten des Verbandes eine erhebliche Erbschaft
^fallen. Sie besteht in einem großen Zinshause im
^chten Berlins. Das werkvolle Verinächtnis ist dazu be-
die Jdeen des Vereins soweit wie möglich in die
« ^l'ss zu übertragen und auf diese Weise agitatorisch
^ ^irken. Es scheint jedoch, als ob sich der Abwicklung

Aus der Frauenwelt.

aus einer der letzten N-ummern unseres Blattes ersicht-
>st, swht pie Eiuführung der segensreichen General- oder
H^cnvormundschaft auch in Hcidellierg in Aussicht. Diese
^ "Kregel verdient das lebhafte Jnteresse der Frauen, die für
^„5 geordnete und ntcht nur dilettantenmäßige Armenpflege
ej . Kinderfürsorge eintreten; wir bringen däher im Folgenden
ö.e Ausführungen über das Leipziger Ziehkindersystem, wo
hie Generalv.ormundschast eingeführt wurde, die im
tzZMtlichen einem von dem Waisenrat Oberst a. D. Galli in
^^llottenbnrg gehaltenen Vortrag entnommen sind.

Leipziger Ziehkindersystem ist aus einer 1824 gemachten
tzst-sung eines großgesinnten Bürgers „zur Aufbesserung der
hlßtenz unehelicher Kinder" hervorzegangen, hat schon früh
Hss Z'eier ärztlicher Behandlung und besoldeter weiblicher
j„ öschaft eingesetzt, indes die Blüte seiner Entwicklung erst
T beiden Jahrzehnten durch bie geniale Führerschaft des
zst' Taube erreicht, der seine als Arzt, MenschenfreuNd und
„ ^schenkenner gleich starke Persönlichkcit zum Ausbau der jetzt
i" Deutschland benannten Jnstitution einsetzte und
stjw einsetzt. Dieses Leipziger Ziehkindersystem yat scinen
y P>eren Schutzbau für die unehelichen Kinder jetzt so erweitert,
alle in frcmder Pflege befindlichen Kinder, außerdem
^ auch die unehelichen Kinder, wclche in der eigenen Fainilie
h, '^achsen, bis zur Schulentlassung zu ihm gehören. Hierbei
— um dieses Hauptstück gleich hervorzuheben — grund-
st r sch alle unehelichen Kinder der Generalvormundschaft unter-
i d. h. der — statt durch Einzelvormünder — durch den
B Vorsihenden der Armcn-Direktion ausgeübten gesetzlichen
°rmundschaft.

^iai springendcr Punkt ist in diescr Fürsorge die durch die
H (^ralvormundschaft gewährleistete schnelle und nachdrückliche
hj ^uziehung des nnehelichen Vaters Znr Mrnentation. Denn
mndesübliche Vaterflucht ist das schmähliche Grundübel, anf

und Uebergabe der Erbschaft noch einige Schwierigkeiten
entgegenstellen.

Elsaß-Lothringen,

Straßburg, 27. Juli. Der Gemeinderat in
Kolmar beschloß auf Antrag des Reichstagsäbgeordneten
Stadtrat Blumenthal den Wunsch auszusprechen, daß die
reichsländischen Schulbehördtzn Maßnahmen ergreifen
möchten, um dcn Schülern der E l e m e n t a r s ch u l e n
die Erlernung der französischen SPra ch e zu
ermöglichen.

Baden.

UO. Freiburg, 27. Juli. Für die bevorstehende
L a n d t a gs w a h I wird hier eine Neuerung eingeführt,
die sehr zu begrüßen ist. Jm Jnteresse der Erhöhung der
Korrektheit der Wahllisten soll auf Grund der letzteren
jedem Wahlberechtigten eine Postkarte zugeschickt werden,
in welcher behufs Geltendmachung von Richtigstellungen
der Name des Wählers genau so angegeben ift, wie er in
der Wählerliste eingetragen wurde. Den einzelnen Wähler
sollte dieses Entgegenkommen anfenern, von seinem Wahl-
recht Ge'brauch zu machen.

Karlsruhe, 27. Juli. Wie der „Volksfreund"
meldet, wnrde für den Landtagswahlbezirk Durkach-Stadt
Herr Christian H o r st aus Durlach in einer am Samstag
abgehaltenen Mitgliederversammlung des sozialdemokra-
tischen Wahlvereins Durlach als Kandidat der sozialdemo-
kratischen Partei proklamiert. 'Für den 44. Landtags-
wahlbezirk Schwetzingen wurde dem gleichen Blatte zu-
folge Arbeitersekretär Bernhard dN ülle r in Mannheim
als 5landidat der sozialdemokratischen Partei aufgestellt.

Karlsruhe, 27. Juli. Man schreibt der „Straßb.
Post": Wie mir höreu, solleu die Wahlmänner-
wahlen für die im Herbst notwendig werdende Erneu-
erung der Zweiten Kammer Ende Oktober oder
Anfang November stattfinden. Die Einberufung
des Landtags ist für Anfang Tezeniber in Aussicht ge-
nommen.

RO. Bretten, 26. Juli. Tas Zweiländer-
verhältnis der Gemeinde K ürnbach geht seinem
Ende entgegen. Der Zweiten hesstfchen Kammer ist vom
Staatsministerium der Vertrag unterbreitet, inhaltlich
dessen die Hoheitsrechte Hessens über den ihm
zustehenden Anteil an der Gemeinde und Gemarkung
Kürnbach an das G r o ß h e r z o g t u m Baden ab-
getreten werden, wogegen dieses an Hessen die Hoheits-
rechte über den -Enklave Akichelbnch, sowie 296 Hektar
Domänenwald bei Heddesbach abtritt nnd überdies bare
175 000 Mark üezahlt zum Ausgleich des höheren
Steuerwertes der an Baden kommenden Gebietsteile, na-
mentlich des bewohnten Teiles von 'Kürnbach. -Es ist ein
eigenes Zusammentreffen, so wird der „Bad. Landesztg."
geschrieben, daß in demselben Jahre, wo die Amtsstadt
Bretten ihre hundertjährige Zugehörigkeit zu Baden
feiert, der Bezirk Bretten nochmaks einsn Gebietszuwachs
erhält. Der hessische Teil von Mrnbach kam im 12.
Jahrhundert von den Grafen von Katzen-EIlenbogen cm

Hessen; es gehören ihm etwa zwei Drittel der Vewohner
Kürnbachs an und es bestand in dem Orte bisher neben
manchen anderen, durch das Zweiländerverhältnis beding-
ten Eigentümlichkeiten auch der Zustand, daß mit dem
Wohnungswechsel d. h. mit dem Umzug eines Einwohners
aus einem hessischen in ein badisches Haus auch die Staats-
angehörigkeit wechselte. Bekannt ist der Fall, wo ein
fechlender Handwerksbursche von dem verfolgenden Po-
lizeidiener in einen halbwegs auf badischem und halb-
wegs auf hessischem Gebiet stehenden Backofen schlüpfte
und so der Verhaftung Schwierigkeiten bereitete, weil der
Vorderkörper sich schon in Hessen, der hintere Teil aber
noch im Badischen sich befand.

Schwetzingen, 27. Juli. Wie d-ie „Neue Bad.
Landesztg." hört, gedenkt das Zentrum für die diesjährige
Landtagswahl im Bezirke Schwetzingen-Ladenburg eine
eigene Kcmdidatur aufzustellen.

AnS Ser «MKrrSr'nhTr'

— Seine Königliche Hoheit dcr Großherzog habcn
dem Pfarrer August B a u m e i st e r in Flehingen die etat-
mäßige Amtsstelle eines katholischen Hausgcistlichen beim
Männerzuchthaus Bruchsal übertragon und den Notar Adolf
Gooß iii Pforzheim in dcn Amtsgerichtsbezirk Stockach ver-
setzt. — Vom Justizmimsterium ist diesem das Rotariat
Stockach I zugewiefen.

— Reallehrer Jakob Rothenstein an der Bürgerschule
Rielasingeii wurde in gleicher Eigenschaft an die Höhere Bür-
gerschule in Hornberg versetzt.

Auslanv.

Oesterrcich-Ungarn.

P rag , 27. Juli. König Eduard von England
trifft nach dem „Prager Tagebl." in M arie n b a d
Mitte Aügust zu einem dreiwöchigen Aufenthalt ein unter
dem Namen „Lord Lancaster". Es wurden für ihn 32
Ziminer bestellt.

Wien, 27. Juli. Eine Massenversammlung der
Wiener s o z i a l d- em o k r a t i s ch e n Parlei, dis
Sonntag unter freiem Himmel auf der Praterrennbahn
nnter Beteiligung von mindestens zehntausend Personen
zwecks Wiederausnahme des Kampfes für das allge-
meine gleiche Wahlrecht stattfand, nahm eine
Resolution an, worin gegen das derzeitige Privilegien-
parlament protestiert wird, da dieses ein unüberwindliches
Hindernis für jed-en sozialen Fortschritt bilde. Die Ar-
beiterschaft fordert energisch eine Verfassungsreform, eine
wirkliche Volksvertretung durch allgemeines, gleiches und
direktes Wahkrecht. Die Versammlung nahm nach dem
Bericht der „Frankf. Ztg." stellenweise einen sehr stür-
mischen Verlauf, da die Redner Abgg. Pernerstorfer nnd
Dr. Adler den Ministerprästdenten heftig angriffen, wäh-
rend der Aüg. Schnhmeyer die Apanagen der Erzherzöge
kriftsieren wollte, was der Regierungsvertreter unter hef-
tigem Protest der Versammelten nicht zuließ. Nach
Schluß zogen die Teilnehmer vor das Parlamentsgebäude,
wo sie demonstrative Rufe ausstießen und das Aübeiterlied
sangen. Die Polizei, welche die Demonstranten von dem

welchem die Gefährlichkeit von Mutter und Kind gerade in der
sozialen Krisis der unehelichen Mutterschäft einsetzt, dann näm-
lich, ivenn die Mutter wegen ihres Zustandes erwerbslos und
oft arbeitsunfähig geworden ist. Hiergegen hat, schon 14 Jahre
vor dem Bürgerlichen Gesetzbuche des Deutschen Reiches, in
Leipzig ein kurzes praktisches Verfahren den in jedem einzelnen
Falle erreichbaren Wcmdel zu schaffen versucht. Jede uneheliche
Geburt wird vom Standesamt sowohl dem Vormundschafts-
gericht als >dem Armenamt gemeldet. Kmd und Ziehmutter
werden schon in der ersten Woche behördlich gesehen, gebucht

— ersteres ärztlich untersucht — mrd von einer bezahlten Be-
amtin in der Haltestelle besucht. Das Kind kommt in die Vor-
mundschaftsliste, nachdem ein Unterbeamter seine Verhältnisse
schon gelegentlich der ersten Vorstellung oder Anmeldung auf-
genommen hat, und, wenn nicht besondere Hinderungsgründe

— etwa motibierte Gegenanträge — obwalten, genehmigt das
Obervürmundschaftsgericht die Generalvormundschast ohne Ver-
zug. Die Mutter wird baldigst vernommen, nach ihren Exi-
stenzverhältinssen und denen des Vaters des Kindes befragt.
Jst nachweislich für die Existenz des Kindes von beiden Seiten
gesorgt, so wird finanziell von jedern weiteren Vorgehen abge-
standen. Zahlt der Vater nicht unaufgefordert, so werden
ihm in Gegenwart der Mutter seine gesetzlichen Pflichten vor-
gehalten. Jn vielen Fällen weiß er der ihm unangenehmen
Vorlädung durch Zahlung zuvorzukommen und sich mit der
Mutter zu einigen. Die Rechte der Mutter und des Kindes
bleiben fortlaufend sorglich gewahrt. Auf 18—20 Mk. Ali-
mente wird bestanden, auch werden die Entbindungskosteii mit
etwa 50 Mk. angesetzt, falls nicht höhere Lebensverhältnisse
höhere Alimentation ermöglichen. Erfahrungsgemäß läßt der
Vater später mit Zahlung nach; dann setzt sofort die Klage
ein.

Ein für eine Halbmillionenstadt kleiner Geschäftsapparat
sichert diese prompte Vormundschaftshilfe. Die ganze sogen.
Ziehkinderanstalt einschl. der Generalvormundschaft wird unter
einem Stadtrat als Vorsitzenden, von einem Aktuar, 4 Unter-

beamten und 4 Hilfskräften bearbeitet. Der persönliche münd-
liche Verkehr dieser Behörde mit den Aerzten und den besol-
deten Aufsichtsdmiicn, wozu jeder Freitag Nachmittag die Ge-
legenheit bietet, hält dem ganzen Geschäftsbetriebe die bureau-
kratische Vergletscherung vom Leibe. Der Aktuar vertritt in
allen Prozessen die Generalvormundschast und muß demgemätz
viel zu Gericht. Für den Verkehr mit dem Obervormundschafts-
gericht sind die denkbar einfachsten Verkehrswege gebahnt.

Dank dieses prompten Verfahrens hat die jührlich steigende
Zahl von unterzubringenden Ziehkindern der Stadt Leipzig
keine zunehmenden Kosten vcrursacht. Wichtiger ist aber in
sozialer Hinsicht, datz dem Generalvormiind von Anfang an
der Stadtsäckel zur Verfügung steht und nicht erst wichtige Zeit
vergeudet wird durch die Frage: „Wer wird nachher bezahlen?"

Die zweite Eigentümlichkeit des Leipzigcr Systems ist die
geschu> lte und bssoldete Aufsichtsdame. Ueber ihre
Tätigkeit soll das nächste Mal berichtet werden.

Theater- und Knnstnachrichten.

—Oskar Blumenthnl hat ein neues vieraktiges Verslust-
spiel geschriebcn, das den Titel hat: „Wann wir altern", cine
dramatische Plauderei. Die Novität wird im Augusthcft der
von Julius Rodenberg herausgegebenen Deutschen Rundschau
erscheinen und ihre Premiere im Herbst am Deutschen Schau-
spielhaus in Hamburg erfahrcn, für das sich Baron Berger
das Recht der Erstaufführung gesichert hat.

— Otto Erich Hartleben hat cinc italicnische Tragödie von
C. A. Butti, „Luzifer", für dic dcutsche Bühne bearbeitct.
Das Stück soll im Oktober dieses Jahres im Berliner Theatcr
in Berlin zum erstenmal gegeben werden.
 
Annotationen