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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 150 - 176 (1. Juli 1903 - 31. Juli 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0113

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«tkitliz. 1?. Wi 1WZ.

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BlLLtL.

Trlchri»t tL>ltch, Sonntag» auSgcnommen. PreiS mit FamiUenvlattein monatlich S6 Psg. in's HauS gebracht, bei der Expedttion und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch dk W»H

bezogen vierteljährlich b.LL Mk. ausschlietzlich Zustellgebühr.

Anieigenprei»: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Psg. Für hiesige Geschästs» und Privatanzeigen ermäßigt. — Für dir Aufnahme v»n Anseiß«

«l destimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnierate auf deu Plakattafeln der Heidelbergsr Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher W.

Deutschland, Frankrerch und dev zukünstige
Papst.

Ter französische Politiker Jean Jaurtzs erörtert in der
"Petite Repubtique" die Frage, wie sich wohl der n ä ch st e
P a p st gegcnüber Frankreich und Deutschland
derhalteu werde. Die Drohungen der klerikalen sranzö-
iischen Blätter, der Nachfolger Leo's werde in schärfster
Eöeise gegen Frankreich auftreten, lassen ihn sehr kühl;
ee schreibt u. a. nach der „Frankf. Ztg.": „Ob der nächste
Papst Frankreich dcn Krieg erklären wird, kann uns ziem-
Pch gleichgültig sein. Frankreich ist Herr seiner Geschicke
st»d kennt seinen Weg. Die Franzosen wissen, daß es sür
sw kein Heil nnd keine Bürgschaften ihrer Freiheiten gibt

im steten Kampfe gegen die Macht des Klerikalismus
uud in der endgültigen Ausrottung nicht eines religiösen
^laübens, sondern der politrschen Privilegien der Ktrche.
^ie wissen, daß dte vollständige Trennung der Kirche vom
^tnate und die Organisation eines nationalen und rein
U'eltlichen Unterrichts für sie Lebensbedingungen sind.
Pnd welches auch die Methode der Päpste und die Taktik
shres Kampfes sein mögen, die Schlacht wird stch im Wesen
uicht ändern." Damr erörtert Jaurds die andere Drohung
s'er kterikalen Blätter, daß in dem Ntaße, als Frankreich
ssch vom Papsttum entserne, dieses sich Deutschland nähern
Und dairn die Frncht der päpstlichen Zrmeigung Deutsch-
land in den Schotz fallen werde. Jaurtzs kann nicht ein-
sehen, welche Nachteile Frankreich treffeir könnten, dagegen
stndct er, daß Deritschland durch eine allzu enge Verbnr-
s'uiig mit dem Papsttrmr eine weit größere Gefahr lanfen
werde. Er schreibt u. ,a.:

Wilhelm II. verschwendet Liebenswürdigkeiteir air das
Papsttnm, weit er das Zenirum ürancht, um der sozialisti-
schen Bewegmrg Widerstand zrr leisten. Aber er rechnet
U>ohl darauf, daß er auf Lieser Bahn rricht zn weit gerisseir
Uwrde. Das Deutsche Reich könnte nicht ohne Gefahr des
Pnterganges aufhören, das Land der Reformation zu sein,
Unr ein Werkzeug des Papsttums zu werden. Als Deutsch-
iand 1866 zwischen der Preußischen und der österreichischen
Hegemonie zu wählen hatte, entschred es sich für Preußen,
aus Furcht vor dem österreichischen Ultramorrtanismus
Und Jesuitismns. Nun scheint 'aber das preußische Deutsch-
sand, das dem wachsenden Politischen Eirrflnsse der katho-
^sschen Partei unterworsen rst, gerade ern Oesterreich wer-
^eir zu wollcn. Wemr es noch lange auf dieser Bahn fort-
schritte, wenn der klerikale und jesuitische Einfluß den
^ntschcn Regiermrgsmämierii. endgültig als der letzte Hort
ßegen die Sozialdemokratie und das Proletariat erscheinen
lollte, wenn das Liebäugeln Wilhelms II. mit der römi-
Ichen Kurie zu einem politischen Bündnissystem zwischen
oein Papst und dem Kaiser führen sollte, so könnten aller-
,sstgs Papsttum und Kaiserreich durch dieses paradoxale
Einvcrnehmen sich scheinbar gegenseitig kräftigerr; aber
oas märe der moralische Ruin des einen wie des anderen.
^onn das Hanpt des Katholikentiims nur noch in dei^
uschtkatbolischen Staaten einen Stützpmrkt findet und wenn
oas Reich der Reformation von dem Katholizismus die

rhm erforderlich scheinenden Kampfmrttel verlangt, so be-
deutet das den Barrkerott beider Gewalten. Wenn Deutsch-
land sich eng an das Papsttum anle-hnt, so ist das das Ende
der Resormatiorr. Und es bleiben dann in Europa nur noch
zwei Gewalten bestehen: der Katholrzrsmus und der Sozi-
alismus. Dann wird das europärsche Schlachtfsld nach
Frankreich verlegt werden, dann wirdder Kampf
ummenschlicheLukunftinFrankreichsich
abspielen, weil Frankreich das Land ist, das dnrch
seine Geschichte nicht zu einem Kompromisse, wie die Re-
formation einen darstellt, sondern zu dem vollen und direk-
ten revolutionären Kampfe gegen die Macht der Krrche be-
stimmt ist. Entweder verzichtet der deutsche Kaiser auf
die von rhm entworfene Politik und brrcht mit der römi-
schen Kurie und der katholischen Partei, oder er führt die
historische Abdankung Deutschlands herbei und damit den
geschichtlichen Triumph Frankreichs. Dieses darf also,
wenn es dem republikanischen untz Laiengeiste treu dleibt,
alles von den Ereignissen erhoffen und hat nichts von
ihnen zn fürchten.

Diese Äusführungen sind ohne Zweifel beachtenswert.

DcuLsches Reich»

— Der I e s u i t e n o r d e n zählt nach der letzten
Uebersicht 16 231 Mitglieder, wovon 6743 Priester, 4542
Stirdierende der Philosophie und 3946 Laienbrüder sind.
Die d e u t s ch c O r d e n s p r o v i n z hatte Anfang
1903 1429 Mitglieder, nämlich 694 Priester, 401 Stu-
dierende und 434 Laienbrüder. Von diesen warm in
außereuropärschen Missionen 669 tätig.

Baden.

Karlsruhe, .16. Juni. Der Landesaus-
s ch u ß der k o n s e rv a tiv en P ar t ei hielt gestern
eine Sitzung inr Evarrg. Vereinshause ab, in welcher u. a.
der Vorstand der konservativen Partei neu gewählt wurde.
Er besteht rrunmehr aus folgenden Herren: Landgerichts-
direktor Freiherr v. Rüdt 1. Vorsttzender, Pfarrer I).
R e r n m u t h - Knielirrgen 2. Vorsitzender, Geistl. Ver-
walter Fellmeth Schriftführer. Des weiteren fand
eine allgemeine Anssprache über die bevorstehenden Land-
tagswahlen statt.

Prcnßcn.

— Tie E i n rr a h nren der prenßischen
Staarsba h n e n weiserr in den letzten Monatcn eirre
sehr erfreuliche Steigerung auf. Sie ergeben eine
Erhöhurrg für den Monat Juni für den glerchen Zeitab-
schnitt des Vorjahres um znsammen 7 173 000 Mk., da-
von 3 632 000 Mk. im Personenverkehr, 3 325 000 Mk.
rm Gütcrverkehr nnd 216 000 Mk. an sonstigen Einnah-
men. tzm ersten Vieiiöl des laufenden Rechnungsjahres
haben sich gegenüber dem Vorjahre die Einnahmen aus
dem Personenverkehr nirr 7 936 000 Mk. oder 7,64 Proz.,
die Eimrahmen aus dem Güterverkehr um 9 287 000 Mk.
oder 4,28 Prozent und die sonstigen Eirrnahmerr um
761 000 Mark, also die Gesamteinnahmen des ersten

Hebbelverein.

Heidelüerg, 16. Juli.

.. 14. I<r. Es ist interessmrt und packend zugleich, cimnal in
Werkstatt eines Künstlers schauen zu können, ihn zn belau-
Ichcn, wic cr arbeitet und prüft und sondert, ja, wie er wcg-

, Der gestrige Rezitationsabend des Hebbelvereins, in dem
"br bekannte Direktor der Berliner Hochschule für dramatische
s nnst, Herr M o c st, ehemaliger Regisseur der freien Volks-
°nhne Hebbels „M oIo ch" cin Fragment in zwci Anfzü-
reziticrte, gewährte cincn solchen Einblick.

, llnd was schauten wir da? Wie ein Dichter an einem.Stoffe
sstoeitet tind ihn mit Jdccn formt, bis diese den Stoff übcrtväl-
*>8cn und sprengen.

„ Zwei Jdcen hatte Hebbcl nach sciner eigenen Aussagc im
meloch dichtcrisch verwertcn wollen: Die rcligiöse und den Gc-
"nkcn, cin Volk stammcln zu lassen.

Bcidc haben sich dann in scincm Jnnern zu höhcren For-
Nen gcfügt, deren einc zu dcn Nibclungen gcwordcn ist,
n^ren andcre aber das „Oratorium" C h r i st u s wcrden solltc.
^ So legte er nach Vollendung zweier Akte das Werk bci
^Nte, cin Wcrk von ticfstcm Geist, wer in ihm zu lcsen ver-

wcht, ein Werk von lapidarer Kraft dcr Sprache, ein Werk,

on dcrn Hebbcls Jünger sagcn, daß cs scin bedeutcndstes ge-
"vrden wäre, hätte er es vollendct.

ax.P'n so mehr ist zu beklagen, daß es unvollendet geblreben.
^cytllcr hat die Muse neidisch die Feder aus der Hand genom-
ÄW als dcr Demetrius gar zu gcwaltig wnrdc, und anch
,' ^bcl vcrsagte sie ihre Weitcrhilfe bcim Moloch. Aber
Äw schon dic zwci vollcndeten Akte geben cine

sRNung des das Stück dnrchwehenden Geistes und auch jetzt
«lon können wir das bchandcltc Problem crkcnncn, das
'vroblcri, von dcr Religion, dic sich anklammernd an

s Ocbcnc^ Formen doch nur als Wescnsausdrnck
die Sccle des Einzelncn hineinwachscn kann. .Hicr

wurzelt sie denn so tief und fest, datz sie stch sogar gegen die
Form richtet, der sic entsprang, wenn diese ihrcn Wcg ändert,
wenn sie das Jndividuum meistern will. Ueber Religion nnd
Religionsstifter hinaus bleibt dann die Jdee der Religion in
der Seele aller einzelnen als Glaube an das von den Beiden
Gelehrte.

Allerdrngs gehörte ern Künstler wie Herr Moest dazu, dem
Hörer diese Jdee znm Bewutztsein zu bringen. Seine Vor-
tragsweise war glänzend, vollendet in jeder Beziehung. ES
war wohl keiner unter dem Publikum, den er nicht packte und
hinriß. Das ersah mcm an der atemlosen Aufmerksamkeit
Aller während der ganzen Vorlesung. Bedauerlich wär nur,
daß das herrliche Organ nicht in einem größeren Saale vor
einem größeren Pnblikum seine ganze Kraft zur Wirkung kom-
men lassen konnte.

Der langanhaltende Beifall zpigte sowohl das VerständniS
des Publikums für das Werk als anch war cr dcr Dank dcni
Künstler und dem Verein für den Abend.

Kleine Zeitnng.

6 Frankfnrst 16. Juli. Wie die „Frankfurter Zeitung"
meldet, ist der Leutnant von Saltzmanrr von der ostasiati-
schen Besatzungsbrigade, der am 2. Zanuar d. I. von
Tientsin aufgebrochen und guer durch China nach Turke-
stan geritten ist, heute wohlbehalten in Konstantinopel
eingetrosfen. Dasselbe Blatt meldet, daß auf der Jnsel
Samos archäologische Funde von großer Bederrtung ge-
macht worden find. Der Abteilungsdirektor des Berliner
Müseums in Konstäirtinopel, Dr. Wiegand, hat sich sofort
dorthin-begebeir.

— Elbrrfeld, 13. Jnli. Ein t r a g i s ch e s G e s ch i ck
waltet über der Familie des hier in der Berlrnerstraße

Vrerteljahrs um 17 983 000 Mk. oder 5,37 Prozent ge-
hoben.

Arrs dcr KKrlsruher' ^eitung

— Seine Königliche Hoheit der Großhcrzog haben
dem Gemeindewaldhüter Pius Keller in Seelfingen die stl-
bcrne Verdienstmcdaille verliehen, dem Postdirektor a. T.
Harrer in Lörrach die Erlaubnis zur Annahme unv zum
Tragen des ihm verliehenen Königlich Preußischen Adleror-
dens 4. Klasse erteilt.

— Betriebsassistent Heinrich Treiber in Schwetzingen.
wurde nach Grohsachsen versetzt.

Karlsruhe, 11>. Juli. Jm Anschluß an die vom 20. bis 26.
September ds. Js. in Ka s s c l tagende Versamnilung
deutscher Naturforscher und Aerzte wird etne
Ausstellnng von Neuheiten auf ärztlichem und naturwissen-
schaftlichem Gebiete stattfinden.

Auf Grund des Paragraph 114 V.Z.G. ist seitens des Kö-
niglich preußischen Finanzmrnisteriums unter dem im Para-
graph 58 des Hauptprotokolls. der 15. Generalkonferenz unter
Ziffer 17 lit. 5 nnd c aufgeführtcn Bedingungcn für Viejeni-
gen an sich zollpflichtigen Gegenstände, die zu der Ausstellung
vom Zollvereinsauslandc cingehcn und nach Beendigung der
Ausstellung wieder ausgeführt werden, Besreiung vom Ein-
gangszoll zugestanden worden.

Das Großh. badische Ministerium dcr Finanzen hat diä
Zolldirektion mit entsprechender Weisung versehen.

AuslüuL.

Rusrland.

Petersburg, 16. Jülr. Die Tatsache, daß der
ueue Gouverneur von Kr s ch i n e w, Fürst UrussoW,
erriigen Mitglredern der bei ihm erschienenen jüdischen
Abordiniirg emen Gegenbesnch gemacht hat, erregt dort
großes Aufsehen und übt eine überaus bernhrgende Wir-
kung anf aüe Vevölkerungsschichten aus. Man legt dem
Erergnis eine um so größere Bedeutung bei, als der Gou-
verncur die Abordrrung dringend ersuchte, offen rrrrt rhm
zu reden, nick.ts zu verschweigen und ihm damit in der Er-
füllurig seiner Aufgabe beizustehen; er werde die tatkräf-
tigsten Maßriahmerr treffen, um die Beziehungen der vsr-
schiedeneir Bevölkerungsgruppen zu regeln und unablässtg
die genau Erfülluug der Gcsetze, allerdings arrch der üe-
schränkeirderr, zu fordern. Aehnliches sagte Fürst Urussow
auch eiuer bei ihm erschienenen Abordnung der Aerzte des
jü dische >r Krankenh a nses.

Jtalicrr.

R o m , 16. Jrrli. „Popolo Romano" brirrgt einen
offmbar offiziös inspirierteir Artikel, woriir den bekaimten
Vetomächten das Recht des Vetos bestritten
wrrd. Dre Zeiten seien andere, Rom sei Hauptstadt Jta-
liens, das die völlige Freiheit des Konklaves garantiere.
Das Vetorecht war begreiflich, als der Kirchenstaat klein
und schwach war. Heute sei der P a P st nur das geistige
Haupt der Krrche. Wer also dre Freiheit des Konk'Iaves-
bedrohen will, findet sich dem mächtrgen Jtalien gegen-
über, das die geistige Unabhängigkeit der Kirche und Fu-
gleich sein geschichtliches, politisches und rrationales Recksl
zu verteidigen entschlossen sei.

wohnenden Kausmanns August Kerspe. Ende vori-
gerr Jahres machten innerhalb wmiger Wochen zwei er-
wachsene Kinder derselben ihrem Leben in Anfälleir von
Schwermut ein gewaltsames Ende. Ein 17 I ahre
alter Sohn, Schüler einer höhercn Lehranstalt in
Barmen, erhängte sich Ende September im Walde
bei Vohwinkel, und einige Wochen später folgte die 16-
jährige Tochter dem Beispiel des Bruders, rirdem sie sich
in einem Walde bei Cronenberg e r h ä n g t e. Am 6„
Jairuar d. I. traf ein neucr Schlag die bedauernswette
Familie. Kerspe selbst, eirr allgemein bsliebter und ge-
achteter Mann von 66 Jahren, blieb seit diesem Tage ver-
schwunden. Am Somrtag wurde seine Leiche irr Seifers-
werk bei Düsseldorf an der Rheinfähre gefunden. Ohne
Zweifel hal er rm Grcmr über das gräßliche Ende seirrer
Kinder den Tod g e s ri ch t u n d gefunden.

— Jena, 13. Fuli. Am vergangenen Sonnabend
sprairg bei einer studcirtischen Schläge r m cnsu r irn
bmachbarten Dorfe Burgau eine der Schlägerklrngen, und
das absprirrgende Stück slog einem als Zrrschauer anwesen-
den 23jährigen juirge» Mann i n s A n g e. Die Ver-
letzung war so schwer,'daß das Auge verloren sein dürfte.

— Hciligcnstadt, 13. Juli. Bei dem Uuwetter arn
Sonntag schlug der B l i tz irr die L r e b f r cstu e n k i r ch e
eiir. Eirre Rauchwolke entstieg dem südlichen Turm. Jn
der Kirche wnrde gerade Gottesdienst abgehalteir, der
Geistliche stand auf der Kanzel, als der Blitz einschlug.
Es entstand eine große Panik. Frauen ünd Kinder schrieen
nird drängten rrnch den Lüren. Ter Bälgetreter mußte
 
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