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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 256 - 280 (2. November 1903 - 30. November 1903)
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1S. MkMg. — -iL M.

Erstes Blatt

^ «scheint tiiglich, Sonntag« auSgenommen. Preik mit Familienblättern monatlich 50 Pfg, in'k HauS gebracht, bei der Exvedirion «nd drn Zweigstationcn abgedol« 40 Pfg. Durch dt« V»ß

dezogen vierteljährlich 1.35 Mk. auSichlicßUch Züstcllgebühr.

^»leigenpreil: 20 Psg. für die Ispaltig« Petttrcile oder derrn Raum. Reklamezeile 40 Psg. FLr hiesige Seschäst«. und Privatanzeigen ermätztgt. — Für die Snsnahme von Anzei«««
»» destimmte» Tagen wird keine Berantwortlichkeil übernommen. — Anschlag der Jn!erat aui den Pla kaliasein dei Heidelberger Zeitung ond den slädtiichen Anichlagitellen. Fernsprechcr M.

Tnterpellation betr. Rede Tiszas gegen
Körber.

^. 28 ie n, 20. Nov. Jn d-er heutigen Sitzung brachten,
„Frankf. Ztg." telegraphiert wird, die dNitglie-
des Viererkomitees und der Klerikale Kathrein eine
^Nterpellation ein, in der die Angriffe
Grafen Tisza angeführt werden und bemerkt
^d, dgß der ungarische Ministerpräsid'ent Mr ken un-
^schen Reichstag die Verfassungsmäßige Einflutznahme
tzsi die Hoheitsrechte in Anspruch nimnit, während eine
k^^ußnahme Nlach österreichischem Staatsrecht ausge-
M°ssen

r>

8»IIe

^ . . ist. Der ungarische Ministerpräsident habe bei

^^Isr Gelegenheit einen Ton angeschlagen, der unter
^^SierungenfremderStaatengerechtes
^sremden erregen würde, aber in diesem
als unerhört bezeichnet werden müsse und Körber
>ellos entgegenkommend gesprochen hätte. Ueberdies
z- Isbn gerade im gegenwärtigen Augenblicke mit der
h ^eichischen! Regierung die wichtigsten Angelege-nheiten
^chlandelt werden. Die Jnterpellanten fragen, wie sich
^°rber zu den Aeußerungen Tiszas verhalte. Auch die
ugsschechen brachten eine Jnterpellation ein, in
sn. uusgeführt wird, daß Tisza nur deshalb mit solcher
f ^^hebung und in solchem Tone mit Körber sprechen
i u^e, roeil Tisza eine konstitutionelle Regierung reprä-
. tg>rr, Körber aber nur ein Beamtenministerium. Tisza
Majorität hinter sich, Körber niemand. Die
h^Eerprllanten fordern Körber auf, dem Kaiser die Bil-
^3 einer parlamentarischen Regierung vorzuschlagen.

d^inisterpräsident Körber beantwortet sofort die
^Utichv Jnterpellation nnd führt unter spannungsvollem
.^iisse des Hauses aus, er sei gezwungen gewescn, sich
^ leiner letzten Rede mit Ungarn zu befassen, da die
s<)iu eine Lücke gchabt hätte. Jch zitierte den Wort-
« .i der Gesetze, die anzurufen! jedem einzelnen Bürger

h. Er Staatsgebiete zusicht. Das tat ich mit dcr Ge
y,^uhastjgx^E xEZ redlichen Jnterpreten. Jch habe
l'^ikte an die Bestimmungen gehalten. Jch verweise
daß auch Tisza sich in seinen Reden auf österrei-
sek 2lusgleichsgesetze berief. Die österreichischen Ge-
MN sben bin unübersteigbares Hindernis, das ein-
^ ^8en Aspirationen im Wege steht. Unser Recht
^ ^den wirunsvonniemandenstrcitig
^^chen lassen und wir werden n i e und nimmer
das öfterreichische Staatsrecht
^ 8 eben. Wir habsn unsere Gesetze zu verteidi-
^ wie der Soldat seine Ehre. Jch hatte'in den letzten
kch den Vorgängen im ungarischen Reichstag
Gelegenheit, mich darüber zu informieren, wenn
nicht schon früher mußte, u. ich konstatiere, daß die
kj I3leichgesetze für beide Teile fo lange verbind-
!tzj^bleiben, als sie nichtvon beiden gesetz-
MA geändert werden. An dieser meiner uner-
lerlichen, vielleicht recht bürgerlich aussehenden
' ^öeugung halte ich fest. Körber schließt mit den


Aus Rauch und Raum.

Gedichtbuch von Alexander v. Bernus.
l^erlegt bei Schuster u. Löffler, Berlin u. Letpzig.)
^Uele unserer Leser werden den Verfasser von seinen
nnd Jünglingsjahren her kennen; manche mögen auch
^rjch daben, datz er vor einiger Zeit den Säbel mit der Feder
«»HcWchte nud seitdem in München als Schriftsteller und Re-
Mch sf ber „Freistatt" IM. Alle kennen chn ohne ihr Wissen
'"Wn als Dichter, denn er hat s. Zt. eine Anzahl von Ge-
^ Erstlinge seiner Muse, pseudonhm in den „Heidel-
t chm- ifnmilienblättern" veröffentlicht. Das nun bon ihm
iexjj^llsgebene Gedichchuch lehrt uns, daß sein damaliges dich-
«ex Schaffen nicht einer Laune entsprang, sondern daß
^rieh Dichten aus seinem Jnnersten quillt.


Jch stand in Schaffenstrunkenheit
am felsigen Ufergestade der Zett
und wuchs hinein in die Ewigkeit.

ikre/^w^dem Geleitwort für das Gedichtbuch. Und an an-

Jch war ein jubelfrohes Kind
und sang mein Lied in den Frühlingswind,
wenn Blumen und Blüten entsprossen.

Sie aber wollten mich nicht verstehn
und hießen mich meiner Wege gehn —.

Da ward ich still und verschlossen.

Und in mir selbst baut ich mein Jch,
was ich heut bin, bin ich durch mich.

Sie haben mir nichts gegeben.

Doch wenu ich ihnen auch länyst verzieh,
vergessen kann ich es ihnen nie:

Sie stahlen mein Bestes im Leben.

Worten: Wenn jemals, was Gott vsrhüten wolle, das
Wort Fremde innerhalb der Monarchie zur Geltung
kommt, so wird daran zu erinnern sein, daß der Herr
königlich-ungarische Ministerpräsident der e r st e war, der
das Wort aussprach.

Der Rede Körbers folgt bei den Deutschen ein
u n b e s ch r e i b l i ch e r Jubel. Es gab Ovationen,
wie sie Körber im Hause noch nie erhalten hat. Der
Beifa11 dauert gegen zehn Minuten und
wiederholt sich immer von Neuem. Die Tschechisch-Rw-
dikalen, die schon während der Rede Körbers dazwischen-
rufen und immer wieder lärmen werden von den Deut-
schen niedergezischt. Körber wird von vielen Abgeord'-
neten beglückwünscht. Da die Jungtschechen auf die so-
fortige Verhandlung ihrer Dringlichkeitsanträge verzich-
ten, wird in die Debatte über die erste Erklärung
Körbers eingegangen.

Wien, 20. Nov. (Köln. Ztg.) Der Eindrnck
der h e u t i g e n R e d e K ö r b e r s hat den ungünstigen
Eindruck seiner ersten Rede verwischt. Auch seine Gegner
geben zu, daß die Rede fein und klug den scharfen
Angriff Tiszas parierte. Selbstverständlich ist der Tsche-
chenklub nicht erfreut über Körbers Erfolg. Anch die
Polen finden ihn teilweise nicht günstig für ihre zuletzt
gegen Körber gerichtete Klubtaktik. Von deutscher Seite
brachte Bärnreither heute entschiedene Bedenken gegen
Körbers Politik vor nnd widersprach namentlich dein
Aufschlagszoll auf Zucker. Söhr verschieden stnd die
Meinungen über die Wirkung des Körberschen Erfolges.
Manche Parlamentarier sagen, nunmehr sei völlig klar,
daß Tisza und Körber nicht nebeneinander regiercn kön-
nen. Körbers heutige Erklärung beschränkt sich indessen
auf eine Abwehr und gibt der ungarischen Seite kaum
begründeten Anlaß, die Sache weiter fortzuspinnen; im
Gegenteil sprach der Jnngtscheche Herold heute den Ver-
da-cht aus, Körber und Tisza hätten einen Scheinkampf
verabredet, um gegenseitig ihre Stellnngen zn befestigen.
Bei den beiderseitigen Parlamenten scheint diefs Wirkung
tatsächlich eingetreten zu sein, doch liegt die Entscheidung
beim Kaiser, der heute Abend aus Steiermark hier ein-
trifft und' morgen Körber sowie auch Tisza empfängt.
Uebrigens wurde die tschechische Obstruktion keineswegs
eingestellt, und die Anwendung des 8 14 scheint unver-
meidlich zu sein. Zur Beratung über Körbecs Rede
sind allein 140 Redner eingetragen.

Deulfches Reick.

— Das „Militärwochenblatt" meldet: -Generalleut-
nant von Hugo, kommandierender General dcs 13.
Armeekorps, v. B r a nn s chw eig, General des 17. Av-
meeporps, v. H u g o, Generalinspekteur des Militärbil-
dnngswesens, Hentschel v. -G i l g e n h e i m b, kom-
mandiercnder General des 18. Armsskorps, sind zu Gene-
rälen der Jnfanterie befördert; Prinz Albert von
Schleswig - Holstein - Sonderburg-
Glücksburg, Major beim Stabe des Garde dn Korps,

ist unter Beförderung zum Oberstleutnant zum Komman-
deur des Garde-Kürassterregiments ernannt worden.

P o t s d a m, 20. Nov. H-eute Vormittag erfolgte die
i Rekrutenvereidigung der P'o t s d a ni e r
! Garnison durch den Generalobersten v. Hahnke im
s großen Exerzierschuppen. Die Käiserin wohntc der
j Feier bei.

Badeu.

F r e i b u r g, 20. Nov. Jn einer außerordentlichen
- Generalversammlnng des hiesig-en jungliberalen
; Vereins wurde gestern das Programm der Landesver-
i sammlung jungliberaler Vereine beraten. Bezüglich der
i Festsetzung der Allersgrenze wnrde gegen eine Minder-
j heit beschlossen, dem Antrag Bruchsal beizutreten. Dieier
j lautet: „Die Verbandssatzungen werden durch folgenden
Zusatz ergänzt. Jeder dem Landesverband angeäörends
jungliberale Verein hat die Altersgrenze mit 40 Jahren
festzuhalten. Für Mitglieder, wel-che zur Zeit d-es Jn-
krafttretens dieser Bestimmung das 40. Lebensjahr schon
erreicht haben, bildet das vollendete 46. Lebensjahr die
Altersgrenze.

— Zur Krisis im E v>.- O b e r t i r ch e n r a t
überschreibt das evangel. Korrespondenzblatt sür Baden
einen Artikel, in dem es u. a. sagt:

Daß sich Exz-ellenz Wielandt schon länyere Zeir mit Rück-
trittsgedanken trägt, war ein osfenes Gehcimnis. Daß dazu
auch andere Faktoren beitrugen als die Last der Jahre. un-d des
kirchlichen Amt-es, das finden aufmerksame Beobachter natür-
lich. Ueberraschend kam also nicht der Rücktritt an sich. Daß
er gerckde jetzt erfolgte, zu einer Zeit, die süv uns keine Zeit
zu sein scheint, das ist das Ueberraschende.

Ueberraschend kam der Rücktritt nicht nur der Außenwelt.
Daß ihm nicht gleich ei» Rachfolger gegeben werden- konnte,
läht doch gowiß einen derartigen Schluß zu. Und dah Exzel-
lcnz Wielandt gegangen ist, ehe ein Nachfolger gefunden war.
legt die Vermutung nahe, daß sein Rücktritt im jetzigen Augoni-
blick auch das Ergebnis eines Konfliktes, vielleicht avch nur
einer Differenz ist. Es bedurfte ja wohl bei der vorhandenen
Neigung zum Rücktritt gerade keines akuten Falles. Jmmer-
hin kann es sich bei dem anerkannten Pflichtgefühl des nun
Zurückgetretenen auch nicht um eine Kleinigkeit gehandelt
haben, welche thn veranlaßt hätte, zurückzutretsn, -ehe ein
Nachfolger gefunden war. Mit seinem Rücktritt hat sich ja
Exzcllenz Wielandt auch der Möglichkeit pegeben, bei der Wahl
seines Nachfolgers seinen Einfluh zur Geltung zu üringen.
Möglicherweise liegt gerade auf dicsem Rat das Hauptgewicht,
von dcm der AuSschlag kam. J-edenfaus sind's nicht Kleinig-
keiten, di« da zum Austrag kommen. Das Gefühl einer im
Kirchenregiment vorhandenen Unsicherheit scheint drum nicht
unbegründet.

Jn seinen weiteren Ausführnngen läßt das Korro-
fpondenzblatt dann durchblicken, daß es als Nachsolgev
Wielandts si-ch einen Geistlichen als Präsiden-
ten des Ob e r k i r ch e n r a t s wünscht.

Karlsruhe, 19. Nov. Der preußische Gesandte,
Wirkl. Geh. Rat v. Eisendecher, hatte vorgestsrn
das Mißgeschick, in der Nähe des Bahnhofes von einem
Radfahrer angefahren zu werden und zu Fall zu kom-
men. Herr v. Eisendecher erlitt hierbei bedauerlicher-
weise eine Derletzung am Fuß, die nicht gerade bedeut-end

Durch Zusammenhalten dieser beiden Stellen gewinnt man
eineu EinLlick in das Wesen des Dichters und seiner Dichtun-
gen. Jn- sich selbst baute «r sein Fch. Er hängt sich nicht au die
Außenwelt, er zieht sie vielmehr in sich hinein und drückt ihr
mit Energie den Stempel seiner Aufsassung auf.

sieh, alle Dinge sind Nur
wandelude Schatten der Racht.

Aber das Auge erhellt sie
mehr als die Sonne vermag,
gibt ihnen Lebcn und stellt fte
in den taumelnden Tag.

Gilt dieser Satz zunächst nur sür die ErkenntmS der Außen-
welt, so ist der darin niedergelegte Gedanke ihm doch ein
„Symbol", dessen Bedeutung sich weiter erstreckt, ein Symibol,
das nicht nur auf die äußeren Dinge, sondern auch auf die
inn-crsten Tiefen des Seins, auf die aus ihnen herausqu-elleride
Welt des Wollens und- dcs Empfindens sich bezieht. Vor dem
eigenen Jch soll sich ihm die Welt ausweisen. Dabei will er
nicht etwa „der Wirklichkeiten rüheloses Grau" vor sein inne-
res Forum ziehen, nein, die Welt der Dinge, welche ihm gehört
„entfaltet sich in daseinsferner Schau". Er will im Denken und
Empsinden an den Urgrund der Dinge herangukommen suchen.

Der Charakter seiner Poesie entspricht seinem Jch, das er in
der Richtung auf das Metaphhsische hin ausgcbaut hat. Be-
sonders zeigt sich dies in den Gedichten, die untcr dem Titel
„Spiegelungen" und „Jch" zus-ammengefaßt sind. Auch die
hübschen Liebeslieder zeigen zum Teil starke Spuren davon.
Ebenso findet sich in -den „Seelentiefen" dieses Hinhorchen
auf den Pnlsschlag des All.

Und dann die Nacht. — Ein müdes Augenschliehen

und eine Stille, die vernehmibar klingt,

wie wenn ein Traum in Deine Träume dringt.

Du stehst und lauschest — lauschest weil Du mußt
un-d weißt doch selbst nicht, was dazu Dich zwinK,
noch auch, von wannen sie sich zu Dir fanden,
die Klänge, deren Sinn Dir nicht bewutzt.

Und immer doch liegst Du in ihren Banden.

llnter der Bezeichnung „Dur und Moll" sind eine Anzahl
Lieder zusanrmengestellt, dic bon dcr Art des Dichters, die Na-
tur zu empfindcn und die Empfindung wie'derzugeb-en, ein
charakteristisches Zeugnis ablegen. „Die Nacht im Bergmoor",
„Die Nacht auf dem Lande", „Das Haideland" u. a. sind aus
weichen melancholischen Mollakkord gestimmt, während auS an-
deren, wie „Februarsonne", „Wanderung" usw. uns der kräs-
tige Atem! lichtfrohen Lebens entgegenschlägt.

Als mvderner Dichter geht >der Verfasser auch an den Tiefeu
des Gesellschaftslebens, an Not und Elend, nicht vorbei. Jn
„Mlder und Schatten" zeigt er sich als ein warmer nnd auch
beredter Fürsprecher der Bedrängten, der im heiligen Zorn
manch' kräftiges Wort fiNdet.

Und Einem, dessen Angen tiefer sahn,
und der darum am Leben
verzweiselnd selber stch den Töd gegeben,
hab ich in den lctzten Liebesdienst -getan.-

Dann uahm ich mir ein großes leeres Buch,
das zählte tausend Seiten;

ich nannte es: Die Menschhelt uno die Zeiten
und schrieb auf jede Seite einen Fluch.

Dieser kurze Üeberülick mag genügru, um die Aufmerksam-
keit der Leser auf das Gedichtbuch zu lenken, in dem ein junget
Dichter, dem es ernst ist um die hohe heilige Poesie, seine ersten
zusammenhängendvu Bekenntnisse niederlegt, der herantritt an
das große Rätsel der Welt mit dcm Bewußtsein:

Nur der wird jeucs tiesste Ziel ergründen,
der frei von Schlacken niederer Menschlichkeit.

U. N.

Die heutige Nummer umfaßt vier Vlätter, zusammeu 18 Seiten.
 
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