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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 177 - 202 (1. August 1903 - 31. August 1903)
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CrAes Blsrtt


4s. WWllg. —

tißltch, EovHazk «u»xenoM»>e«. Vreir mit F«Nilt«nblättern monatlich 56 Pfg. in'r HouS gebracht, bei ber Exvedition und den Zweigstatione« abgebolt <6 Mg. Dnntz bt» WeO

drzogen vierreljährlich l.35 Mk. Lukichtirßlich Zustellgebühr.

>«»ei,r»pr«i»r 20 Pf,. fttr di« llpaltige Petit,eile eder derrn Raum. Reklamezeile 46 Pfg. Für hiesige Gcschäft». und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme v»n >rr»«ig«
«« bestimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit ülrrnomW-n. — Anichlag der Jnierate anf dcn Plakattafeln der Heidelberger Zeitung nnd den städtischen Anschlagstellen. Fernsvrecher W.

Eme Nede des Kaisers.

Kaffcl, 28. Aug. Der Kaiser hielt bei 'der heu-
Rgen Tafel folgends Rede:

„Jndem ich mein Glas auf das Wohl der Provinz erhebe,
spreche ich meine Freude aus, soviele Kurhessen und Nassauer
um mich versammelt zu sehen und heiße die Herren alle herzlich
bei mir willlommen. Es ist mir stets eine Freude, wenn ich
rnich in dem eine Weile für mich zur zweiten Heimat geworde-
nen Kassel aufhalten und mich daran erfreuen kann, datz die
alten Beziehungen der Kasselaner zu mir in herzlicher und in-
niger Begrüßung wicder zum Ausdruck kommen, wie auch am
heutigen Tage durch den besonders schönen Schmuck der Stadt.
Jch bitte Ew. Exzellenz, den Kasselanern in meinem Namen
nuszusprechen, wie gerührt Jhre Majestät die Kaiserin und ich
durch die spontane, freudige Bcgrüßung der Bevölkerung sind,
und unseren warmen und herzlichen Dank zu sagen. Jch freue
mich, aus dem Boden zu stehen, auf dem ich gelernt habe, von
kundiger Hand gcleitct, daß die Arbeit nicht um sich selber wil-
len da ist, sondern daß man in der Arbeit seine ganze Freude
finden soll. Die ernsthaften und unablässigen Vorbercitungen,
Lie ich in meinen Studien und auf dem Ghmnasium unter der
Leitung des Geh. Rats Hinzpeter hier vornehmen konnte, haben
rnich befähigt, die Arbeitslast auf die Schultern zu nehmen, die
Non Tag zu Tag in wachsender Bürde zunimmt, und wenn schon
Lamals meine Lehrer, überzeugt von der hohen Aufgabe, die
ihnen übergeben war, alles daran setzten, jede Stunde und
jede Minute auszunützen, um mich für den kommenden Beruf
Lorzubereiten, so glaube ich doch, daß niemand von Jhnen sich
darüber hat klar sein können, welche ungeheure Arbeitslast,
welche niederdrückende Verantwortlichkeit demjenigen aufge-
Lürdet ist, der für 58 Millionen Deutsche verantwortlich ist.
Jedcnfalls bcrcue ich kcincn Augcnblick dic mir damals schwer
dorgekommenen Arbeiten und ich kann wohl sagen, daß die Ar-
Leit und das Lcbcn in dcr Arbeit mir zur zweiten Natur ge-
worden ist, und das danke ich dem Kasseler Boden. Schmerzlich
Lewegt es rnich, daß ich am heutigen Tage, ehe ich das Wohl der
Provinz ausbringe, zugleich das Scheideglas für Ew. Exzellenz
krinken muß. Wenn etwas meinen tiefen Schmerz noch erhöht,
fo ist es das, daß ich mit Rührung sehe, wie aus allen Teilen
der Provinz uneingeschränkt die Trauer sich kundgibt über Ew.
Exzellenz Scheiden. Wenn auch die Provinz vollinhaltlich be-
greift, daß, wo die Not am höchsten ist, der Fürst zu dem Mann
greifen muß, der ihm dcr rechtc an Ort und Stelle zu sein
scheint, das empfindet sie Loch tief, daß ihr das Oberhaupt ge-
nommen wird. Das üeweist, datz Ew. Exzellenz die Aufgabe
hier noch in wcit höherem Maße zu erfüllen imstande waren,
wie ich bei der Berufung gehofft habe. Es ist Jhnen gelungen,
in der Provinz Vertrauen zu erlangen, diese verschiedenartige
Bevölkerung an Zhre Persönlichkeit zu fesseln und sie mit Ver-
trauen und Zuversicht zu erfüllen, daß sie freudig an ihre
schwere Arbeit ging. Verschieden sind die Gaben von Natur
und Vorsehung in diesem Lande ausgebreitet. Sehen wir einen
Teil desselben in hartem Ringen um den Ertrag des Bodens
erstarken, so können wir auf der andern Seite die Jndustrie,
zumal im südlichen Teile, sich entwickeln sehen. Auch Kunst-
denkmäler, die Erinnerungen an noch ältere Zeiten, so die
Burg auf dem Taunus, wo der eherne Schritt der römischen
Legionäre einst auf Geheiß dcr Cäsaren römische Kunst den
unbändigen Germanen einprägte; alles das vereinigt sich in
Lieser Provinz. Das erfordert von dem Oberpräsidenten ein
solches Maß verschiedener Kenntnisse, Laß es eingehender und
tiefgehender Selbstarbeit bedarf, um allen diesen Gebieten
einigermaßen gewachsen zu sein. Wo ich hingehört habe, in
jedem Stand und jeder Beschüftigung ertönt Ew. Exzellenz Lob,
und deshalb ücglückwünsche ich die Provinz zu diesem Ausgnng,
und ich darf wohl im Namen der Provinz Jhnen den Dank
aussprechen für die aufopfernde Arbeit, der Sie sich zu ihrem
Wohl unterzogen haben. Die Provinz möge daraus sehen, wie
es mir am Herzen liegt, und wie ich bestrebt bin, soweit es in
rneiner Macht steht, die Männer einzusetzen, von denenich

Ein schweres Eisenbahnunglück.

1 Udiua (Jtalicn), 28. Arrg. Gcstecn Abeud stieß
Änf dcr Strcckc zwischen Pasiano-Schiabanesco und Co-
droigo ein Militärzng zusamincn, wvbci 15 Personcn
getötct und 60 verlctzt wurdc», datwn 12 lebcnsgefährlich.

Udine, 28. August. Der erste HiIfszug traf an
Lsr Unglücksstelle um 11 Uhr abends ein. Die Rettungs-
arbeiten begannen sofort. Tot sind 1 Hauptmann des 14.
Regiments, 15 Soldaten, der Maschinist und der Heizer
des Zuges, ferner wurden 60 Verwundete aus den Trüm-
mern hervorgezogen, unter ihnen Oberst Bona; ein zwei-
ter Hilsszug kam nachts 2 Uhr an.

Rom, 28. August. Der „Messagero" veröfsentlicht in
einer Ertraausgabe folgende Emzelheiten über das Eisen-
Lahnunglück: Der Z u s a m m e n st o ß fand abends 10
Uhr zwischen den Zügen 2465 und 2468 statt. Der Zug
2465 von Udine war völlig mit soldaten besetzt. Bei
Beano sah der Lokomotivführer einsn anderen Zug mit
Bolldampf cntgegenfahren. Er gab sofort Gegen-
Lampf. Der Z u s a m m e n st o ß, der nicht mshr zu
verhinderu war, war ein fnrchtbarer. Die Wagen
der beiden Züge stürzten übereinander und wurden zer-
trümmert. Die Dunkelheit machte den Vorgang noch
fchrecklicher, steigerte die Verwirrung und verzögerte die
Hilfeleistung. Erst nach 10 Mmuten gingen Metdungen
nach Codroigo Pasiano, Giavonnes mit der Bitte um
Hilseleistimg ab. Jn Erwartimg des Hilfszuges versuchte
man die Derwundeten aus den Trümmern zu befreien,

glaube, daß sie den Aufgaben gewachsen sind. Sie möge auch
in Zukunft das Vertrauen haben, daß ich beseelt bin, die Rach-
folger zu wählen, wic es zu ihrem Wohl nötig ist. Alle meine
Wünsche fasse ich zusammen in den Ruf: Die Provinz blühe
und gedeihe! Hurrah!"

Deutsches Neich.

— Ganz unerwartet soll nach einer Berliner
Darstellung im „Fränk. Kur." dem Schatzsekretär Frhrn.
v. Thielmann seine V e r a b s ch i e d u n g gekommen
sein. Derselbe hatte, wie dort erzählt wird, „noch vor
acht Tagen von seinem Landaufenthalt in Bayern aus
Anweistmgen gegeben in Bezug auf die Neuausstattung
verschiedener Zimmer seiner Dienstwohnung. Beim An-
tritt seines tlrlaubs hatte er dis Zimmer im Jnnern er«
neuern lassen, die Anschaffung neuer Möbel in Aussicht
genommen und auch einen llmbau der Stallung ange-
ordnet. Aus freien Stücken hat er kein Ent-
lassungsgesuch eingereicht, er ist dazu anfgefordert
worden. Bei seinen llnterbeamten war er beliebt, weil
er als reicher Mann nicht knauserte, a'ber bei den höheren
Beamten erfreute er sich ebenso wenig des nötigen An-
sehens wie im Reichstage, weil er alles zu leicht nahm
und selbst zu wenig arbeitete. Seine Verdienste um das
Zustandebringen des deutsch-russischen Handelsvertrages
werden überschätzt, er hat sekbst einmal im Reichstage bei
einem der üblichen agrarischen Vorstöße gegen diesen Han-
delsvertrag mitgeteilt, er habe bei dem Abschluß desselben
gewissermaßen nnr als Translateur mitgewirkt, als Dol-
metscher. — Herr v. Thielmann gehörte zu den wenigen
Reichsbeamten, die dcr russischen Sprache vollständig
mächtig sind. Man konnte ihn wohl zu den liberalen
Elementen in der obersten Reichsbeamtenschaft rechnen,
aber seine im Grunde genommen antiagrarische Gesinnung
hat er nirgends wirksam zur Geltung gebracht."

— Nach den Vorschristen der Heer- und Wehrordnung
ist der Landsturm im allgemeinen von jeder Uebungs-
pflicht im Frieden befreit, zumal er im Kriege nur zur
Vcrteidigung im Jnnern des Landes sowie für Besatzungs-
und Bewachnngszwecke bestimmt ist. Bei diesen aber fallen
den Offizieren ost ganz bestimmte Ausgaben zu, wofür
sich im Frieden eine gewisse Vorbereitung als nützlich er-
weist, und so haben in den letzten Wochen in verschiedenen
Landwehrbezirken dreitägige Uebungen von landsturm-
pflichtigen Offizieren und Unteroffizieren stattgefunden,
um sie in der Befstzung, Bewachung und Verteidigung
von'VerkehrsanIagen theoretisch und praktisch zu unter-
weisen. Zu diesen Anlagen zählen außer den Bahn- I
höfen besonders noch die Brücken, Tunnels und Viadukte
der Eisenbahnlinien, einzelne Flußübergängs, wichtige
Strahenpunkte, Sttaßenkreuzungen usw., deren Sicher-
ung im Kriegsfalle sich als unerläßlich erweist.

Baden.

Rastatt, 28. August. Der „Bad. Beob." schreibt:

! Rechtsanwalt Götzmann hier hat auf einmütigen

! Wunsch des Lokalkomitees der Zentrumspartei die Kan-

^ didatur sür die nächste Landtagswahl angenommen.
! Derselbe steht „voll und ganz" auf dem Boden des Zen-
j trumsprogramms, und seine Person bietet die Gewißheit,
daß die Kandidatenfrage für das Zentrum in Rastatt in
vorzüglicher Weise gelöst ist. Man begreift jetzt, warum
die Demokraten den srüheren Jnhaber ihrer ehemaligen
Domäne Rastatt, Herrn Oberingenieur Delisle, in Dur-
lach aufgestellt haben.

Austsüd.

Ocstcrreich-Ungarn.

Pest, 28. August. Kossuth erklärte heute in
seinem Blatte „Egyetertes", daß im ungarischen Parla-
ment kein Friede möglich sei, so lange die ungarische
K o m m a n d o sp r a ch e nicht wenigstens im Grundsatz
anerkannt und in den kleineren Armee-Einheiten durch-
geführt werde. Er glaubt, wenn die liberale Par -
tei dafür einheitlich eintrete, würde der König keine
Schwierigkeitsn bereiten. Jn liberalen Kreisen ist man
jedoch einer solchen Stellungnahme abgeneigt, und
dem Antrag des Abgeordneten Sandor auf Einberufung
einer Parteiversammlung wird wahrscheinlich nicht ent-
sprochen werden. Die Lage ist noch immer sehr schwierig,
da der König die Kabinettsbildung niemand übertragen
möchte, der größsre Zugeständnisse machen will. Der
Ministerpräsident Gras Khuen-Hedervary wurde heute
abermals in Audienz empfangen.

einMsnstliches
O K AboZTZZement
auf die „H e i d e l b erg e r Zeitun g"
beginnt mit dem 1. September.

Preis bei den Vostanstalten 45 Pfg., durch den
Bricfträger ins Haus gebracht,-I4 Vjg. mehr.
Postanstalten rmd Briefträger
nehmen Bestcllnngen cnlgegen.

Man vrranlaffe Frcunde und Bekannten zn cinem Probe-
Abonnement.

Aus Stadt und Larrd.

Heidelberg, 29. August.

Gedenktafel. An dem Hause Plöck Nr. 50, dem früheren
Besitztum des großen Gelehrten, Arztes, und Schriftstellers,
Exz. Adolf Kußmaul, wurde eine Tafel mit folgender
Jnschrift angebracht: „Hier wohnte Adols Kußmaul Ostern
1888 üis 28. Mai 1902." Die Jnschrift soll das Gedächtnis
der Stätte auf die Nachwelt bringen, wo der Greis, als eme-
ritierter Prosessor der Straßburger Universität, mit unver-
gleichlichcr Erzählcrkunst die „Jugendcrinnerungen eines al-
ten Arztes" niederschrieb.

st- Angebliche Schlohbeleuchtung. Wie ein hiesiges Blatt
meldet, soll am 12. September eine Schloßbeleuchtung statt-

was in der Dunkelheit sehr schwierig war. Nach Ein-
treffen des Hilfszuges wurden die Rettungsarbeiten er-
folgreich fortgesetzt. Man glaubt, daß das Unglück da-
durch veranlaßt war- daß der Militärzug 2466 öerspätet
von Udine abgegangen ist und, um die Verspätung ein-
zuholen, mit großer Geschwindigkeit fuhr und dann nnt
dem Güterzug 2468 zusammmtraf, der, von der anderen
Seite kommend, die Strecke für frei hislt.

'W Udine, 28. Aug. Von Padua aus begaben sich der
König und die Königin nach Beendigung der Truppen-
schau Mnächst nach Treviso und besuchten von dort aus auf
einem Automobil die Eisenbahnunglücksstätte. Sodann
erfolgte die Weiterfahrt hierher, wo die Majestäten in
Begleitung des Erzbischofs und der Spitzen der Behörden
das Militär- und das Zivilhospital besuchten, in welche
die beiden Eisenbahnunglück-Werletzten geschafft worden
waren.

Kleine ZeitlMg.

— Mainz, 28. August. Der Lustmörder Weigand,
der kürzlich hier gefangen genommen wurde, ist zur Be-
obachtung seines Geisteszustandes in die Jrrenan-
stalt Klingenmünster gebracht wordsn.

— Bcrlin, 28. August. Zu der Automobil -
Wettfahrt von Verlin nach Frankfurt a. M.,
die gestern von hier aus erfolgte, wird gemeldet, daß die
Teilnehmer gestern Abend in 20 Krastwagen der ver-
schiedensten Systeme nach schöner Fahrt in Halle a. S. an-

langten und heute Morgen die Reise nach Eisenach fort-
setzten.

— Brenien, 28. August. Nach einem Telegramm aus
Terschelling ereignete sich an Bord des Dampsers „Neckar"
der gestern Bremerhaven verließ, ein schwerer Ungl ück s-
fall, indem das Hauptdampfrohr der einen Maschine
plötzlich barst und der dritte und vierte Maschinist sowie
sünf Heizer verbrüht wurden, während zwei andere Heizsr
leichtere Verletzungen erlitten.

— Emdcn (Prov. Hannover), 23. Aug. Ein Taub -
stummer, Walther Kuntze in Lenksch bei Leipzig, ein
Schüler des hiesigen Oberlehrers Danger, hat, wie der
„Hannov. Kur." berichtet, vor einigen Tagen an der
Leipziger Uniöersität promoviert mit der
Dissertation: „Untersuchungen über die Zusammensetzung
des deutschen und amerikanischen Rotklees, der Zottelwicke
und der Saatwicke während verschiedener. Wachstums-
stadien, sowie über den Einfluß bestimmter Düngemittel
auf die Zusammensetzung der Wicke". Oberlehrer Dan-
ger, damals Lehrer der Taubstummenanstalt in Braun-
schweig, unterrichtete ihn privatim, nach dem Lehrplan
des -Gymnasiums, bewahrte ihn aber vor jedem Verkehr
mit anöeren Taubstummen und riet entschieden zu wei-
terer Ausbildung. Als Herr Danger 1882 hierher ver-
setzt wurde, übernahmen der Direktor und zwei Lehrer
der Taubstummenanstalt in Hikdesyeim die weitere Aus-
bildung. Dr. Kuntze ist der erste sogenannte Taubstnmme,
der an einer deutschen Universität promovierte.

Die heutige Nummer umfayt drei VLätter, zusammen 14 Seite«.
 
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