Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 256 - 280 (2. November 1903 - 30. November 1903)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0991

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MM, 17. Rmickr i«Z

Et'stcs Btatt


^rschei nt tSgltch, Sonntag» au»genomme«. Prei» mit Familienblättern monatlich Sv Pfg. in'» Hau» gebracht, bei ber Expedition nnd den Zweigstationen abgehokt 40 Pfg. Durch di« Post

bezogen viertcljährlich 1.35 Mk. aurschließltch Zustellgebühr.

>l»»eige»pretr: 20 Pfg. für dte Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiestge Geschäst»- und Privatanzeige» ermäßtgt. — Für di« Ausnahme »o» Bnzeigen
a» destimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserab aui den Pla kattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagftellen. Fernsprecher W.

Ein polnischer Aufstand.

^ Die neue Akademie inPosen hat schon einen
^,Wand hervorgerufen, allerdings nur unter den Z ö g-
.^lgen des erzbischöfichen Seminars.' Sie
-^ben dem Domkapitel eins Denkschrift überreicht, in der
^ gegen den Zwang Einspruch erheben, der von der
-^winarleitnng auf sie ausgeübt werde, die „germani-
drende" Posener Akademie zu bejuchen. Die jungen
^Natiker sind bcstraft, der Zwang zum Besuche ist ver-
,.i^rft worden, und die neu eintretenden Kleriker müssen
von nun an schriftlich zum regelmäßigen Besuche der
^ndenue verpflichten. Bei vielen von ihnen hat die
^chafe den Widerstand natürlich noch verstärkt, und- pol-
Üche Blätter behaupten, die größere Hälste der Kleriker
^lle ans dem Seminar austreten, wenn der Zwang
M Befuche der Akademie nicht aufgehoben würde. Die
Zwzs Geschichte trägt, wie die „Köln. Ztg." hervothebt,
anchs unverständliche Züge; namentlich wird jeder, der
den wissenschaftlichen Anschauungen eines Prie-
^r-Seminars ausgewachsen ist, von dem gezwungene'n
^iuch x-iner Akademie nicht viel halten und von der För-
rung nationaler Zwecke durch solchen Zwang noch viel
. ouiger. EZ isk daher keine unwahrscheinliche Vermu-
^g, wenn in einer Zufchrift an die „Schlestsche Zeitung"
Icharfe Vorgehsn des Bischofs auf ganz andere

unde zurückgeführt und die Einsprache der Polni-
^ len gegen die Maßregelung der Kleriker für

ilelltc Arbcit erklärt wird. Der Erzbischof von
stwblewski, heißt es da, wisse ganz genau, daß dsr cin-
Fehlcr, dcr den trefflich organisierten Pröpsten der
.h^oviiiz Posen anhafte, der völlige Mangel einer univev-
. ueii Bildung sei. Dieser Dla'ngel möge dem Erzbischof
chOu manche sorgenvolle Stunde gebracht haben. Jetzt
die Exlös I, n g durch die mit dentschem Gelde
^.^chtete Akademie gebracht. Fhr würden die Zög-
^^ge des Posener Klerikalseminars zum größeren Ruhm
ons zugesührt, Männer, die bei ihrsm Polnisch-natio-
len Rückgrat niemals Gefahr laufen, deutsch-national
gewmid^lk zu werden. llm die Sache aber richtig ein-
^mdeln, lasss man sich wegen solcher „eminenter
^onzession" an das Deutschtnm angreifen, nnd in
^^in finde sich vielleicht sogar eine Stelle, die für diese
H ogzession des Herrn Erzbischofs" eine Gsgenlci-
E,Z n g gsniähre. Diese Hypothese erscheint vorläufig als
i,i>-" 6 o z w u n g e n st e Erklärung für den pol-
tsiku ^ufstand im Pofe'ner Priesterseminar. W sie
IPiug, so wäre zugleich bewiesen, wie wenig das Deutsch-
von dem Besuche der Akademre durch die polnischen
^^lnaristcn zu hoffcn hat, und es konnte der Wunsch
- ockt werden, daß der Widerstand der jungen Kleriker
. 8en den Befehl ihres Oberhirten nicht so bald gebrochen
oden möge.

DeuLsches Reich.

— Die Beförderung des Vizeadmirals v. Tirpitz
zuni Admiral läßt erkennen, daß bei der M a rine auch
in den höchsten Stellsn eine weit bessere Beför-
derung stattfindet wie im Heer e. Der neuernannte
Admiral, welcher Dienstgrad in der Marins dem des Ge-
nerals der Jnf. (bezw. Kav. oder Art.) inr Hcere ent-
spricht, steht im 55. Lebensjahre, also in einem Lsbens-
alter, wo der Offizier bei der Znfanteric gerade deu Oberst
und Regimentskommandeur erreicht. Zwar trat v. Tir-Pitz
schon mit 16 Jahrsn bei der Marine als Kadett ein, aber
erst 1869 wurde er zum Unterleutnant zur Sce befördert;
im H-eere sind jedoch die jüngeren Generale der Jnfan-
terie, welche kommandierende Generale sind, schon von
1865 Leutnants, was sür die Marine ein günstigeres
Avaücement um vier bis fünf Jahre darstellt, das übrigens
auch in den weiteren Dienstgraden der Fall ist. Aufsallend
günsüg ist auch die Beförderung zum Oberleutnant zur
See und zum Kapitänleutnant, gegen welche die betreffen-
den Dienstgrade im H-eere erheblich im Nachteil sind.

Badcn.

KarIsruhe, 16. Nov. Wie dis „Bad. Landesztg."
vernimmt, soll der Landtag am 1. Dezcmber ein-
berufen wcrdsn.

Karlsruhe, 16. Novbr. Exzellcnz Wielandt
richtete an die Geistlichcn der evgl. Landeskirchs folgenden
A b s ch i e d s g r n ß:

„Seine Königlichc Hoheit dcr Großherzog haben sich mit
höchster Entschli-etzung vom- 5. l>. M. gnädigst bewogen gefunden,
mich von mcin-em Amtc zu entheben und huldvollst in den
Ruhestan-d zu verseh-en. Jndem ich dies zu Jhrer Kenntnis
bringe, crfüllc ich zugleich mit m-cinem herzlichen Abschieds-
gruße di-e Pflicht, Jhnen, hochwürdige Herren, für das-mir
zugewendete Vertrauen und die mir von- Jhnen, insbesondere
den Herren Dekanen, geleistete wertvolle Unterstützung in der
Führung meines wichtigen- und nicht selten schwierigen Amtes
den aufrichtigen- Dank auszusprechen. Jch hätte g-ewünscht,
vor der Niederlegung meines Amts der Gesamtvertretung un-
serer Landeskirche von der Führung desfelben- Rechenschaft ab-
le-gen, auch in ihr die zum Ausbau unserer Kirchenver-
fassung, sowi-e zur Besserstellung der Geistlichen un-d zur Ent-
lastung von unbemittelten Kirchenzemeinden und Diaspora-
-genossenschaften in Aussicht genomnienen und teilweise schon
vorbereiteten Entwürfe vertr-etcn zu könn-en. Allein nach deni
Stand m-einer Gesundheit, zumal bei nieinen hohen Jahren,
muh ich diese Aufgäbe andern Händen überlassen. Es war bei
meiner Amtsführung, in llebereinstimmung mit meinen ver-
ehrten Herren Mitarbeitern im Oberkirchenrat, mein Streben,
gemäß d-en in meiner Antrittsansprache vom 2. April 1895
niedergelegten Grundsätzen, die der Billigung unseres gnädig-
sten Herrn und Landesbischofs sich erfreuen durften, soweit es
an der Kirchenregierung ist, das äußer-e Wohl und das innere
Leben .unserer Kirche n-ach Kräften- zu fördern und dabei ins-
besondere dahin zu wirken, daß in ihr bei aller Verschiedenheit
der Auffassungen im einzelnen doch die Einigkeit im Geiste
durch das Band des Friedens festgehalten und brüderliche Liebe
betätigt werde. Das Urteil über den Erfolg meines Strebens
muß ich andern anheimgeben. Aber ich darf bei meinem
Scheiden immerhin dem Bewußtsein Ausdruck -geben, das Beste
unfrer teuren Kirche wenigstens gewollt zu haben. Jn diesem
Sinne bitte ich, meinem Streb-en dic An-erkennung des guten
Wollens und meiner Person ein freundliches Gedenken n-icht
zu ver-sagen. Möchte Jhr auf die Förderun-g des Reiches

^ Erstes Bachvereinskonzert

^ben Montag, den 16. November ini großen Saalc der
Stadthalle.

?eUr?ostcrn Abend wurde den verwöhnten Heidclberg-ern ein
inusikalisches Wunderkind vor-gestellt. Si-e kannten es
Wtten es heranwachsen gesehen. Es war bereits vor
Eüigii ""d höchsten Herrschaften aufgetreten, nicht nur „in
Kreise". Freilich, nur die cindringlichsten Vorstel-
hatten das doch- sonst recht bewegliche Kind bewegt,
siihi ^uiversitätsjubtläum zu erscheinen. Noch in den Auf-
Ati,W8en des Musikfestes war cs nicht ganz „bei Stimme"
— richtiger gesagt, bei Stimm e n: denn es verfügt
Uahezu 4400 wundervolle Stimmen!
listsZ 'ß es n o ch ntcht vöIlig ausgeivachsen, weil selbst eine
i'in,' Miche Stadtvcrwaltun-g vorläufig nicht genügend Näh-
puittcl für die junge Riesin aufbringen kann. Auch ihrcm
Th» P Berater, Prof. Wolsrum, bereitet die tauscndzüuqige
vvlvs, Oju noch mancherlei Kümmernis — sei's, daß sie in einer
kj'z Uolung jugcndlicher Un-art unaufgefordert weiter sin-gt,
bn O "äß sir beim An- oder Abschwellen die elektro-
a t i s ch e n Org-ane ihres geheimnisvollen Jnncrn
di<i,,j ^ufbar arbeiten läßt. Aber Geduld, sie wird noch ganz
Sir». und ihre Mutter, die rühmlich bckannte V o i t'sch-e
N, °urf st o l z sein auf ihr jüngstes Kind.

hes'un

die andere
uus Berlin.
dici^^ufe uns eine

Solistin des Aben-ds: Fräulein Lehd
Wir freuen uns, daß die deutsche Kunst-
^urichF'k "us oine solche Künstlcrin herübergesandt hatte.
b o i p,Uielgen-annte Sängcrin sollte sich an diesem lebens-
Ueh,W u, edeln, diskrcten Vortrag ein Muster
stu » Fräulein Leydhecker gab uns zuerst zwei Arien
U'cht „Saul". Viele Händelsche Ari-en erscheinen

h^dsindp ^"i Text heraus komponiert, unsere^Zeit aber ist

Ute iN'N uus diesem Punkte. So wird der Darsteller von
lg, ,")ucht sein, jene Musik im Sinne des Wortes zu mo-
' ud eK gehört musikalisches Taktgefühl dazu, hier nicht

zu übertreiben. Die Solistin be'sitzt dieses Taktgefühl. Sie
bewies -es uns namentlich bei der Stelle: „O Fall, niemals zu
tief bew-eint", dem wirklich nahezu jeder andere Text zu Grunde
licgen könnte. Weit-erhin erfrcute uns Frl. Leydhecker durch
das „Laudamus te" aus Mozarts nachgelasse-
ner C - M o ll - M e s s e. Hier glän-zte sie durch eine Tech-
nik, die sie nicht aus Kosten, sondern im Dienste der Kunst
entfaltet. Cndlich sang sie uns zwei der Bachschen
geistlichen L i e d e r, — dic im-mer noch nicht in den
Schatz unser-er Hausmusik ü-bergeg-angen sind, trotz der
überaus feinsinmgen Bcarbeitung für Pianoforte von Robert
Franz. Möglich, datz jene Bearb-eitung mit ihren bewegten
Mittelstimmen sich nicht ohn-e weiteres auf die Orgel über-
trägt, und daß man deshalü für „Komm, süßer Tod"
eine andere Begleitung bevorzugt hatte. Den Baß des Liedes:
„B -eschränkt , i 'h r W -eise n" hat Franz, wenn ich nicht
irr-e, leider überhanpt nicht ausgesetzt. Frl. Leydhecker sanz uns
die böiden schlichten, wunderbarenMelodien zu Dank, namentlich
das erste. Nur sollte es vielleicht ein wenig herber klingen,
nicht g-anz so gebeugt: d-ie ToLesseh n su cht, nicht des
Lebens Leid am stärksten daraus sprech-en. — Nach den
Worten: „Kom-m' sel'ge Ruh", erscholl Beifallsklatschen. Wie
mag Fräulein L e y d h ecker dabei zu Mute gewesen sein?

Noch haben wir über dic i n st rumentaIen Darbie-
tungen des Abends zu berichten. Das Konzert 'bestand aus
zw-ei streng g-eschiedenen Hälften, zwischen denen das Laudamus
die Vermittlun-g bilden mochte; die cine w-ar der heiteren, die
andcre der ernsten Muse Spiel gewidmet. Die e r ste wurde
eröffnet durch Händels F-dur-KonzertfürOrgel,
Streichinstrumente und Hoboen. Wolfrums
Vortrag hat mit der üblichen Art, Händel „zu Gehör zu
brin-gen", nich-ts gemein. Uns gefiel seine Bearbeitung
der Orgelstimme, und dic Herr-cn des st ä d t i s ch e n Orche -
st e r s macht-en ihre Sache auch nicht schlecht. Gleichwohl yat
uns diese Musik mehr er-götzt als erfreut. — Desto lieber
lauscht-e jedermann einem anderen Werk: zwei leichte, heitere

Gottes einmütig gerichtetes ferneres Wirken im Dienste unserer
Landeskirche von reichem Segen begleitet sein! Karlsruhe,
den 11. November 1908. O. Dr. Fr. Wielandt."

Elsaß-Lothringcn.

Straßburg, 16. Nov. Der Bezrrkstag Les
Oberelsaß fchloß sich in seiner Schlußsitzung deni
Wunsche des Bezirkstagsmitglisds Ritzenthaler an, daß in
Zukunft von der deutschen Regierung das Mögkiche ge-
schehen soll, um einen eventl. Krieg zu verhüten und daß
vorher die Lösung von vorkommenden Streitfragen
zwischen Deutschland und anderen Nationen dsm inter-
nativnaken Schiedsgericht im H a a g unterbreitet
werden.

Mccklcnburg.

R o st o ck, 16. Nov. Der Großherzog traf heute
Mittag mit Gefolge hier em, wurde in die Aula geleitet
und überreichte nach einer Anspr-ache des Rektors der
S t ii d e n t e n s ch a f t ein neues vou ihm gestiftetes
B a n ii e r, welches der Vorsitzende der Rostocker Stu-
dentenschaft mit Worten -des "Dantes übernahm. Seine
Ansprache schloß mit einem Hoch auf don Großherzog. Jn
seiner Rede betonte der Großherzog das Jnteresse,
welches seine Vorfahren und er der Universttät entgegen-
gebracht hätten. Er werde stets bemüht sein, die Uni-
versität a-uf i-hrem heutigen Stand zu erhalten und wei-
ter fortzubilden. Die Bedeutung der Universi-
täten sei von Fahr zn Jahr gessiegvn, in noch höherem
Maße aber auch die Verantwortung, die die Lehrer in der
Ausübung ihres Amtes zu übernehmen hätten. Die größte
Mehrzaht der zukünftigsn Beamten und Staatsangestell-
ten erhielte den Abschluß ihr-er Ausbildung -auf den Uni-
versitäten. Was sie dort horen und sehen, ist maßgebend
für ihre ferneren Lebenscknschauungen. Er richte daher au
die Professoren und Studeuten die ernste Bitte, stch stetÄ
der v-erantwortungsvollen Aufgabe und der Endziele ihrer
Lehren und Studien voll bewußt zu sein.

3lus der Karlsruher Zeilttrrfl.

— Scine Königliche Hoheit der Großherzo-g haben
dem- Oberrealschüler Rufin F e u e r st e i n in Mannheim,
Sohn des Schneidermeisters Rudolf F-euerstein daselbst, öie
silberne Rettungsmedaille verliehen..

KarIsrnhe, 16. Nov. Gestern Vormittag fand in
der Schloßkapelle in Baden Gottesdienst statt, bei welchem
Hofprediger Fischer die Predigt hielt. Nach dem Gottesh
-dienst erschien die Prinzessin Wilhelm zum Frühstück bei
d-en höchsten Herrschaften. Heute traf Prinz Alexander zu
Hohenlohe-Schillingsfürst aus Colm-ar in Baden ein und
nahm än- der Frühstückstafel teil.

Versanrmlunsi sndwestdeutscher
Jrrenärzte.

V Karlsruhe, 16. Nov. Jm großen Saale des Hotel „Ger-
mania" fanden gestern unter dem Vorsitz des Professors Dr.
Fürstner die Verhandlungen der 34. Versammlung der
südwestdcutschcn Jrrenärzte statt. Ten erst-en wissenschaft-
lichen Vortrag hielt Prof. Dr. Fürstner über „Diagnostische
Schwierigkeit-en bei der progressiven Paralyse." Dr. Fried-

Mozartschc Allegros für Orgel und Str-eichinstrum-entc,
dazwischen ein tvarmes, schmeichelnd-es Andant-e, die 3 von Ios.
Rheinberger zu einer dreisützigen Sonate ver-
einigt. Wolfrum hatte alles getan, diese Musik durchaus welt-
lichen Gepräges, der die Orgel nur ein Jnstrum-ent unter Jn-
strumen-ten ist, stilgerecht auszuarbeit-en: er lietz alle Sechzehn-
füßer weg und wählte hclle Negister, die dem Ton der alten
Silberorgeln aus Mozarts Zeit entsprechcn. Schade, daß das
Spiel des Orchesters hier nicht überall leicht, nicht überall
luftig genug war.

Der zweite, Teil d-es Konzerts brachte uns zunächst zwei
leider selten gehörte Orgelstücke: „H e r z l i ch t u t m i ch v e r-
langen" und „O Welt, ich muß dich lassen", die
beiden letzten der nachgelassenen Choralvorspiele von
Joh. Brahms; dann Bachs C h o r al v o r s p i e l:
„Vor deinen Thron tr e t' ichhiemi t", jene Orgel-
komposision, die der erblindete Meister auf dem Sterbebette
seinem- Schwiegersohn Altnikol in die Feder diktiert hat. Wie
anders der Todesgesang Bachs! Bei Brähms alles vergrübelt,
bei Bach alles durchgeistigt und tief. Bei Brähms lasten die
Nebel einer nie gewich'nen Schw-ermut; Bachs ergreifende
Weise ist von Erdenschwere befreit, er geht dahin, still bereit,
vor seinen Gott zu treten. — Selbst nach diesen heiligen
Klängen blieb das übliche Beifallsgetüsc nicht aus. Da ist's
denn noch -das klei n'r « Uebel, wenn ein Stück, das sich vor-
wiegend im Pianissimo bewegt, alle AugeNblicke durch Husten-
geräusche unterbrochen wird. —

Zum Schlutz, nach all den Klassikern — Brahms ist ja
für die meisten einer — sprach zu uns ein „Moderner". Aber
ein Moderner, der in nicht zu ferner Zeit ein „Klassiker" sein
wird! FranzLisgt sprach zu uns in Pr ä l u d i u m und
Fuge über den Namen Bach — einem Werke, welches seines
Th-emas würdig i st. Jmm-er wieder bricht es über uns.
herein mit -brausender Macht, gewaltig, ab-er, wie bei Bach,
nie gewalt s a m. Diese Musik ist eben ein Erzeugnis tief-
innercr Kultur, vcrvollkomm.net von durchdachter, ausfeilender
 
Annotationen