Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hebbel, Friedrich; Heine, Thomas Theodor [Hrsg.]
Judith: eine Tragödie in 5 Akten — München, 1908

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.37325#0074
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

FÜNFTER AKT.
Abend. Das erleuchtete Zelt des Holofernes. Hinten ein Vorhang, der das Schlaf-
gemach verdeckt.
HOLOFORNES. HAUPTLEUTE. KÄMMERER.
HOLOFERNES (zu einem der Hauptleute). Du hast gekundschaftet? Wie
steht es in der Stadt?
DER HAUPTMANN. Es ist, als ob sich alle darin selbst begraben
hätten. Diejenigen, welche die Tore bewachen, sind, wie aus dem
Grabe emporgestiegen. Auf einen legte ich an, doch bevor ich noch
abdrückte, bei er schon von selbst tot zu Boden.
HOLOFERNES. AlsoSieg ohne Krieg. War ich jünger, so mißßelemir's.
Da glaubt ich mein Leben zu stehlen, wenn ich's mir nicht täglich neu
erkämpfte; was mir geschenkt wurde, meinte ich gar nicht zu besitzen.
DER HAUPTMANN. Priester sieht man stumm und ernsthaft durch
die Gassen schleichen. Lange, weiße Gewänder, wie bei uns die
Toten tragen. Hohle Augen, die den Himmel zu durchbohren suchen.
Krampf in den Fingern, wenn sie die Hände falten.
HOLOFERNES. Daß man mir solche Priester nicht tötet! Die Ver-
zweiflung in ihrem Gesicht ist mein Bundesgenosse.
DER HAUPTMANN. Wenn sie jetzt zum Himmel emporschauen, so

50
 
Annotationen