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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1903 - 30. September 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0613

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Montag, 28. Leptember 18V.

C'rstes BirrLt.

Zllhrgllng.

IsckSZekE lSäNZr!

^ Demnüchst finden in der Hälfte der Wahlbezirke die
7-Znd t ags w ahlen statt. Bedenkt, wclche Bedeutung
^sen Wahlen für die weitere Entwicklung nnseres Landes
^Nkomint!

Auf der ganzen üinie macht das Zentrum die größ.
Anstrengnngen, nm die liberalen Elemcnte in unserer
E'0lksverti.-xtui>g noch weiter zurückzudrängen.

Nicht nur iu kirchenpolitischen Dingen, in denen
die vom Zentrum verlangte Z u las s u ng v on M än n er-
^östern im Hinblick aus die seithcrigcn Traditionen des
adischxn Staats nach w'e vor mit aller Entschieden-
^it bekämp fen, sondern namentlich auch auf dem G e-
^ete der Schule und des Unterrichts, auf jenem
Kunst und Wissenschaft, ja auf demGebiete
ganzen Staa tsverw altung und unseres gesamten
sUgerlichen Lebens müßte cs über kurz oder lang zu ver-
Aüw'wzvollcn Rnckschlägen führen, wenn die Partei des
^erikalismus und des politischen Konfessionalismus aus
t^uder käme. Unsers Stellung Zur Regierung wird
,^ch ihre Haltung in diesen Frageu wesentlich mitbc-
d'ugt sein.

, Aber auch das Vordringen der Sozialdemo-
^?utie, die nicht nur in städtischen, sondern auch in länd-
"chen Bczirken die Unzufriedenen um sich zu sammeln sucht,
fnr die gedeihliche Weiterentwicklung nnseres anf mo-
^chischer und nationaler Grundlage aufgebauten Staats-
"^Esens eine schwere Gefahr.

,Schnrt Euch, sbadische Wähler, nm das Banner eines
3esunden maßvollen Fortschritts, das die Na-
Elvnalliberale Partei stets hochgehalten hat nnd auch
der Folge hoch zu halteu gewillt ist.

Wir sind entschlossen, nicht nur den großen natio-
"alen Gesichtspunkten gerccht zu werdcn, sondern auch
Ea liberalen Gedanken mit alUm Nachdruck zu betonen.
, Jn dcr Frage der Rcform unserer Versassung
^eten wir für das allgemeine gleiche geheime und direkte
Wahlrecht in Verbinduug mit einer zeitgemäßen Neuge-
^altung unserer Wahlkreis einteilung mit der
sNaßgabe ein, daß die Städte, welche mehrere Abgeordnete
^ wählen haben, in Einzelwahldistrikte eingeteilt vder da-
^chst Verhältniswahlen eingcführt werden. Ferner wolleu
alle vier Jahre cine Gesamterneuerung der Kammer.
^üßerdem erstreben wir eine Reorganisation der
^rsten Kammer im Sinne einer stärkeren Vertretung

dcr

, - Pnteresseu des Handels uud Gewerbes, der Jndustrie,
^ Landwirtschaft und der größeren Städte des Landes,
Abse jrdoch diese Reorganisation znr Bedingung für dcn
^satz des indirekten Wahlverfahrens durch daS direktc zu
?wchen, wie wir denn auch eine Verkürzung des Budgctrechts
^ Zweiten Kammer ablehuen.

... Zic konfessionell gemischte Volksschule ge-
?ort zu den wertvollsten Errungenschaftcn unseres Heimat-
andes. Wir werden an deiselbeu unbedingt festhalteu,
^hgleich aber auch ihre Leistungen zu steigern sucheu, was
Erweiterung und Vertiefung der Bilduug nnscrer

Volksschullehrer, eine Vermehrung der bezüglichen Bilduugs-
gelegenheiten und Einrichtungen, sowie eine Besserung
der ökonomischen Lage der Lehrer voraussctzt.
Wir werdeu darauf hinwirken, daß dieselben an einer, d.r
Bedeutung ihrer dienstlichen Aufgabeu cutsprechenden Stelle
in den Gehaltstarif eingereiht werden und daß das Elemen-
Larunterrichtsgesetz eiuer Reform im liberalen Geist unter-
zregen wird.

Auch dem Mittelschulwesen werden wir unsere
vollste Aufmerksamkeit zuwendeu. Wir sind der Meinung,
daß die humanistische und die rcalistische Biloung zwar nicht
gleichartig, wohl aber gleichwertig sind und werden daher
für gleichmäßige Berechtigungen der Abiturienten der An-
stalten beider Schulgattungen eintreten.

Den blühenden..Stand unserer Hochschulen wollen
wir erhaltc» wisseu, wozu vor allem gehört, daß dieLehr--
freiheit au denselben geschützt, aber auch die Lernfrei-
heit keinen Beschränkungen unterworfen wird.

Das landwirtschaftliche, gewerbliche und
kaufmännische Schulwesen wird, wie bisher, Gegen-
ftand unserer eifrigen Fürsorge sein. Desgleichen wollen
wir für weitere Ausgestaltung der Einrichtungen für den
Unterricht nnd die Fortbildung unserer weib-
lichen Jugend mit Entschiedenheit eintreten.

ZueinerAufgabederSelbständigkeitunseres
Eisenbahnwesens, das sich vielfach mnstergiltiger Ein-
richtungen erfreut, liegt unscres Erachtens keiu Gruud
vor. Jst leider auch die Rcnte unserer Bahnen in den letzten
Jahren zurückgegangen, so darf doch diese Erscheinung, die
aller Voraussicht nach nur eiue vorübergehende sein wird,
nicht dazu führeu, daß sich unser Laud des großen und
wichtigen Einflusses begibt, der aus dem Besitz und Betrieb
eines gut verwalteten nnd leistungsfähigen Staatseisen-
bahnnetzes hervorgeht. Es schließt dies aber nicht ans,
daß wir mit anderen deutschen Staaten Tarisgemein-
schaften eingchen, was namentlich auf dem Gebiete der
Personentarife erwünscht wäre. Eine durchgreifende
Vereinfachung und Reform dieser Tarife crscheint als nicht
länger verschieblich nnd sollte sich auf der Grundlage einer
Verallgemeinerung der jetzigen Kilometerheft-Taxen bewegen.
Die weitere Ausgestaltung unseres Neben- und
Kleinbahnwesens, öas im letzten Jahrzehnt erfreuliche
Fortschritte gemacht hat, wird von uus gleichfalls mit allem
Nachdrnck gefördert werdeu.

Tie Einkommensverhältnisse unserer staat-
lichen Beamten sind zwar durch das auf deni letzten
Landtag zu Stande gekommeue Wohnungsgeld-Gesetz nam-
haft gebessert worden, aber uoch nicht vollständig in einer
den Anforderungcn derGegenwart entsprechenden Weise geregelt.
Wir erstreben daher eine allgemeine Revision deS
staatlichen Gehaltstarifs.

Auch der Besserung der Rechts- und Ein-
kommensverhältnisse der zahlreichen, in staatlichen
Betrieben beschäftigten Arb eiter werden wir sorgfältige Be-
achtung schenken.

Wir wünschen, daß der Staat fortfahre, durch den Bau
von Wohnungen seine Bediensteten in den Genuß gesunder
Heimstätten zu briugen, und sympathisieren mit allcn Be-

Stadttheater.

Heidelberg, 28. Sept.

»Unsere Frauen". Lustspiel von G. v. Moser
"o v. S ch ö n t h a n.

.. Unter dem rauschcnden Beifall einer frohgestimmten Menge.
-st das Theater zur Eröffnung des fünfzigsten Spieljahres
allte, ging das Lustspiel „Unsere Frauen" in Szene,
°n dem man nicht viel mehr sagcn kann, als datz es stellen-
, ste recht zum Lachen, meistens aber zicmlich fad ist. Szencn
"s dem modernen Leben der Frau, Konflikte aus dem geistigen
^seise der Fraucnbcwegung erwartet man bei Moser so wie so
Bsht, trotzdem wundert man sich, wie nur über ein so lustiges
^.dcrna ein so trauriges Stück geschrieben werden konnte, worin
- ^ Packfische ganz nach dem alten Cliche sind und keine dcr
t° --ch.ierenden Rollen auch nur einen neuen oder gar charak-
^^Utisch herausgearbeiteten Zug aufweist.
d»-"ie Frau Rentier Dorn setzt begründeten Zweifel darin,
der Geheimrat Schulze, von dem ihr Gemahl immer spricht,
, dem er immer zum Besuch von Dressel und ähnlichcn Lo-
„ si.n berführt sein will, der Realität der Berliner Welt an-
° hört. Sie meint, Gehcimrat Schulze sei nur eine Nusrede,
der ihr Mann den Drang nach Freiheit zu verhüllen strebe.
F" kann es denn im Jnteresse des Rentiers liegen, datz ihm
Geheimrat S-mlze auf 5 Minuten einen Besuch macht.
komischer Kauz von einem Lohndiener sindet sich für dies
^wnöver. Eine Personeüverwcchslung anderer Art bereitet
. b beiden Backfischen arge Schmerzen. Ein Schriftsteller tritt
. cinen Familienkreis ein und wird, damit sein Jnkognito ge-
"hrt bleibe, unter dcm Namen seines Freundes vorgestellt,
in"^.der Anlatz zu dem großcn Mitzverständnis zwischen den
L "ckfischen ist. Dann ist da noch die Firma Stein und Hil-
tzÄ' beinahe pleite geht und von zwei jungen Leuten reprä-
, "tieri wird, von denen der eine der ernste Arbeiter, der an-
der unternehmende Lcichtfutz ist, dcr den genialen Schwung
Geschäft bringt.

Die Darstellung war recht tüchtig; neben unseren bewährten
Kräften Schneider,Eckhof und H o l st e i n hatten beson-
ders einige neue Darsteller Gelegenheit, sich hervorzutun, Herr
Steinmann. spielte mit sorgfältiger Charakteristik den
Nentier Dorn, den Freund des Geheimrats Schulze, Frl.
Lehmann gewann in der Rolle der energischen, sarkastischen
Frau Dorn durch Sicherheit und gute Natürlichkeit 'des Tons
das volle Jnteresse und Frl. v. Bukovics, die eine junge
Frau mit leichter Neigung zum Weicheu, Stillen, Seelenvolleu
darzustellen hatte, fand sofort die richtige Weise und zeigte
sich nach verschiedenen Seiten im günstigsten Licht. Die Fräu-
lein Hartmann, Wazner und Hollmauu bildeten
ein Trifolium echt Moserscher Lustspielweiblichkeit. Die ko-
mische alte Köchin, Ulrike, die Unentwegte, spielte Frl. Bonne
wirksam und ohne zu grotze Uebertreibung. Herr Steffens
als ernster junger Kaufmann führte sich recht gut ein, desglei-
chen Herr Schütt iy der Rolle eines schüchternen Liebhabers.

K. Wildhagen..

Kleme Zeitung

— Hochschulmrchrichten. Aus Erlangen wird gemeldet:
Die a. o. Professur für Psychiatrie in der medizinischen Fakultät
der hiesigen Unioersität wurde in eine o. gewandelt und von
der seither mit ihr verbunden gewesenen Oberarztstelle am hie-
sigen Jrrenhaus getrennt. Der a. o. Professor für Psychiatrie
G. Specht wurde zum o. Professor und Direktor der Pshch. Kli-
nik ernannt. — Der Privatdozent in der theologischen Fakul-
tät der Universitüt München, Dr. A. Nägele, ist als Professor
an das Lyzeum in Passau berufen worden, — Der Privat-
dozent an der Universität Wien, Dr. A. Höfler, wurde zum o.
Professor der Pädagogik an der deutschen Universität in Prag,
der Privatdozent Dr, E: Arleth zum a. o. Professor für Ge-
schichte der Philo>ophie an derselben Universität, der Privat-
dozent Dr. H. Zingerle zum a. o. P'rofessor für Psychiakrie und
Ncuropathologie an der Universität in Graz und der Privat-

strebungen, welche auf Fördernng der staatlichen
j nn d kommnnalen W o h n ung sfü rso rge überhanpt,
' auf Schaffung guter Lebensbedingungen für
unsere Arbeiterund auf eine cntfprechende Vertretung
ihrer berechtigten Jnteressen hinzielen.

Auch werden wir die Bemühungen unseres Handwerker-
standes im Jntercsse der Hebung seincr wirtschaftlichen
Lage, insbesondere seine Forderung einer Revision des
Submissionswesens und seinen Kampf gegen dis Aus-
wüchse der Kredit w irtschaft, unsererseits nachhaltig
unterstützen.

Was zur Hebung des Handels und der Jndustrie
geschehen kaun, ist unserer tatkräftigsten Fördcrung sicher.

Den Auswüchsen des Warenhaus- und Aus-
verkaufswesens treten wir entgegen, indem wir eine
energische Handhabung der bestehenden Schutzgesetze verlangen.

Der Pflege der Jnteressen unserer Landwirtschaft
treibenden Bevölkerung werden wir auf allen Gebieten, die
derL andesgesetzgebung überlnssen sind, die lebhafteste Für-
sorge zuwenden.

Auch wünschen wir, daß unsere Regierung auf m ö g-
lichst baldigen Abschluß neuer langfristigee
Handelsverträge hinwirke, welche die notwendige Licher--
heit und Stetigkeit in Handel und Jndustrie wiederher--
stellen nnd anch unserer Landwirtschaft den so dringend er-
forderlichen Schutz gegcn den Wettbewerb bes Auslandes
bringen werden.

Bei der bevorstehenden Stenerreform wird unser
Bestreben auf einen gerechten Ausgleich der verschie-
denen in Betracht kommenden Jnteressen, sowie auf eine
möglichst weitgehende Schonung der minder-
bemittelten Stände gerichtet sein.

Ueberhaupt werden wir alldieAufgaben,.
welche die Zukunft bringen wird, in wahrhaft
liberalem Geiste und durchdrungen von sozia-
lem Pflicht- und Verantwortlrchkeitsgesühl
in fleißiger positiver Arbeit für das Wohl
des LandeS zn lösen suchen.

Badische Wähler! Kämpft mit uns für die Er-
haltung und weitere Ausgestaltung der freiheitlichen Er-
rnngenschaften der letzten Jahrzehnte, bleibt der Fahne treu,
welche unser badisches Volk seither zu einer glücklichen po-
litischen Entwicklung geführt hat, und tretet deshalb
cinmütig und geschlossen für die Wahl der
Männer ein, die Euch die Nationalliberale Par-
tei für die nächsten Landtagswahlen in Vor-
schlag bringtl

Deutsches Reich,

— Die vom „Vorwärts" wiedergegebene Kaiserschlotz-
Skizze Lefindet sich, wie die Beweisaufnahme in der Ge-
richtsverhandlung (siehe heutiges 2. Btatt) ergab, in Farben-
druck im letzten Heft der „Ar chitektonischen Rund-
schau" und stammt von dem Architekten Emil H ö g g. Diesev
sandte, als er die Wiedergabe im „Vorwärts" zu Gesicht
Lekam, diesem folgende Erklärung: „Meine Skizze zu einem
Kaiserschloß ist ein Jdcal-Entwurf ohne irgend-
welchen tatsächlichen Hintergrund, so wie win
mit Monumcntalaufträgen leider nicht überbäuften Architekten

dozent Dr. A. Zalewski, sowie der Professor an der landwirt-
schaftlichen Akademie in Dublanh, Dr. M. Raciborski, zu a. o.
Professoren der Botanik an der Universität in Lemberg er-
nannt.

— Bcrlin, 26. Sept. Ein Versuchswagen der Stu-
diengesellschast für e l e k t r t s ch e S ch n e I lb a h n e n auf
Ler Strecke Marienfeld-Zossen bei Berlin erreichte die
Schnelligkeit von 189 KiIometerin der Stunde. Die
Leistung verlief vollkommen glatt vor einer großen Zu-
schauermenge.

— Berlin, 26. Sept. Sowohl die Stadtveror'dneten
als auch der Magistrat der Reichshauptstadt haben esab -
geIehnt, an der Enthüllung des Wagner-Denk-
mals und an den darauf folgenden Festlichkeiten zn
Ehren les großen Meisters offiziell teilzunehmen. Dieser
Beschluß wurde in geheimen Sitzungen der beidsn Körper-
schaftcn sast mit Einstimmigkeit gesaßt; von den Stadt-
verordneten waren es nur vier, die für eine Beteiligung
an der Feier stimmten. Maßgebend sür die ablehnende
Stellungnahins der Berliner städtischen Behörden war in
erster Linie die Erwägung, daß es sich bei den bevor-
stehenden Fesilichkeiten nm die rein private Angelegenheit
eines Berliner Großindustriellen handele.

— Brcslan, 26. Sept. Jm B el e i d i g u n g s p r o -
zesse Carlo Böcklin gegen Universitätsprofessor
M uther fand heute der dritte Termin statt. Der vom
Richter gemachte Versöhnungstermin s-cheiterte am Wider-
spruch des klägerischen Anwalts. Professor Muther er-
klärte, daß er auch nach der Vernehmung der Zeugen und
Sachverständigen seine früheren Behauptungen aufrecht
 
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