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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1903 - 30. September 1903)
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Grstes BLaLt

Samstas, 12. Leptember 19V.

Erschetvt tLglich, Sountags aukgenommen. PreiS mtt Familienblättern monatlich b0 Pfg. in's HauS gebracht, bei der Exprditio» und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post

bezogen vierreljährlich l.3S Mk. ausschließltch Zustellgebühr.

Anzeigrnpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Psg. Für hiesig« Geschäfts- und Privatanzeigen crmäßigt. — Für die Aufnahme von Slnzeigen
an bestimmten Tagen wtrd keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anfchlag der Jnserate auf den Pla kattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 89.

Maeedonien.

Berlin, 11. September.

Die Haltung Deutschlands in den. gegenwärtigen
Orientwirren wurde während der letzten Tage neuen Miß-
deutungen ausgesetzt. Diese Entstellungsver-
suche reichen von den panslavistischen Blättern, die
schlankweg behaupten, Deutschland habe den mazedonischen
Aufstand angezettelt, bis in gewisse Kreise der einheimi-
schen Pudlizistik, wo man dem Kaiser Wilhelm und seinen
Ratgebern fälschlich einen orientalischen Tatsndrang zu-
schreidt, nur um mit überlegener Weisheitsmiene davor s
warnen zu können. -

Tatsächlich hat die deutsche Politik, seitdem die der- s
zeitige Balkankrisis besteht, niemals besondere Zwecke s
verfolgt, besondere Mttel angewandt, oder zur Anwen- s
dung empfohlen. Sie beschränkte sich darauf, die Frie -
d en s b est r eb u n g e n anderer Mächte zu unterstützen;
und in den seltenen Fällen, wo als Ausnahme von der
die Regel bildenden Zurückhaltung ein deutscher Schritt
unternommen wurde, war es eine von den beiden anderen
Kaiserstaaten gewünschte Vorbereitung oder Ergänzung
russisch-öfterreichischer Tätigkeit. Seitdern aber diese diplo-
matische Reformarbeit durch den in Mazedonien herr-
schenden Kriegszustand unterbrochen worden ist, hat
Deutschland seine ohnehin nur subsidäre Mitwirkung in
der mazedonischen Frage eingestellt und wartet die Nieder-
werfung des Aufruhrs und die etwaigen Entschließungen
der näher betsiligtcn Mächte ab.

Bulgarische, russische und englische Blätter suchen
eifrig die Nnwahrheit zu verbreiten, die Berliner Diplo-
matie befürworte in Konstantinopel ein militärisches Vor-
gehen gegen Nulgarien. Es erfordert wenig Nachdsnken,
um einzusehen, daß solche Ratschläge der Dürkei nur von
ihren Gegnern erteilt werden könnten. Jn einem Feld-
zuge würde das Osmanische Reich wohl seine militürische
Ehre wahrsn; statt des Siegespreises aber hätte es poli-
tische Benachteiligungen zu erwarten. Was die vom Bu-
reau Reuter gemeldeten diplomatischen Schritte der Mächte
bei Bulgarien betrifft, so haben die betreffenden Anre-
gungen noch nicht die Form gewonnen, d^ ,eine Erklärung
gerade Deutschlands nötig gemacht hätte.

Deuifches Reich»

— Ueberblickt man die finanziellen Ergebnisse der
R e i ch s - V e r s i ch e r u n g s a n st a l t e n im Ganzen
— Gemein- und Sondervermögen vereint —, so ergibt fich ?
das überraschende.Resultat, daß in jedem Jahre von 1891 -
bis 1901 das Vermögen der Anstalten ganz gleichmäßig,
und zwar um rund 76 Millionen Mark, gewachssn ist.
Ani Ende des Jahres 1891 betrug das Vermögen
76 465 166,83 Mark, und am Ende des Jahres 1901
852 019 501,52 Mk. Weder die allmähliche Steigerung
der Rentenlast auf mehr als 62 Mllionen im Jahre 1901
no-ch die Beitragserstattungen in Höhe von 6,73 Millionen,
noch auch das Anwachsen der Heilverfahrenskosten auf
nahezu 7 Millionen hgt diese Gleichmäßigkeit zu stören

vermocht, wie auch die gsänderten Vorschriften des neuen
! Jnvalidenversicherungsgesetzes ohne fichtbaren Einfluß ge-
s blieben sind.

— Herzog Karl Eduard von Sachsen - Ko -
? burg und Gotha wird demnächst in Gesellschaft des
i Prinzen Eitel Friedrich von Preußen zu einem
? mehrwöchigen Aufenthalt auf Schloß Rheinhardsbrunn
- bei Koburg -sintreffen. Gleichzeitig werden dort die Her-
i zogin von Albany und 'die Prinzesfin Alice, Mutter und
Schwester des Herzogs Karl Eduard, anwesend sein.

6 Bcrlin, 11. Sept. Das Militärwochenblatt meldet
die Beförderung zu Generalobersten mit dem Rang von
Feldmarschällen unter Merseburg, 11. Sept., des Generals
der Jnsanterie, Generaladjutanten und kommandierenden
Generals des 11. Armeekorps, v. Wittich, und des Gene-
rals der Kavallerie, Generaladjutanten und Chefs des
Generalftabs Grafen Schlieffen, ferner die Ernennung
der .Generalleutnants und Gouverneurs von lllm, v. Hugo,
zum Generalinspektor des Militär-Erziehungs- und Bil-
L-ungswesens, während an seine Stelle der Generalleut-
nant und Gouverneur von T'horn, v. Rosenbsrg-Grus-
zczynski, tritt, der in Thorn dur-ch den Generaladjutanten
und Kommandeur der 36. Division, Brunsich, Edler v.
Brun, ersetzt wird. Zum Kommandeur der 36. Division
ist unter Beförderung zum 'Generalleutnant und General-
adjutanten Generalmajor v. Mackensen ernannt worden.

— Zur R e i ch s t a g s w a h l in D e s s a u - Z e r b ft
hat die dortige Parteileitung der Konservativen
und des Bundss der Landwirte. eine Erklärung veröffent-
licht, daß sie n i ch t i n d e r L a g e sei, von Partei wegen
ihre Gesinnungsgenossen aufzuforderst, bei djer bevor-
stehenden Stichwahl für den Freifinnigcn Schrader
einzutrctcn. Diese Erklärung wird u. a. damit begvündet,
daß die freisinnige Parteileitung auf die vor der Haupt-
wahl an sie gerichtete Frage, ob sie im Falle einer Stich-
wahl zwischen dem konservativen und dem sozialdemokra-
tischen Kandidatsn ihre Parteiangehörigen öffentlich zur
Stimmabgabe für den Konservativen auffordern werde,
keine bejahende Antwort erteilt habe.

X Desiau, 11. Sept. Jn der R e i ch s t a g sst i ch-
wahl erhielt Schrader (Fr. Volksp.) 13 571 Stim-
men, Käppler (Soz.) 12732 Stimmen. Ersterer ist
somit gewählt. Konservative und Bündler in den Städtsn
sind meist für Schrader eingetreten, auf dem Lande haben
fie vielfach Wahlenthaltung geübt, teilweise auch für Käpp-
ler gestimmt.

Bade».

Durmersheim, 11. Sept. Der „Bad. Landsm."
schreibt: Eine Vertrauensmännerversammlung der Zen-
trumspartei der Hardtorte und der Rastatter Gemeinden,
welche zum Wahlbezirk Ettlingen gehören, hat
einstimmig beschlossen, dem Bürgermeister Häfner von
Ettlingen die Kandidatur anzutragen.

Karlsruhe, 11. Sept. Der große Landes-
ausschuß der nat.-Iib. Partei tritt vorausfichtlich am
27. September hier zusammen.

Karlsruhe, 11. Sept. Jn dsn „Mittelbadischen

Kleine Zeitmrg.

— Hnmburg, 11. Sept. Jnfolge schweren Un- ^
wetters ruht die ausgchende -Schiffahrt fast gänzlich.
Schiffsunfälle werden befürchtet. Das Wettsr ist jetzt

ruhig

— Für dcn nächstcn Jntcrnationalcn mcdizinischcn

Kvngrcß in Lissabon beabsichtigt nian ein eigenes Schiff
zu mieten, das, wie die „Neue Freie Presse" meldet, von
Hamburg aus in die See gehen und in Antwerpen, Dover,
Havre, Bordeaux, Bilbao anlegen wird, um die aus den
verschicdenen Ländern zureisenden Kongreßmitglieder ein-
zuschiffen und aus öeni Seewegc nach Lissäbon zu bringen.
Anf den Dampfern will die „Ligue contre le mal de mer"
ihce zweite internationale Ausstellung aller auf das Stu-
dinm und die Bekämpfung der Seekrankheit bezüglichen
Gegenstände veranstalten, und es sollen glsichzeitig Stu-
dien dieser Maßnahmen an den von der Seekrankheit be-
fallenen Teilnehmern der Reise selbst vorgenommeu
werden.

— ßZebraiichsgcgcnstände aus Milch werden, wie wiv
einem Bericht der „Mannheimer Jndustriezeitung" ent-
uehmen, nach einem der chemischen Fabrik von Schering
in Bcrlin patentierten Verfahren hergestellt. Das aus der
Milch gewonnene Casein, der sogenannte Quark, der b»S-
her vielfach mangels besscrer Verwendnng auf dcm Lands
als Viehfutter verwandelt wurds, wird durch Beimengung
bon Salzen und Säuren in eine unlöslt-che Masse ver-

wandelt, entwässert nnd getrocknet und mit einem wei-
teren Zusatz von Formaldehyd versehen. Die so erhaltene
Masse ist vollständig gleichmäßig, unlösbar, fest und halt-
bar und im Aussehen dem Celluloid außerordentlich ähn-
lich, .dem gegenüber es dsn Vorteil besitzt, nicht so leicht
brennbar zu sein. Mit allerhand Farben vermischt, lassen
sich die verschiedensten Materialien damit imittieren, anch
marmorierte Platten usw. herstellen. Jm H-andel befindet
sich das Material unter dem Namen Galalith und es sind
bis jetzt vorwiegend Stockgriffe, Kinderspielsachen und
ähnliche Dinge, die daraus herg-estellt werden.

- Burcnschwindel. Jn zahlreichen Schweizer Städten
und Dorfern hatte der „Burenoberst Henrik de
Günsch" mit seinen Vorträgen „Selbsterlebtes aus dem
südafrikanischen Kriege" großen Zulauf gehabt und ein
schönes Stück Geld eingenommen, das er getreuli-ch der
Burenwitwen- und Waisenkasfe abzuliefern versprach. Der
Herr Oberst, der sehr fchlicht da-herkam und nur ein Qrdsns-
band mit den Transvaalfarben nm den Hals trug, wußte
sehr fesselnd zu schildern, natürlich alles vus eigener An-
schauung; so hatte er auch bei dsr Gefangennahme
Methuens eine hervorragende Rolle gespielt; mit dem Ex°
präsidenten Steijn stand er anf Du nnd Du usw. Diese
letztere Angabe veranlaßte einen Berner Burenfrennd- zu
einsr drahtlichen Anfrage an den in Reichenhall weilenden
Exprästdenten. Die Antwort lautete, dieser Herr de Günsch
sei ihm ganz unbekannt. Darauf na-hm stch die Poltzei
der Sache an und entlarvte den wackeren „Burenkämpfer"
unmittelbar vor einer Vorstellung als einen vielfach vor-

Nachrichten" vom Montag, den 7. Septembep findet sich
folgende -vielsagende Anzeige:

Beleidigungs-Zurücknahme.

Die am 16. Juni ds. Js. anläßlich der Reichstagswahlen
gegen die Bürger der Gemeinde Maisach getanen beleidigen-
Len Aeutzerungen nehme ich hiermit zurück und Lezahle als
Sühne 20 Mark in die Armenkasse von Maisach und über-
nchme sänitliche Kosten des Gerichtsverfahrens.

Oppenau, 31. August 1903.

Alfous Baumann, Kaplan.

Preußcil.

L Berlin, 11. Sept. Mit Bezugnahme auf einen Ar-
tikel der „Frankfurter Volksstimme", wonach dsr Justiz-
minister an die Staatsanwälte die Verfügung erlassen
haben soll, d-ie sozialdemokratische Presse genauer aks bis-
her zu studieren und mit rücksichtsloser Schärfe jeden Fall
zu verfolgen, der nur einige Ausficht bietet, einsn Maje-
stätsbeleidigungsprozeß anzustrengen, schreibt die „Nordd.
Aüg. Ztg.", daß die Angaben dieses Artikels von An-
fang bis zu Ende erfunden seien.

Aus der KKrisruheK.'

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben:
den Obcrzollinspektor Ludwig Moser in Lörrach unter Ver-
leihung des Titels Finanzrat zum Kollegialmitglied der Zoll-
direktion ernannt, den Oberzollinspektor Wilhelm Frisch -
muth in Singen zum Hauptsteueramt Lörrach, den Oberzoll-
inspektor Wilhelm Daub in Säckingen zum Hauptsteueramb
Singen, den OLerzollinspektor Georg Z i m m e r ma n n in
Stühlingen zum Hauptsteueramt Säckingen, sämtliche in glei-
cher Eigenschaft versetzt, den Finanzinspektor Herm. Kcmpf f
zum Oberzollinspektor in Stühlingen ernannt und den Ober-
buchhalter Karl Volk bei der Landeshauptkasse wegen leiden-
der Gesundhcit in den Nuhestand vcrsetzt.

Ausland.

Ocstcrreich-Ungarn.

Ll Wien, 11. Sspt. Anläßlich der Ankunft des
d e u t s ch e n.K a i s e r s in Wien werdsn für den sestlichen
Einzug vor dem Südbahnhof ünd der Karlskirche größers
Ausschmückungen vorgenommen. Vor der letzteren werden
Tribünen für die Mitglieder des -Gsmeinderates aufgestellt.
Der ganze Weg vom Südbcchnhof bis zur Hofburg wird
durch Flaggenmasten eingefaßt. An anderen Orten werden
Tribünen sür das Publikum errichtet.

I! Wien, 11. Sept. Eine in der „Wiener Zeitung"
morgen erscheinende kaiserl. Berordnung ermächtigt die
Regterung zur Unterstützung der Hilfsbedürftigen Bevölke-
rung der vom Hochwasser betroffenen Länder und zur
Wiederherstellung des beschädigten Staatseigentums (Ver-
kehrswege). Es sind staatliche Mittel bis zn 15 Millionen
Kronen aufzuwenden. Davon sollen zunä-chst 6 Millionen
der notleid-snden Bevölkerung Böhmens, 3 Millionen der
Schlestens und 2 900 000 Kronen jener Galiziens zuge-
wendet werden.

Deutsch-Oesterreichisch. Nngarischer
Vinnenschiffahrts-Konsireß.

-s Mannheim, 11. Sept. Bei den heutigen Verhand-
lungen stand als erster Punkt auf der Tagesordnung „O r -

bestraften Dieb und Schwindler namens Heinri-ch Günsch,
geboren 1862 tn Altenhausen, Bezirk Magdeburg, seineK
Zeichens Mühlenbauer.

— Die Fortpflanznng des Aales. Nach dem heutigen
Stande unserer Ksnntnis verhält es sich damit fol-
gendermaßen: der geschlechtsreife Aal geht im Spätherbst
und Wintsr ins Meer hinab, um dort zu laichen, und setzt
seine Brut in einer Tiefe von mindestens 500 Meter ab.
Aus den Eiern entstehen Glasfische, und diese verwandeln
sich in der Tiefsee allmählich in Aale. Sobald diese Um-
wandlung sich vollzogen hat, ziehen die jungen weiblichen
Aale die Flüsfe hinauf, während die niännlichen auffallen-
derweise im Msere zurückbleiben, um dort den Kreis ihreK
Daseins zu vollenden. Wie man sieht, bleibt au-ch jetzt
noch manches unerklärlich; aber die schwierigste Frage hat
eine durchaus befriedigende Beantwortung gefunden.

Literttrisches.

—Fritjof Ransen: Eskimoleben (Leipzig und Ber»
lrn, bei Georg Heinrich Meyer). Nansen, der selbft einen
Winter unter den Eskimo gelebt hat und ein tüchtiger, syste-
matisch vorbereiteter Beobachter ist, hat in diesem 800 Seiten
umfassenden Buch auf Grund persönlicher Erfahrungen und
Erkundigungen, sowie mit Hilfe der vorhandenen Literatur
eine Darstellung des Lebens der Eskimos verfatzt, die ein an-
schauliches Bild von diesem in vieler Beziehung interessanten
Volk gibt, und zugleich das Herz des Lesers für dasselbe er-
wärmt. Was wir von dem Kampf ums Dasein dieses in
arktischer Abgeschiedenheit lebenden Volkes hören, von der Be-
gabung, die es für diesen Kampf mitbringt, und von der An-
 
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