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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 202 (1. August 1903 - 31. August 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0229

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Drschrint tiilich, So»ntag» au»genommei>. Prei» mit Fsmilienblättern monatlich 8V Pfg. in'k HauS gebracht, bei der Expedition und dcn Zweigstationcn abgeholt 40 Pfg. Durch dtk OsE

dezogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

>«zei,enprei»: 20 Pfg. flir die Ispaltige Petitzeile oder drren Raum. Reklamezeile 46 Pfg. Für hiesige Geschäftr- und Privatanzeigen crmäßigt. — Für die Aufnahme von Lnzei,«
«« destimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit Ülirnommen. — Anichlag der Jnierate auf den Plakattaseln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 22.

Das Konklave. __

R o m, 1. August. Seit 10 Uhr erwartetei: heute am
Petersplatze einige tausend Neugierige. darunter ein Heer
von Journalisteu. die erste Abstimmung des Konklaves.
Jm Schatten der nördlichen Häuserreihe und Kolonnaden
gedrängt, schauten sie unverwandt nach dem Blechschorn-
stein, der auf dem Tach der Sixtina errichtet ist, und den
Ausgang der Wahl verkünden soll. Jhre Geduld wurde
auf eine harte Probc gestellt, denn 11 tihr ging vorbei
und twch immer wollte der orakelhafte Rauch nicht er-
scheinen. Endlich, es schlägt gerade ein Viertel vor zwölf,
geht es durch die Reihen: Da ist er! Eine deutlich wahr-
nehmbare weiße Wolke entsteigt dem rätselhaften Rohre.
Ist es die richtige weiße Wolke, die die Wahl des neuen
Papstes bedeutet? Sollte das Unerhörte geschehen sein,
und ein Papst im ersten Wahlgang gewählt sein? Dis
Frage findet schnell eine Antwort: der weißen folgt eine
dicke gelbe Rauchwolke. Dem verbrannten Papier der
Stimmzettel folgt das Nein bedeutende Strohfeuer nach.
Auch diesmal ist eine Erneuerung der Wahl notwendig.
Wie das Wahlerge'bnis gewesen ist, das ist ein Geheimnis,
das die vernagelten Fenster und vermauerten Türen nicht
herauslassen. Am Nachmittag findst ein neuer Wahl-
gang statt.

Rom, 1. August. Kurz uach 6 Uhr zeigte zum z w e i-
ten Male eine Rauchwolke an, daß noch keine
Wahl zustande kam. Der Petersplatz ist belebter als
heute Morgen. Unter den Neugierigcn sind viele Mit-
glieder des Adels in Eguipagen, Prälaten und Semi-
naristen.

R'om, 1. August. Die Ueberwach u n g des Kon-
klaves ist so streng, daß selbst Hühner und Fische geöffnet
werden, bevor sie hineingebracht werden dürfen. Nur
'die au Oreglia gerichteten Postsendungen werden keinerlei
Prüfung unterworfen,.

Rom, 1. August. Ueber die um 10 Uhr begonnene
ttiid um 11^ Uhr 'Leendete erste Abstimmung will das
„Gioruale d'Jtalia" wissen, daß die Stimmen sich auf
acht 'bisher schou als „Papabili" genannte Kardinäle ver-
teilten; davon hätten Rampolla und Serafino Vannutelli
die meisten Stimmeu erhalten. Die von 4 bis 6 Uhr
vorgeiiommeue Abstimmung hätte mit geringer Aenderung
das gleiche Ergebnis gehabt, wie die erste. Zwischcn ver-
schiedsnen Gruppen hätten dann neue Besprechungen statt-
gefunden.

1) Rom, 2. Aug. Auch der zweite Wahlgaug verlief re-
sultatlos. Tausende waren auf dem Petersplatze versam-
uielt. Zlls kurz nach 6 Uhr aus dem Kamitt der sixtinischen
Kapelle Rauch aufstieg und zufällig wegen des Peters-
festes die Glocken läuteten, glaubte man, der Papst sci be-
reits gewählt, a'ber bald merkte man, daß man sich ge-
täuscht hatte. Aus dem abermaligen negativen Resultat
Zieht man den Schluß, daß im Konklave scharfe Gegensätze
bestehen. Man bezweifelt sogar, ob 'heute oder morgen eine
Wahl zu Stande kommt. Gerüchtweise verlautet, Ram-
Polla habe bei der ersten Abstimmung 20 Stimmen er-
halten und auch der Nachmittags-Wahlgang habe ein
ähnliches Resultat gehabt. Vielfach spricht man davon,
die Kardi. äle würden sich auf den von Gibbons vorgeschla-
genen Kompromiß-Kandidaten Martinelli einigen. Die
Spannung der Menge ist eine sehr große. Auf dem Pe-
tcrsplatz sah man alle Stände vcrtreten, vom Bettler bis
zuni vornchmen Nobile.

12 Rom, 2. August. Ter Petersplatz ist heute von
o Uhr abends an außerordentlich bele'bt. Die Mengs
wuchs so stark an, daß die militärische Absperrung ver-
slärkt und auch auf den Platz vor dcr Kirche ausgedehnt
wnrde; doch wird das Publi'kum in der Peterskirche, deren
sämtliche Düren geöffnet sind, zugelassen. Um 6 Uhr 40
Miuutcn stieg die vierte Ssumata vom Dache dcr Sirti-
uischen Kapetle auf; Lie Menge wartet noch auf dem Pe-
tersvlatze.

p Rom, 2. Aug. Schon pon der frühestcn Morgenstunde
an hattc sich eine zahlreiche Ntenschenmcnge anf dem Peters-
Platze angesammelt, die trotz dcr grotzcn Hitze dic «sfumnta
erwartcte. Dicsc crschicn um 1,1 Uhr 20 Minutcn, innerhalb
6 Minuten zwcimal hintercinandcr, was darauf schlietzcn lätzt,
dntz cine Accctzwahl stattfand, und zncrst die Zettcl dcr ersten
Abstimmung vcrbrannt wnrden. Als die Sfumata vorüber
war, begab sich eine zahlrciche Menschcnmenge in die PctcrZ-
tirchc, um zu beten. Von dcr autzerhalb des Kanklavcs be-
sindlichen Loge über dcr Bronzetür des Vatikans aus betrach-
teten viele Prälaten nnd Angchörige der Nobclgarde das bc-
lcbte Bild, das der Petersplatz gewährtc.

V Rom, 2. Aug. Hcutc Vormittag zclcbricrtc Visgr. Laz-
zarcschi am Hauptaltar der Pcterskirche die Messe, der u. a.
skatholischen Vercine und Schulcn bciwohntcn. Nach der
Mcssc zögcn alle Anwescnden in Prozesston e.:: Giwbe deS

Papstes vorüber. Auf dem Petersplatze herrscht lebhaftes
Treiben. Die „Voce della Verita" meldet, datz schon bedeu-
tcnde Spcndcn für das Tcnkmal Lco XIII. cingcgangcn seicn.

Deutsches Reich»

— Die Leuksche Kommisston zur Beratung des Han-
Lelsvertrages mit Rußkand hat sich am 1. ds. von Berkin
nach Petersburg begeben. Bei den Verhandlungen,
die jetzt in Petersbnrg eröffnst werden, handelt es sich
um eine vorläufige Ausfprache, die zunächst feststellen soll,
über welche Punkte Uebereinstimmung zwischen den beiden
Regierungen herrscht und in wekchen noch Meinungsver-
schiedenheiten herrschen. Erst wenn eine Teilung nach
diesen beidcn Gruppen stattgefunden hat, wird man an
die fchwierige Aufgäbe herantreten und eine Einigung
über die strittigen Punkte herbeizuführen suchen.

'— Der „Vorwärts" veröffentlicht ein schon vor
den Wahlen vertraulich an Großindustrielle und Kapita-
listen erlassenes N undschreibe n eines Dr. A. Gie -
sebrechtin Maxhofen bei Deggendorf in Bayern, dessen
Hauptinhalt schon durch das „Radebeuler Tagebl." mit-
geteilt worden war. Darin wird zur Unterstützung einer
Propaganda behufs Abänderung des Reichs-
t a g s w a h I r ech t s durch Beseitigung des gleichen
Wahlrechts aufgefordert und auch behauptet, daß die ver-
bündeten Regierungen den Anstoß zu einer Revision des
Reichstagswahlrechts benützen wollen. Unterzeichnet sind
20 Herren Kommerzienräte und Fabrikbesitzer, darunter
Heinrich Albrecht ans Viebrich-Wiesbaden, Böddinghaus,
der Vizepräsident der Elberfelder Handelskammer, Kom-
merzienrat Kollmann-Bismarckhütte und der freikonser-
vative Abg. Weyerbusch-EIberfeld. Die Propaganda soll
dadnrch betrieben werden, daß an sinem und demselben
Tage zwei Abhandlungen des Dr. Giesebrecht über den
Ausbau des Reichstagswahlrechts in Millionen von
Exemplarcn verbreitet werden sollen. Der „Vorwärts"
besitzt die beiden Abhandlungen schon und macht sich das
Vergnügen, sie in der Hanptsache zu veröffentlichen. Sie
laufen auf ein sogenanntes Pluralsystem hinaus. Einen
Wert hat das kinternehmen nicht.

Elsnsr-Lothringcn.

— Die zwölf elsaß-lothringischen Lehrer-Bil-
d ii n g s a n st a I t e n zählten am 16. Mai d. I. 570
katholische, 196 evangelische und 4 israelitische Zöglinge,
im ganzen 770 Schüler, 48 mehr als im Vorjahre. Der
Mangel an Lehrern, namentlich an evangelischen, dürfte
in den nächsten Jahrcn beseitigt sein.

Aus der Karisruher .'ieitung

— Seine Königlichc Hohcit dcr G r o ß h e r z o g haben
dem Kirchenrat Georg Wolfhard in Jhringen das Ritter-
Ireuz 1. Klasse dcs Ordcns vom Zähringcr Löwen verliehen
uud mit Wirkung voni 1. Oktober 1902 dem Postinspcktor
Karl Gschwender aus Burkheim unter Ernennung zum
Telegraphendirektor die Vorsteherstelle beim Telegraphenamt
in Kcmstanz übertragcn.

Ausland.

Frankrcich.

Paris, 1. August. Der Chef des französi-
scheu G e n e r a l st a b e s, Geueral Pendezeck, begibt
sich, einer Einladung des Zaren folgend, in den näch-
sten Tagen nach Rußland, um den großen russischen
Manövern beizuwohnen. Der General wird dem Zaren
ciuf dessen Wunsch ein Album überreichen, worin sich 60
phtographische Porträts französischer Generäle, sowie
Stahlstiche u. Zeichnungen, Episoden aus dem Krimkriege
darstellend, besinden. Das Albuni soll dem Museum in
Sebastopol einverleibt werden.

Ocftcrrcich-Ungarn.

Pesch 1. Auguft. Der U n t e r s u ch u n g s a u s -
schuß in der Bestechungsangelegenheit verhörte zunächst
den Abgeordneten Fay, dessen Aussage belanglos war.
Abgeordneter Olafi wollte Beweise haben, daß der M i -
u i st erpräsi d e n t von den Bestechungen wußte und
daß auch andere Wbgeordnete bestochen seien. Er weigerte
sich jedoch, die Beweise vorzulegen. Auf Drängen des
Ausschusses gab er zu, daß er eigentlich nicht förmliche
Böweise habe, sondern nur aus dem Zusammenhang dec
Diuge den Eindruck von einer Mitschuld Khuens schöpfe.
Der Abgeordnete Kaas bchauptete, schon vor 10 Tageu
crfähren zu haben, daß 150 000 Gulden zur Bestechung
von 16 oppositionellen Abgeordneten verwendet werden
sollten. Graf Szapary hätte Handelsminister werden
sollen und hätte im Namen des Ministerpräsidenten den
Sozialisten die Zurückziehung einer bestimmten Verord-
nung Verivrochen, wenn ste Khnen nicht bekämvfen wür-

den. MendZ wird vielleicht Khuen verhört werden. Der
Güterdirektor des Grafen Szapary, Emerich Ritter, ist
iinauffindbar.

Blättermeldungen zufo'lge traf der in die Beste-
ch u u g s a n g e le g e n h e i t verwickelte ungarische Ab-
geordnete Dienes mit seiner Geliebten in Berlin ein
und stieg im Zentllalhotel ab. Er hatte eine längere Un-
tcrredung mit dem dort abgestiegenen Redakteur der in
Fiume erscheinenden „Magyar Trupetfest", Eugen H a -
g y i. Letzterer fuhr unmittelbar nach der kknterredung
uach Wien zurück. Als Dienes von einigen hier lebenden
Ungarn erkannt wurde, keugnete er seine Jdentität. Nach-
dem eine Depesche der Pester Polizei mit der Aufforde-
rung, Dienes zu verhaften, eingetroffen war, ent-
sandte die Polizei einen Detektiv nach dem Zentralhotel.
Jedoch war Dienes inzwischen unter Zurücklassung seines
Gepäcks verschwunden. Die Polizei glaubt, daß er nach
Hamburg abgereist ist, und hat die dortige Polizeiböhöcde
verständigt.

Budapest, 1. August. Die allgemeine Auffassung
in Betreff dcr B e st e ch u n g s a f f ä r e n ist heute eine
ruhigere. Man bezeichnet es, als wesentlich, daß Graf
K h u e n von der Sache keine Kenntnis hatte und
daß Graf Szapary ganz auf eigene Fanst handelte.
Das gilt als zweifellos feststehend. Damit schrumpft die
ganze Sache zu einer Angelegcnheit zweiten Ranges zn-
sammen. Gräf Szapary ist das Opfer seines politischen
Leichksinns geworden. Nur die überreizte Opposition
wird aus der Affäre um jeden Preis Käpital zu schlagen
suchen; die liberale Partei wartet ruhig die völlige Auf-
kläruug dieses Schwindels ab.

Spanicn.

Mk a d ri d , 1. Aug. Ministerpräsident Villaverde
sowie der spanifche Botschafter iu Paris, C a st i l l o,
und der hiösige französische Botschafter sind
gestern in San Sebastian angekommen. Castillo nnd
Villaverde werden morgen nach Barritz bezw. Madri-
zurückkehren. — Man vermutet, daß die Zusammenkunft
der Diplomaten am königlichen Hoflager den Abschluß
eines f r a n z ö s i s ch - s p a n i s ch e n Einverneh -
mens betreffs Marokko zum Zweck habe, worüber der
frühere Ministerprästdent Silvela bereits verschwommene
Andeutungen gemacht hatte.

Portugal.

Lissabon, 1. August. Die Abgrenzung des Kö-
nigreichs Barotse in Südafrika, wegen der England
und Portugalin Streit liegen, wurde dem Sch ie d s-
g e r i ch t 'J t a I i e u s unterbreitet.

Serbicn.

Velgrad, 1. Aug. Oberst Nikolitsch, der
bei dem Königsmord die Truppen aus dem Lager gegen
Belgrad führen wollte, dabei selbcr schwer verwundet und
später pensioniert wurde, ist zur Kur ins Ausland ab-
gereist.

Afrikn.

Algier, 1. Ailglist. Zwei Bataillone aus
der Provinz Constantine werden an die marokka -
n i s ch e G r e n z e gehen. Sie nxrdeu aber entgegen den
Meldungen einiger Blätter nur zur regelmäßig stattfin-
denden Abkösung der Truppen dorthin geschickt. — Eine
Depesche aus Ain-Sefra meldet, daß 600 marokkauische
Reiter bei Sidi el Jadi, 80 Kilometer von Ädra, 50
Saharaschützen angegriffen haben, die dort
160 Kameele bewachten. Es entspann stch ein heftiger
Kampf; die Marokkaner erlitten große Verluste, sie töteten
ciber auch 10 Schützcn und 2 französische Korporale und
führten die Kameele weg.

Constantine (Ostalgerieu), 1. Aug. Gerücht-
weise verlautet unter allem Vor'behalt, daß ein Teil der
Garnison Befehl erhalten habe, an die marokkanische
Grenze abzugehen.

Amerika.

Newyork, 1. Aug. Nm kranke Einwan-
derer fernzühalten, Plaut der Generalauswanderuugs-
kommissar, die Auswanderer aus enropäischen Hafen-
städten durch amerikanische Aerzte untersuchen zu lassen.

Die Centenarfeiev der Rupevto-Karola.

So wären wir denn in die Festwoche eingetreten! Nur
noch zwei Tage, und dic Ankunft dcr Grotzherzogtichen sowie
der Erbgrotzherzoglichcn Hcrrschaftcn wird das Signal zuni
Bcginn der Fcicr gcben. Welche Mcnge Arbcit einc solche
Festlichkcit dcn vorbercitcndenOrganen bringt, das weitz cin je-
dcr, der schon einmal beim Arrangcment eines Fcstes beteiligt
war. Die drautzen stchcndcn freilich mcrken davon nichts, und
manchc haben vicllcicht gar keine Ahnung von den hunderterlei
Mühsalcn, dcn vielerlei Sorgen und dcn mnncherlei Ve'-dr'-:tz-
lichteiren, üie mit der Vorüercitung cincs so grotzcn Festcs nn-
 
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