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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 229 - 255 (1. Oktober 1903 - 31. Oktober 1903)
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II. LMr 1VZ.

C'rstes Blertt.

45. ZchkßllU.

4-5.

3.

^rscheint tSgltch, Sonntag« auSgenommen. PreiS mit Familtcnblättern monatlich 56 Pfg. in'k Haus gebracht, bei der Expedition nnd den Zweigstationen abgrholt 40 Pfg. Durch dir Post

bezogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausfchließlich Zustcllgebühr.

^nzeigenpreik: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzcile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäftk- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für dte Aufnahme von Anzeigen
^>n bestimmten Tagen wird ketne Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate aus den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Zur Landtagswahlbewegung.

Dis „Karlsruher Zeitung schreibt:
r Deraulaßt durch eine Anfrage einer Gemeindebehörde
E vgx kurzem ein Bezirksamt eine Entschließung des Mi-
^ßeriurus des Jnnern darüber erbetsn, ab die aus G e -
b i n d e m i tt e I n erfolgende Beschaffung der fiir
V o l k s s ch u I u u t e r r ich t nötigen Lehrn: ittel
llnbemittelte als eine U r m e n u n t e r st ü tz u n g zu
Firachten ist, an welche sich die entsprschenden gesetzlichen
^lgen hinsichtlich der Ausübung des Wahlrechts

bevorstehenden Landtagswahlen (8 35 Zisfer 3

^ dsn

^andtagswahlordnung) knüpfe. Die diese Frage beja-
^ nde Antwort des Ministsriums, 'die durch die Tages-
^sse weiteren Kreisen bekalmt wurde, hat nun von ge-
^si'ser Seite eine überaus absällige Beurteilung erfahren.
E^Mgegenüber darf darauf hingewiesen werden, daß nach
"^r ausdrücklichen Bestimmung in 8 54 dss frühereu Ele--
^ntarunterrichtsgesetzes (Fassung vom 19. Februar
1^74) auch das Schulgeld der Unvermöglichen von dem
Nnterstützuugspflichtigen Armenverband zu bestreiten war,
Schulgeldzahlung für Unvermögliche somit ebenfalls
Armenunterstützung galt, und daß bei der im Jahr
1888 erfolgten Aendsrung der bezüglichen Bestimmung
^es Elementarunterrichtsgesetzes — wouach nllnmehr die
Esfreiung von der Schulgeldzahlung nicht mehr als
'lrmennnterstützung gilt (8 69 Absatz 4 des jetzigen Ele-
identarunterrjchtsgeslvzes) — jn dem Kommissionsbericht
Zweiteli Kammcr ausdrücklich als einstimmige
llvsicht der Kommission festgestellt wurde, daß die Unte r-
^ütznng eines Unvermögenden durch Bestreitung der
ehrmitteI, wenn auf Anfordern der Ersatz der Aus-
chge nicht bestritten werden kann, als A rmenunte r-
Üützung zu betrachten sei und „nach wie vor bezüglich
Wahlrechts auch dsn Ausschluß überall da zur Folge
E?be, wo nicht Stiftungen oder Gemeinden zum voraus
Bestreitung des Aufwands aus Stiftungs- oder Ge-
^eindemitteln zu leisten sich entschlossen haben". Dem
^tspricht auch die seitherige Praxis. (Bgl. Joos, Ele-
üientarunterrichtsgesetz, 3. Ausgabe 1902, Note 2 zu 8 5.)
Allerdings ist bezüglich der Rs i ch s t a g s w a h l e n
Jahre 1886 in eincm Erlaß des Ministeriums dss
ünnern eine gegenteilige Anordnung ergangen, in-
behufs der gleichmäßigen Durchführung des 8 3 des
^eichstagswahlgesetzes entsprechend der von der überwi6-
genden Mehrheit der Bundesregierungen angewendeten
^setzesauslegung der Begrisf der „Armenunterstützung"
BM Sinne dieses Reichsgesetzes dahin naher
^estimmt wurde, daß ein im übrigen nicht Hilfsbedürftiger
^urch die Bezahlung des Schulgeldes oder die Beschaffung
l'dr Lehrmittcl für ein die Volksschule besuchendes Kind
^adurch nicht von der Teilnahme an den Reichstagswah-
len ausgeschlossen werde. Für die nach Landesrecht
üvrzunehmenden Wahlen konnte jedoch sekbstverständlich
diesem Erlaß eine andere, hinsichtlich der Beschaffung
^er Lehrmittel, mit dem damaligen Wortlaut des Gesetzes
nicht vereinbare Auslegung nicht gsgeben wcrdsn.

j Deutsches Reich.

, Baden.

? Konstanz, 16. Okt. Das Großherzogpaar von
Baden ist heute von Mainau nach BerIin abgsreist.

Karlsruhe, 15. Okt. Dem „Schwäb. Merkur"
fchreibt man: Vom Schauplatz des deutschen Boxer-

- krieges ist hsute zu melden, daß der „Volksfreund"

- „in eigener'Sache" den „Pforzemern" zum Trotz anzeigt,
er werde die beabsichtigte Erweiterung vornehmen, ohne

! eigentliche Parteigelüer zu verwenden ; von Wergeudung
i könne auch keine Rede sein, und Werdies hätten die Pforz-
heimer noch nichts für das Parteiorgan gezeichnet. Jn
einem anderen Artikel aus Forchheim (bei Karlsruhe)
gibt ein Genosse seiner tisfen Entrüstung über die Pforz-
heimer Parteiversammlung Ausdruck. Dem „ekelhaften"
Treiben gegen die Revisionistcn, der „Persönlichen Gshäs-
sigkeit", müsse ein Ende bereitet wer'den. Fetzt vor der
Wahl hätten die Pforzhsimer ein solches „Getöse" gemacht
zum „Gaudium der Gegner". Sehr richtig! Die Gegner
haben allerdings keinen Grund, Tränen zu vergießsn,
wenn die Genossen einander so wohlwollend charakteri-
sieren und ihren Wert gegenfeitig so genau einschätzen.
Die brüderliche Liebe, die sie für einander empfinden, ist
zwar mit dem Mort „Ekel" etwas stark ausgedrückt, aber
man muß doch von dieser lehrreicheü Erörterung Notiz
nehmen. Zu guter letzt wird von Lörrach aus eins Agi-
tation für die Verbreitung des „Volksfreund" ins Werk
gesetzt, so daß zwar Kolb eine gewisse Genugtuung erhält,
die Einigkeit der Partei aber nicht gerade in glänzendem
Lichte dasteht. Wird der Riß wieder geleimt, eines wird
sich doch nicht so bald wieder einholen lassen: der Verlust
an „Prestige" der Partei, das Verblassen des Nimbus des
Glaubens, als ob die Sozialdemokratie allen Mühseligen
und Beladenen helfen könne. Die Leute, die sich gegen-
seitig als Verräter und Schurken ausrufen, von denen der
eine Teil glaubt, daß er den anderen „durchfüttere", und
die als wärmstes Gefühl „Ekel" für einander empfinden,
sehen gar nicht so aus, als wären sie zu Msssiasen berufen !

Hessen.

Darmstadt, 16. Okt. Die gestrige Darmstädter
Landtags-Ersatzwahl hat den Sieg der national-
liberalen Wählmännerliste gebracht. An die Stelle
der zwei freisinnigen Abgeordneten Langenbach und
Saeng ziehen die Herren Landgerichtsrat Iuff und Ar-
i chitekt Müller in die Zweite Kammer ein.

Elsaß-Lothringen.

Straßburg, 16. Okt. Die Gesamtzähl der aus-
ländischen Ordensschwestern, wel-che vom reichsländischen
Ministerium den Befehl erhielten, Elsaß-Lothringsn zu
verlassen, beträgt zehn. Den Grund der Ausweisung bil-
det die Befürchtung der elsaß-Iothringischen Regiernngs-
kreise, daß, falls man den ausländischen Ordensangehöri-
gen den Aufenthalt in den Reichslanden gestatten würde,
das Gros der aus Frankreich ausgewiesenen Ordensmit-
glieder sich nach Elsaß-Lothringen wenden würde.

Preußen.

— Die Schnellzugsverbindung zwischen
Berlin und Leipzig bildete in der letzten Sitzung
des „Zentralausschusses Berliner kaufmännischer, gewerb-
licher und industrieller Vereine" den Gsgenstand einge-
hender Besprechungen, Der Referent legte eingehend
dar, wie außerordentlich mangelhaft die Verbindung Zwi-
schen Berlin nach Leipzig in beiden Richtungen- sei. Direkte
Schnellzüge von Berlin nach Leipzig verkehrm überhaupt
nur drei, von welchen nur der Mittagszug 'die dritte Klasse
führt, während die beiden anderen nur die erste und zweite
Klasse häben und D-Züge sind. Jn Betracht kommen
allerdings noch drei andere Züge, wel-che jedoch nur bis
Bitterfeld als Schnellzüge geführt werden und außerdem
in Bitterfsld längeren Aufenthalt, bis l^ Stunde, er-
fordern. Von Leipzig nach Berlin gibt es vier direkte
Schnellzüge, von welchen jedoch zwei V-Züge sind, sodaß
für den allgemeinen Verkehr nur ein Morgen- und Abend-
zug verbleiben. Jm übrigen bestehen noch d-rei VerbiN-
dungen, welche jedoch wiederum zwischen Leipzig und
Bitterfeld nur als Personenzüge geführt werden und in
Bitterfeld längeren Ausenthalt erfordern. Von Berlin'
nach Halle gibt es hingegen elf öirekte Schnellzugsvev-
bindungen, von welchen sechs die dritte Klasse führm und
in umgekehrter Richtung verkohren 10 Schnellzüge, -davon
6 mit dritter Klasss. An diese Ausführungen des Re^
ferenten knüpfte sich eine sehr eingehende Diskufsion; die
Versammlung beschloß einstimmig, den Eisenbahnminister
in einer Eingabe um eine erhebliche Verbesserung deir
Schnellzugs'öerbinduug zwischen Berlin und Leipzig zn
ersuchen und- ihm entsprechende Vorschläge zu unterbrei-
ten. Würden die Eisenbahnsn nach der Vorschrift der
Reichsverfassung wie ein einheitliches Netz verwaltet,
dann würde die Verbindung Berlins- mit der größten
Stadt Sachsens nicht so viel schlechter sein, wie diejenig«
mit der viel weniger bedeutenden preußischen Station
Halle.

Aus der Karlsruher Zeituug.

— Betriebsassistent Alexander SchieIe in Mannheim
wurdc nach Gottmadingen versetzt, Betricbssekretär Gcorg
Meythaler in Brennet Rh. zum StationZvorsteher daselbst
crnannt.

AuslsriL.

England.

London, 16. Okt. Der neue Kolonialminister
Lyttelton h-ielt gestern in Leamington eine Rsde, in
der er aussührte, er wolle stch bemühen, -Chamberlains
großem Beispiel zu folgen, um die Ueberlieferungen seinsr
Kolonialpolitik aufrscht zu erhalten. Vorzugszölle
seien ni ch-t der Gegenstand, den die Regierung gegenwär-
tig dem Lande Zur Prüfung unterbreiten wolle. Er 'würd-e
niemats für ste eintreten, ehe er nicht übcrzeugt sei, daß
sie eingeführt werden könnten,- ohne die Ausgaben des ar-
men Mannes zu erhöhen.

Stadttheater.

Heidelberg, 17. Okt.

^ „Kabale und Liebe", Trauerspiel von Friebrich
^chiller.

Cin Provinztheater, und selbst wenn es die Entschuldigung
d.at, eine Art fördernden Seminars für aufstrebeNde jugend-
stche Darsteller zu sein, sollte das Ziel seines Ehrgeizes höher
stecken, als Lustspiele und Schwänke in leidlicher Vorsührung
dor öas Pu-blikum zu bringen, sollte, wenn es alle Jahr ein-
Uial Schiller hervorholt, nicht die durch Achtung für das Grotze
Aebotene Sorgfalt außer Acht lassen. Und ist es schon die Ab-
licht der Dichtung, daß wir, da sich die un-würdigen, trüben
lierhältnisse jener vom Dichter gemalten Zeit vor uns ent-
follen, uns erregen über das Unrecht un-d -die Schlechtigkeit:
>o sollcn wir doch nicht einen h-alben Abentz üb-er an das Trau-
ttge und Mittelmätzige, das eine kleine Bühne mit sich bringt,
denken müssen, Wahrlich, von dem Licht, das von diesem
Schauspiel über die Zeit ausstrahlt, aus der es -er'wuchs, sollte
Äraft indeeller Art genug zu erb-euten fein; die Darsteller müs-
!en Dinge dieser Art doch mit dem ganzen Feuer aufnehmen,
ressen fie immer fähig sind! Ein Held, kühn, ungestüm und
rein wic Siegfried, ein zartes Mädchen, die Unschuld selbst,
ejn redlicher, knorriger Bürgersmann; dort die groß-en Herren
Aie Träger der entarteten Verfassungen, und zwischen ihnen
Üner Eharakter, 'der die „Buhlerin un-d den Engel, die Ver-
vrecherin un'd die Märtyrerin" vcreint. Un-d alle wirkend in
üner unaufhalstamen rasch sich entrollen'den Handlung! Doch
genug des Tadels. Der letzte Akt war ein guter Schlutz für
oen Mend, der so viel Verstimmendes gebracht hatte. Miller,
äerdinand un-d Luise in der letzten Stunde: der alternde
Mann, diese Finger von göttlicher Derbhcit u. strotzcnder Le-
benskraft, so individuell und charakteristisch ausgeprägt, und
die beidcn jungen Menschen, aus denen Schillers Fcuer uns
entgegenbrennt!

Herr Sigl stand wieder einmal vor uns, ganz wie wir
ihn lieben. Wclchcr Zartheit, wclcher Energie, welcher Wahr-
heit ist dieser Darsteller mächtig, Das war etwas, wo man
hinschauen konnte u. hinhören auf jeden Laut, auf je-des Stöh-
nen un-d Seufzen. Der Hebbel'sche Meitzer Anton, un'd doch
wieder nicht dieser, sondern ein Anderer, ein neuer, leben-di-
g-er Mensch. Die anderen Darsteller stan-den fern von dem
Umkreis der Sphäre, in der H-err Sigl sich be'wegte, vielleicht
mit einer Ausnahmc. Herr Steffcns nämlich zeichnete
den Wurm mit wenigen sicher geführten Strichen: so ctwa sieht
der Gauner aus, der die verbrech-erische Unruhe unter 'der
Maske des kleinbürgerlichen Federfuchsers verbirgt. Der Kalb
des H-errn Steinmann gehörte auch zu dem Erfreulicheren
des A-bends. Ferdinan-d und Luise (Herr Eckhof un-d Frl.
Hartma n n) waren im Wesentlichen richtig angelegt, üoch
fehlte Vieles, Manches war zu hart, Einiges zu nüchtern, hie
und da etwas ganz farblos. Herrn Holstein wurde es
schwer, Ferdin-an'ds Vater zu spielen. Wir denken uns den
Präsidenten kalt, ruhig, nüchtern, öhne viel Bewegung.'Die-
ser Bosewicht gestern war kein Präsident, ebenso wenig wie dic
Milford des Frl. -H u ch ein-e fürstliche Maitresse. Da mutz
man schon an-dere Kräfte und Qualitäten ins Feld führen,
wenn man einen Mann oder eine Frau darstellen will, vor
denen ein Herzogtum zittert. Wo der Anfänger ansetzt, un-
ruhig wird, hier-hin un-d dorthin strebt, um etwas zu Tage zu
bringen, das nach lebendiger Kraft aussieht, da hätte der Re-
gisseur stch als Leiter anbieten müssen un-d rechtzeitig helfen,
datz wenigstens einige sicher gezogene Linien sichtbar würden.

K. W.

Kleine Zeitung.

Königsberg i. Pr., 16. Okt. Den Blättern zufolge
ist Oberst v. A r n st edß Kommandeur der ersten Kaval-

leriebrigade, vordem Kommandenr des Reiterregiments
in China, gestern gestorben.

— Danzig, 14. Okt. Vor dem Kriegsgericht
hatten sich hente die Leibhusarcn Romanowski und Exner
vom 1. Regiment wegen schwerer A u s s ch r e i t u n g e nj
zu verantworten, die ste geg-en mchrere Unteroffiziere des
152. Jnfanterie-Regiments aus Osterode am Aben-d des
7. September im Manövergelände bei Schönau 'begangen
haben. Jn stark bekneiptem Zustande griff Romanowski
einen der Unteroffiziere tätlich an. Exner -oersetzte eineiw
Sergeanten mit dem Säbel einen Schlag über d-eit Kopf.
Die Angeklagten hatten sich 'wä-hrend ihrer drei- und zwei-
jährigen Dienstzeit tadellos aufgesührt. Romanowskr
wurde zu 1 Jahr 1 Monat, Exner zu 3^ Jahren Gefäng-
nis vernrteilt.

— Trieitt, 16. Okt. Gestern wurde 'hier ein Erd»
st o ß verspürt.

Kindliche Logik. Bei Müllers ist -der Tischler im HauK
beschäftigt, da fragte Klein-Hcmna: „Wutter, warum wird
dcr Mann Tischler genannt?" — Mutter: „Weil er Tische
anfertigt." Klein-Hanna: „Ach so, Mama, da mach-en wohl
die Bettler die Betten?"

Kunst- und Theaternachrichten.

— Maxim Görki ist Theaterdirektor ge'worden. Jtt
Nischni Nowgorod, dem Wohnort Gorkis, hat sich ein Kreis
von Thcaterfreun-den gebildet, der die Vorstellungen im dor-
tigcn Volkstheater leitcn wird.

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Die heutifle Nnmmer nmfnyt vier Blätter, zusammen 18 Seiten
 
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