Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (69) — 1934 (Nr. 226-299)

DOI issue:
Nr. 241 - Nr. 250 (18. Oktober - 29. Oktober)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43252#0195
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
HMelberyerVMsblatt

Bezugspreis: Durch Botenzustellung und Post monatlich 2.00 bei der Geschäfts.
^Ile ab geholt 1.80 Einzelnr. 10 eH-/. Erscheint wöchentlich 6 mal. Ist die Zeitung
"sn Erscheinen verhindert, besteht kein Anrecht auf Entschädigung. Anzeigenpreis: Di«
'^spaitige Millimeterzeile (46 nun breit) 7 eAr. Reklamen: Die 70 mm breite Milli-
"^terzeile 25 Bei Konkurs erlischt jeder Rabatt. Gerichtsstand: Heidelberg.
^imatzeitung mit dvn Beilagrn: SMNiag drr AM Keimatwarte


Schrtftleitung und Geschäftsstelle: Heidelberg, Bergh. Str. SS/«1, Tel. 71S1. Geschäft,,
stunden: 7.30 bis 18 llhr. Sprechstunden der Redaktion: 11.30 bis 12.30 Uhr. Anzeigen»
Muh: 9 Uhr, Samstag 8.30 Uhr vorm. Für telefonisch übermittelte Aufträge wird
keine Gewähr übernommen. Postscheck-Konto Karlsruhe Nr. 8105. Un-verl. Manuskript«
ohne Rückporto werden nicht zurückgesandt.
Wimm'chast unö Kunst / Aus der Mi! -er Frau / Die Leseftun-e

Wer Bote

Dienstag, 23. SNober 1934

69. Jahrgang / Ar. 24S

Die Gtaatsrefonnplüne in Frankreich

Die fünf Kardinalpunkte

men zu lassen.

Die Mordtaten in Asturien

telvorräte herauszugeben. Als Militärflieger
über dem Ausstandsgebiet Flugblätter abwarfen,
in denen die Aufständischen ausgesordert wurden,
sich zu ergeben, gaben die „Revolutionsausschüsse"
gleichsalls Flugblätter heraus, in denen der ge -
samten Zivilbevölkerung der Tod
angedroht wurde.

In dem Prozeß in Zusammenhang mit der
Aufdeckung des großen Waffenlagers im Madri-
der Volkshaus, dem Gewerkschaftshaus des mar-
xistischen Arbeiterverbandes UGT, wurden Ge-
fängnisstrafen bis zu einer Höhe von drei Jah-
ren verhängt. Von den dem Verbände ange-
schlossenen weit über 100 Arbeitervereinen sind
45 aufgelöst worden. Der Eesamtverband der
marxistischen UET bleibt jedoch auch weiterhin
bestehen.

Widerstände aus dem Senat
DRV. Paris, 22. Okt.
Der Direktionsausschuß der demokratischen
Linken des Senats, die den Radikalsozialisten
in der Kammer entspricht und über die abso-
lute Mehrheit verfügt, hat sich am Montag ge-
gen gewisse Punkte des Reformprogramms des
Ministerpräsidenten ausgesprochen und beschlos-
sen, die Regierung zu warnen. Verschiedene Mit-
glieder wurden beauftragt, sich mit dem Präsi-
denten der radikalsogialistischen Partei, Her-
riot, in Verbindung zu setzen, um ihm den
Standpunkt der Senatsfraktion darzulegen, die
in ihrer großen Mehrheit gegen die Absicht ein-
gestellt ist, die Kammer ohne die Zustimmung
des Senats auflösen zu können. Herriot soll
ausgefordert werden, in diesem Sinne beim
Ministerpräsidenten vorstellig zu werden.
In den Abendstunden des Montags hat sich
sine Abordnung des Direktionsausschusses zum
Ministerpräsidenten begeben, um ihm die Be-
schlüsse des Ausschusses mitzuteilen. Dieser
Schritt ist unternommen worden, weil Staats-
minister Herriot nicht in Paris anwesend ist.
Doumergue erklärte den Mitgliedern des Aus-
schusses, seine Reformpläne seien fertiggr -
stellt, und er werde sie in einer Rundfunk-
rede am kommenden Samstag dem Lande mit-
teilen. Er denke nicht daran, davon Abstand zu
nehmen, sondern beabsichtige, es darauf ankom-

Das neue Kabinett
in Sü-slawien
DRV Belgrad, 23. Okt. Uzunowitsch hat
die Regierungsbildung beendet. Das Kabinett
besteht aus folgenden Mitgliedern:
Ministerpräsident Uzunowitsch, Außenminister
Jeftitsch, Kriegs- und Marineminister General
Eifkowitsch, Inneres: Lasitsch.
Als Minister ohne Geschäftsbereich gehören
dem neuen Kabinett die ehemaligen Minister-
prLstdenten Marinkowitfch und Schrschkitsch an

Schwere Dhnamitekplosion
bei Oviedo
Wie Reuter aus Madrid meldet, ereig-
nete sich während des Transportes von Waffen
und Munition, die von Aufständischen zurück-
gelassen wurden, aus dem Wege nach Oviedo
eine schwere Explosion. Hierbei wurden 27 Sol-
daten getötet und eine noch größere Zahl ver-
wundet.
Wie Reuter ergänzend meldet, sind nach neue-
ren Nachrichten 32 Soldat en getötet wor-
den. Man glaubt jetzt, daß die Aufständischen
den Weg, den der Munitionstransport nehmen
mußte, unterminiert hatten, um ihren
Rückzug zu decken.

Obwohl in der allgemeinen Aussprache einige
Redner sich für das Zusammengehen mit den
Marxisten beider Richtungen ausgesprochen
hatten, wird in der Entschließung die soziali-
stisch-kommunistische Front wegen ihres aggres-
siven Charakters als verderblich für die Arbei-
terklasse und als Wegbereiterin des Faschismus
verurteilt. Die Entschließung wurde gegen
die Stimmen der Vertreter des Departements
Gironde angenommen, die in einer besonderen
Kundgebung Arbeitsminister Marquet ihr Ver-
trauen aussprachen und ihn zu seiner Tätigkeit
im Kabinett Doumergue beglückwünschten.
Es läßt sich noch nicht übersehen, ob nun die
erst vor einem Jahr durch Lostrennung von der
Richtung Blum gebildete Neusozialistische Par-
tei sich ihrerseits spalten wird.
Dem Landesrat scheint ebenfalls ein erstre-
benswertes Ziel vor Augen zu schweben: die
Bildung einer großen republikanischen Partei
mit ausgesprochenem sozialreformischen Ein-
schlag. Insofern berührt sie sich mit gewissen
Bestrebungen, die auf dem linken Flügel der
Radikalsozialistischen Partei auftreten. Der
Landesparteitag der Radikalsozialisten von
Nantes dürfte darüber Aufschluß geben, ob die
Möglichkeit eines Zusammengehens vorhan-
den ist.

Wie die Aufrührer hausten
DNV. Madrid, SS. Okt.
In Madrid trafen 20 Waisenkinder von
Polizeibeamtenfamilien aus Asturien ein. Die
Kinder, deren Väter bei Ausübung ihrer Pslicht
von den marxistischen Horden ermordet worden
sind und die ihre Mütter zum Teil auf dieselbe
Weise verloren haben, find zum Teil blind,
zum Teil am Erblinden. Die Madrider Zeitung
„ABC" spricht im Anschluß an die Mitteilung
vom Eintressen der geblendeten Kinder die Ver-
mutung aus, daß die „marxistischen Barbaren sich
vielleicht nur darum an diesen Unschuldigen ver-
gangen hätten und sie blind machen wollten, um
ihnen den Anblick der Schrecknisse der Revolution
zu ersparen". In der Madrider Presse werden
die Bewohner der Hauptstadt ausgesordert, die-
sen unglücklichen Opsern der marxistischen Revo-
lution eine neue Heimat zu geben. Aus Asturien
nach Madrid gekommene Flüchtlinge erzählen be-
zeichnende Einzelheiten über die Tage der roten
Herrschaft in und um Oviedo. Von verschiedenen
Seiten wird bestätigt, daß in den Reihen der
Aufständischen Kinder im Alter von 12
und 14 Jahren mit Schußwaffen ge-
kämpft haben. Unter den Anführern der roten
Horden befand sich unter anderem eine etwa 25-
jährige Frau, die, bekleidet mit einer roten
Bluse, Gamaschen und Ledermantel, mit der
Pistole in der Hand aus der Straße Befehle aus-
teilte. Viele Aufständische trugen Lederzeug, das
sie den ermordeten Polizisten abgenommen hat-
ge ten. Als gesangengenommene Einwohner unter
!awn»/"b"ufung einer verfassunggebenden! Bedeckung bewaffneter Ausständischer abtrans-
portiert werden sollten, durchbrachen einige
Frauen mit Messern in der Hand die Sperrkette
und stürzten sich mit dem Nus „Tötet die Faschi-
sten" auf die wehrlosen Gefangenen. Nur mit
Mühe konnte der Führer des Transports die
Rasenden von ihrem Vorhaben abbringen. Eine
der Hauptsorgen der Aufständischen war zunächst
die „Eroberung" der Lebensmittelge-
schäfte. Geschäftsinhaber, die sich den Wei-
sungen der Aufständischen widersetzten, wurden
zum Teil gefangen genommen, zum Teil er-
mordet. Unter ständigen Drohungen waren
die Geschäftsinhaber gezwungen, die Lebensmit-

Heute Mustmai
DNV Paris, 22. Okt.
Anter dem Vorsitz des Staatspräsidenten fin-
am Dienstag ein Ministerrat statt, dem man
"politischen Kreisen ganz besondere Bedeutung
blitzt, weil er fast ausschließlich den Staats-
^dformplänen gewidmet sein wird. Mini-
^Prästdent Doumergue wird die einschlä-
°'8«n Pläne in allen Einzelheiten darlegen,
"rauf eine allgemeine Aussprache über die
"Wendigkeit einer Einberufung der National-
.^lammlung stattfinden wird. Doumergue hat
Absicht, den Kammern die Einberufung für
E" 15. November vorzuschlagen. Die Reform-
"llchläge des Ministerpräsidenten betreffen fol-
Punkte:
1- Der Ministerpräsident erhält besondere
Allmächten und die Rechte eines Premiermini-
"E)r°nd er gegenwärtig den übrigen Kabi-
'«mitgliedern gleichbedeutend ist.
Der Ministerpräsident darf im Falle von
z. peil Meinungsverschiedenheiten zwischen
Gierung und Kammer den Staatspräsidenten
"lle vorherig« Genehmigung des Senats bitten,
^^ammer anfzulösen und Neuwahlen auszu-
Die Regierung soll allein das Recht haben,,
° Haushaltsausgaben vorzuschlagen.
„ Haushalt des lausenden Jahres kann
äugert werden, wenn der nächste Haushalt
U rechtzeitig verabschiedet worden ist.
Rahmen der Versassung wird ein Ve-
°"«esetz erlassen.
hatte in politischen Kreisen aus der
^-""unkrede des Ministerpräsidenten zu er-
H " .glaubt, daß Doumergue für sich das
Anspruch nehmen wolle, die Kammer
Nach halbamtlichen Darlegungen
. dies aber nicht zu. Der Saatspräsident
E soll dieses Recht erhalten.
^Mansage derAeusozialisten
DNB. Paris, 22. Okt.
Vruch zwischen Arbeitsminister Mar-
hch ""h der Neusozialistischen Partei ist nun-
.^gültig vollzogen. Der Landesrat der
hat am Sonntag eine Entschließung an-
dem Kabinett Doumergue
dst ^End angesagt wird, weil es unfähig sei,
Sab/^Etwnären Kräfte zu meistern, die Auf-
eim" Stunde zu lösen und weil es Wege
"8e, die den verfassungsmäßigen Freihei-
iej ^Ehrlich würden. Die Neusozialistische Par-
in sich für eine aufbauende Politik aus,
Mittelpunkt der Kampf gegen die
ll»nz müßte. Nur so werde man die reak-
Kräfte bekämpfen und an der Seite
^Easse den Mittelstand und alle le-
Hst Kräfte der Nation sammeln können,
»lenjg ist zur Teilnahme an jeder parla-
si»bjl r^rn Kräftegruppierung bereit, die eine
^No° republikanische entschlußfreudige Regie-l
s»r^ ^mögliche. Sie tritt ferner ein für die so-!
Eir' '
Nnz^"Kung zur Erneuerung der politischen
üj y ^Eschaftlichen Einrichtungen. Sie befiirch-
Unz^r Verschärfung der Wirtschaftskrise
^tivl* """ ihr folgenden Zurückziehung der
kch auf sich selbst eine Mehrung der
^iiti/^h""- Deshalb warnt sie vor jeder
den Frieden durch das System
stiltt . H i t 8 rb ü n dn i s s e festigen will, an-
Völkerbund auszubauen. Die Ent-
8 klingt aus in einem Aufruf gegen
'n, damit die Nationen der Vernichtung
Oge» dem. Bürgerkrieg und dem auswär-
entgehen.

Armes Mexiko!
Schon seit Monaten tobt wieder in Mexiko
der Kulturkampf mit einer Heftigkeit, die
allein noch durch die grausamen Methoden über-
boten werden kann, mit denen das bolsche-
wistische Sowjetreich den Vernichtungsfelzug ge-
gen die Kirche betrieben hat. Es hat den An-
schein, als ob man in Mexiko wieder vor Er-
eignissen stände, wie sie dieses unglückliche Land
bereits in den Jahren 1924—28 erlebt hat. Da-
mals hat die von dem sozialistischen Präsiden-
ten Calles geführte Regierung kurzerhand alle
Kirchen des Landes geschlossen und den Prie-
stern die Ausübung ihrer seelsorgerlichen Tätig-
keit untersagt. Auch damals wurden mehrere
Bischöfe und Hunderte von Priestern des Lan-
des verwiesen, Polizei und Militär setzte di«
Regierung gegen die katholische Bevölkerung ein,
die zahlreiche Märtyrer als Opfer ihrer Treu«
gegen den Glauben der Väter unter den Ku-
geln der Sozialisten dahinsinken sah.
Nur etwas mehr als ein Jahr dauerte der
provisorisch wieder hergestellte Friede zwischen
Staat und Kirche in Mexiko. Die Leidsnszeit d«r
Kirche begann eigentlich schon wieder Ende
1929, als der päpstliche Legat des Landes ver-
wiesen wurde. Die gesetzgebenden Körperschaften
haben insbesondere wieder in den letzten Mo-
naten eine Arbeit entwickelt, die durch ständig
neue Schikanen gegen das Priestertum und das
katholische Volk das Land in höchste Erregung
versetzen mußte. Es sei nur daran erinnert, daß
man die Priesterzahl gesetzlich derart beschränkte,
daß keine geordnete Seelsorge Mehr möglich war.
Sogar davor scheute ein Bundesstaat nicht zu«
rück, ein Gesetz zu erlassen, das sich gegen das
Zölibat der katholischen Priester richtete. Dazu
kam dann noch die Gesetzesvorlage über die Ein-
führung des sozialistischen Unterrichts sowohl
an den Hochschulen wie an den Volksschulen. Der
staatliche Unterricht soll ganz im Geiste des
gottesleugnerischen Marxismus erteilt werden
mit der ganz selbstverständlichen Kampfeinstel-
lung gegen alles, was dem religiösen und sitt-
lichen Denken des katholischen Volkes heilig ist.
Gegen diese Absicht der Regierung, di« aus-
schließlich von den Kräften des sozialistischen und
liberalen Freimaurertums getragen ist, wandte
sich der Entrüstungssturm der katholischen Volks-
kreise. Es kam zu gewaltigen Demonstrationen
in der Hauptstadt und im ganzen Lande, un-
schließlich wurde der Schulstreik proklamiert, um
eine letzte deutliche Warnung gegen die Treibe-
reien der christentumsfeindlichen Kräfte auszu-
sprechen. Die Regierung blieb aber unbelehrbar.
Am vergangenen Freitag wurde von der Bun-
desversammlung das neue Schulgesetz angenom-
men, gegen das sich der berechtigte Protest der
gläubigen Elternschaft gerichtet hatte. Es besteht
kaum ein Zweifel darüber, daß auch die Parla-
mente der Bundesländer, die selbstverständlich
stark unter dem Einfluß der Zentralregierung
stehen, diese Schulgesetze sanktionieren und durch-
führen werden. Um aber ihre ganze „Autorität"
noch besonders drastisch dem Volke vor Augen
zu führen, beschloß die Regierung fast gleichzei-
tig, alle Erzbischöfe und Bischöfe des Landes zu
verweisen, mit der geradezu ungeheuerlichen Be-
gründung, daß sie Ausländer seien, weil fie Gre
„Befehle" aus Rom (und in religiösen Dingen
wohl nicht von der gottesleugnerischen Partei-
zentrale) beziehen.
Damit dürfte der Kulturkampf in Mexiko wie-
der einmal einen Höhepunkt erreicht haben. Da
kaum anzunehmen ist, daß die katholische Bevöl-
kerung die Eewaltmaßnahmen der Regierung
gegen ihre kirchliche Obrigkeit und gegen ihre
eigene lleberzeugung ruhig hinnehmen wird, muß
leider befürchtet werden, daß schwere innere
Kämpfe ausbrechen werden. Für den Radikalis-
mus der sozialistischen Kreise spricht ja Bände
das weitere Verlangen, daß man alle katholi-
schen Beamten von ihren Posten entfernen will.
Mit der seltsamen Begründung, die man dem
Landesverweisungsbeschluß gegen die Bischöfe
gegeben hat, könnte man konsegmnterweise alle
katholischen Staatsbürger kurzerhand d*s Aa»
 
Annotationen